SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2002, Seite 21

Moana Maniapoto

Moana and the Moa Hunters: Moana (Pirate Records)

Noch immer streben die Maori, die Neuseeland um 900 u.Z., also rund 700 Jahre vor den Europäern, von Polynesien aus kommend entdeckten, Selbstbestimmung und Souveränität an. Wie selbstverständlich wird dies den etwa 10% der neuseeländischen Bevölkerung noch immer verweigert.
Die wohl populärste Figur der Maori-Musik ist die Rechtsanwältin, Sängerin und Liedermacherin Moana Maniapoto. Durch ihre Europatournee in diesem Sommer, auf der sie ihre erste in Europa veröffentlichte CD vorstellte, wird die kämpferische Musikerin, die sich als politische Aktivistin versteht, auch wohl hierzulande an Bekanntheit gewinnen.
Ihr künstlerischer Einsatz für die Rechte der Maori räumt auf mit einer naiven polynesischen Südseeromantik, was nicht bedeutet, dass es nicht auch einmal sanft klingt bei den Auftritten der charismatischen Musikerin. Moana erweckt mit ihrer Band, den Moa Hunters, vergessene musikalische Traditionen zu neuem Leben.
Das geht bis zu den Instrumenten, die von den europäischen Missionaren als heidnisch abgetan worden waren, inzwischen fast vergessen sind und nun wieder von ihr auf die Bühne gebracht werden. Ohne die polynesischen spirituellen Riten dieser Musik zu verleugnen, schafft sie es — im wahrsten Sinne des Wortes spielend — die Melodien und Rhythmen der Maori mit zeitgenössischen Musikstilen verbunden.
In ihrer Bühnenshow wechseln der traditionelle Kriegstanz der Maori, der Haka, mit Breakdance, als wäre er die Urform dieses Tanzes. Ebenso erscheint der Sprechgesang der "Krieger", der den Haka begleitet, wie ein Vorläufer des Rap, der zum Breakdance auf die Bühne gebracht wird. Ausgangspunkt der Musik bleibt die traditonelle Folklore der Maori, die im Arrangement immer wieder mit der Popmusik des Westens in Verbindung gesetzt wird.
Vor allem durch die eindringliche wie variantenreiche Stimme Moanas gelingt diese Verbindung, gleichgültig, ob einmal der Soul, der R&B oder Hip Hop die Stilelemente bestimmen. Ergänzt wurde die Bühnenshow auf dieser Tournee durch Effekte des Dokumentarfilmers Toby Mills, die vor allem die Landschaft Neuseelands in ihren verschiedensten Formen zur Kulisse der Auftritte machten. Bei der Instrumentalisierung wechseln sich traditionelle maorische Instrumente, Taonga puoro genannt, mit Instrumenten ab, wie wir sie aus jedem Popkonzert kennen.
Ihre CD Moana, veröffentlicht beim Kölner Label Pirate Records, ist so etwas wie eine Werkschau der enorm vielseitigen Künstlerin, von ihr in Zusammenarbeit mit Toby Mills produziert. Der Opener "Tahi" stammt von dem gleichnamigen Debütalbum aus dem Jahr 1993. Hier schon ist der Ansatz des Konzepts zu hören, der sich bis zu den Open-air-Konzerten und in die Hallen der 2002er Tournee fortsetze: die Verbindung von Pop und Folk. Auf Moanas Web Seite www.moananz.com ist im Übrigen das hervorragende Video zu diesem Lied zu sehen.
In Neuseeland wurde das Album vergoldet, aber auch in Indien und Malaysia sowie auf Hawaii hatte es großen Erfolg. Allerdings vergingen nahezu zehn Jahre, bis ihre Musik in die Zentren des Musikbusiness vorstieß. Dabei lag es sicherlich nicht an der eigensinnigen Mischung der Musik.
Die zwölf restlichen Titel der CD kommen vom 1998 erschienenen Nachfolgealbum Rua oder sind neue Aufnahmen. Viele der Lieder singt Moana in maorischer Sprache. Nicht so "Ancestors": Auf Englisch vorgetragen, zu den Rhythmen des Haka, entwickelt sie einen geradezu funkigen Sound, der an die Talking Heads erinnert, in einem Lied, in dem es auch um die Geschichte der Kolonialisierung der Maoris geht.
In "Treaty" plädiert sie für die Einhaltung jenes Friedensabkommens, das die Maori im Jahr 1840 mit der Kolonialmacht England schlossen und das den Maoris jene Selbstbestimmung einräumte, für die sie noch heute vor der UNO streiten. In diesem Lied entwickelt sie aus dem traditionellen Chanting eines Begrüßungstanzes, der über Krieg und Frieden entscheiden konnte, ein Rap-dominiertes Stück, das wahrscheinlich seinesgleichen sucht, wenn es um die Verbindung von polynesischem Rhythmus und westlichen Grooves geht.
Um kulturelle Aufklärung geht es in "Moko", einem Song, der die historische und spirituelle Bedeutung von Gesichts- und Körperzeichnungen und ihren Unterschied zu herkömmlichen Tattoos in einer englischsprachigen Spoken-Word-Fassung erklärt, wobei es dabei nicht nur um die wesentlich höhere Schmerzhaftigkeit der maorischen Variante geht. Der Song "Calling You" ist dagegen eine "Seemannsballade" im R&B-Stil, die die ozeanischen Reisen der Maori beschreibt und inhaltlich auch aus Hamburg kommen könnte.
Besonders hervorzuheben ist sicherlich noch "Te Kohu", bei dem der vokallastige maorische Gesang von Moana zwischen Pop-Elektronik und südeuropäisch anmutender Akustikgitarre eingebettet wird. Ein Stück, das an die 5000 Zuhörerinnen und Zuschauer in Florenz geradezu abgefeiert haben sollen.
Dass all diese innovativen Fusionen so lange bis Europa gebraucht haben, hängt sicherlich auch mit dem herrschenden paternalistischen Blick auf die sog. Weltmusik zusammen, wo eine selbstbewusste politische Frau, die sich in TV- Diskussionen mit Politikern um Selbstbestimmungsrechte streitet, wenig zu suchen hat.

Tommy Schroedter



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