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Viele Kleidungsstücke des täglichen Gebrauchs, insbesondere Sportbekleidung, gehen über deutsche Ladentische, nachdem sie eine
lange Reise zurückgelegt haben. Etwa zwei Drittel wird in Osteuropa, Mittelamerika und Asien unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen von Frauen genäht. Insbesondere
arbeitsintensive Schritte der Herstellung wie das Zusammennähen von Hemden werden in eigens abgegrenzte Industriegebiete dieser Regionen ausgelagert.
Die Freihandelsenklaven nennen sich "Freie Produktionszonen". In ihnen finden sich Fabriken, die
ausschließlich für den Weltmarkt produzieren, sog. Weltmarktfabriken, die in Lateinamerika kurz "Maquilas" genannt werden. Diese Produktionszonen zeichnen
sich durch eine Infrastruktur aus, die einen hohen Grad an Mobilität gewährleistet. Die Weltmarktfabriken werden von Zulieferfirmen errichtet, über die die
arbeitsintensiven Produktionsschritte "sauber" abgewickelt werden.
Verändern sich die Produktionsbedingungen durch wirtschaftspolitische Maßnahmen der jeweiligen
Regierung oder durch die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeitenden, ist es möglich, den gesamten Produktionsprozess in kürzester Zeit in eine andere Zone eines
anderen Landes zu verlagern.
In diesen Enklaven haben die Unternehmen die Möglichkeit, importierte Materialien zu verarbeiten und
anschließend zu exportieren, ohne dafür Zölle und Steuern zu zahlen oder sich an die einfachsten Arbeitsvorschriften oder Tarifverträge halten zu müssen.
Um "scheues" Kapital zu ködern, stellen die Entwicklungsländer darüber hinaus in den
Sondergebieten eine kostenlose Infrastruktur zur Verfügung. Neben Straßen, Wasser- und Elektroversorgung werden Betriebsgebäude zu minimalen Mieten und
primitive Unterkünfte für die Beschäftigten geboten, hinzu kommen die obligatorischen Einzäunungen und Wachmannschaften für das quasi exterritoriale
Gebiet.
Heute gibt es rund 500 Produktionszonen; nach Angaben des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften arbeiten
weltweit darin fast 4,5 Millionen Menschen, nicht mitgerechnet die 1440 Millionen Chinesinnen, die in den Sonderwirtschaftszonen, in den sog. offenen Grenz- und
Provinzstädten, in den Touristenzonen, Freihäfen und zollfreien Zonen malochen.
In den Weltmarktfabriken zahlen die Arbeiterinnen einen hohen Preis für die Kleidung, die uns zum Verkauf
angeboten wird. Sie werden geschlagen, belästigt und zu Überstunden gezwungen oft für einen Stundenlohn von nur 70 Cent. In der Regel sind 7090%
der Beschäftigten junge Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren. Ihr monatlicher Verdienst liegt bei etwa 110 Euro. (Der Lohnkostenanteil an einem 100 Euro teurem Sportschuh
beträgt 0,4% = 40 Cent.)
Das ist ein Lohn, der die Existenz nicht sichert und die Näherinnen zu unbezahlten Überstunden zwingt.
Ausreichender Gesundheitsschutz ist in den Fabriken nicht gegeben. Wenn die Frauen krank werden, müssen sie mit Lohnausfall und bei Schwangerschaft mit Kündigung
rechnen.
In Südostasien beschweren sich viele Frauen über die Größe der Maschinen, die von
kleinwüchsigen Asiatinnen nur schwer zu bedienen sind. Schutzbrillen und -masken, Arbeitshandschuhe und -schürzen sind Mangelware.
Da ökonomische Kriterien den Standort der Wirtschaftsenklaven im jeweiligen Entwicklungsland bestimmen und
soziale Aspekte fast keine Berücksichtigung finden, liegen die Produktionszonen häufig fernab der Wohngebiete. Das hat zur Folge, dass die Arbeiterinnen oft in oder in der
Nähe der Zonen kaserniert werden oder lange Fahr- bzw. Gehzeiten in Kauf nehmen müssen. In einigen Fällen wie bspw. in Dubai dürfen sie das Gelände
nicht verlassen, in anderen herrscht ab 22 Uhr Sperrstunde.
Die Kampagne "Saubere Kleidung" existiert seit 1990 und ist ein internationaler Zusammenschluss von
Menschenrechts- und Frauenorganisationen, Gruppen aus Kirchen und Gewerkschaften. Ihr Ziel ist es, soziale Mindeststandards in der Kleidungsproduktion durchzusetzen. Die Produkte
der Weltmarktfirmen sollen nicht boykottiert, sondern die Firmen durch öffentlichen Druck gezwungen werden, einen Verhaltenskodex zu unterzeichnen (die Näherinnen
fordern dies nachdrücklich).
Damit verpflichtet sich ein Unternehmen, den Arbeiterinnen die elementaren Rechte zuzugestehen, die die ILO
(Internationale Arbeitsorganisation) formuliert: Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, Vereinigungsfreiheit, das Recht Gewerkschaften zu gründen und Tarifverhandlungen zu
führen, Zahlung von existenzsichernden Löhnen, Arbeitszeitbegrenzung, Gesundheits- und Sicherheitsschutz.
Einige Konzerne mussten erfahren, daß sie ihr mit Werbemilliarden teuer erkauftes Image riskieren, wenn das
Öffentlichmachen skandalöser Arbeitsrechtsverletzungen KundInnen verunsichert und unter Umständen sogar vom Kauf abhält. Sie verfügen deshalb
mittlerweile ebenso wie der Weltverband der Sportartikelindustrie über einen "freiwilligen" Kodex, der die Standards der ILO als Grundlage benennt. Dieser sieht
allerdings keinerlei unabhängige Kontrollen, unter Beteiligung lokaler Akteure, über die Umsetzung des Kodex vor und fordert nur die Zahlung eines
"Mindestlohns", der in der Regel nicht ausreicht, um die Grundbedürfnisse der Arbeiterinnen zu befriedigen.
Damit die Kodizes nicht nur dem Image dienen, sondern für spürbare Verbesserungen in den
Weltmarktfabriken sorgen, braucht es auch weiterhin die Unterstützung durch die Konsumenten. Welche Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit es gibt, insbesondere
für fantasievolle Aktionen, darüber informieren
www.saubere.kleidung.de
www.ci-romero.de/saubere-kleidung oder
www.attac-netzwerk.de/oldenburg.
Willi Lüpkes