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Die Grünen sind als Regierungspartei so weit im herrschenden System angekommen, dass sie grünes Urgestein wie Christian
Ströbele nicht mehr akzeptieren können. Er erhält in Berlin keinen Platz mehr, um über die Landesliste erneut in den Bundestag einzuziehen. Also
kämpft er erfolgreich um ein Direktmandat und sorgt damit dafür, dass die PDS ihr drittes "sicheres" Direktmandat verliert und nicht mehr ernsthaft
im Bundestag vertreten ist.
Real-satirischer lässt sich die Situation der Linken, die den Parlamentarismus noch ein wenig ernst
nimmt, nicht charakterisieren: Christian Ströbele sichert im Alleingang den Fortbestand der rot-grünen Bundesregierung. Die PDS hat im Westen der BRD
keinerlei Ausstrahlungskraft gewonnen, weil sie immer wieder deutlich gemacht hat, dass sie keine Oppositionspartei sein will. Sie stellt sich als Regierungspartei im
Wartestand dar, die, sobald sie ihr Ziel zunächst in Landesregierungen zu kommen erreicht hat, wahrlich keinen Grund dafür liefert, dass ein
Linker sie wählen könnte.
Trotzdem ist es ein Verlust, dass es nun keine Opposition mehr im Bundestag gibt, die gegen die
Kriegspolitik der Regierung auftritt oder monatlich die rechtsextremistischen Gewalttaten thematisiert. Arno Klönne hat (siehe SoZ 7/02) den Niedergang des
deutschen Parlamentarismus schon frühzeitig vor der Bundestagswahl beschrieben und die außerparlamentarische Arbeit als alternativlos dargestellt. Die
Situation nach dem 22.September bestätigt diese Analyse. Die rot-grüne Regierung hat in einer erstaunlichen Ehrlichkeit schon vor der Wahl damit gedroht, die
Arbeitslosen zu drangsalieren (Hartz-Papier) und zu Sozialhilfeempfängern zu machen (Streichung der Arbeitslosenhilfe). Alle WählerInnen von rot-grün
müssten wissen, dass nach der Rentenversicherung in der letzten Legislaturperiode nun das Krankenversicherungssystem geschleift wird. Jahrzehnte alte soziale
Errungenschaften werden ohne linke Opposition im Parlament neoliberalisiert.
In Bochum hat es während des Wahlkampfs ein kleines lokales Projekt gegeben,
außerparlamentarische Opposition links von der Politik der Bundestagsparteien aufzuzeigen. Unter dem Motto: "Tatort Deutschland Vom Versprechen
zum Verbrechen Falsche Politik muss man nicht wählen" wurden eine Reihe von Veranstaltungen zu zentralen Themen durchgeführt,
Flugblätter und Plakate veröffentlicht und Auftritte der Parteien mit Protesten begleitet. Dabei hat sich gezeigt, dass die soziale Basis und die Mitglieder von
SPD und Grünen durchaus zu verunsichern sind. Ein Transparent mit der Aufschrift: "Zwei erfolgreiche Angriffskriege in einer Legislaturperiode nur mit uns!
Weiter mit Rot-Grün!" führte zu heftigen Reaktionen der Infostandbesetzungen der Regierungsparteien. Eine detaillierte Auflistung des Sozialabbaus, den
SPD und Grüne in den letzten vier Jahren betrieben haben, sorgte auf Flugblättern für große Sprachlosigkeit bei den Verantwortlichen. Eine
größere Kundgebung in der Bochumer Innenstadt, die die Regierungspolitik vor allem kabarettistisch würdigte, fand erheblich mehr Interesse als die
Angebote aller Parteien zusammen. In Gesprächen wurde aber immer wieder deutlich, dass sich unter den PassantInnen der Innenstadt kaum jemand vorstellen kann,
wie wenig in Parlamenten tatsächlich entschieden wird. Argumentativ war es immer leicht darzustellen, dass es der Widerstand der Antiatombewegung war, der
Wackersdorf oder Kalkar verhindert hat, egal welche Landes- oder Bundesregierung gerade an der Macht war. Aber in vielen Gesprächen wurde deutlich, ein
Bewusstsein für die Bedeutung außerparlamentarischer Arbeit ist nicht einmal in Ansätzen vorhanden. 1980 gab es nur eine Handvoll Abgeordnete, die
gegen Atomraketen und AKWs opponierte. In der Bevölkerung war die Position wahrscheinlich mehrheitsfähig. Es gab soziale Bewegungen, die u.a. zur
Gründung der Grünen führten. Hiermit wurde eine Systemkrise abgefedert. Die Grünen haben es geschafft, die Bedeutung der sozialen
Bewegungen zunächst durch ihr Engagement objektiv zu schwächen und aktuell durch ihren Einsatz für Krieg und Atomkraft in ihr Gegenteil zu
verkehren. Das Nichtvorhandensein einer linken Opposition im Parlament wird hoffentlich zu einem Erstarken der außerparlamentarischen Opposition führen.
Wichtig wird sein, diese Kraft sorgsam zu pflegen und nicht wieder einer Parteiwerdung zu opfern.