SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2002, Seite 4

Vorschläge

eines Jesuitenpaters

Margret Thatchers Begründung für ihre sozialen Grausamkeiten lautete TINA — ‘There is no alternative‘ — es gibt keine Alternative. Auch unsere rot-grüne Regierung begründete millionenfache Arbeitslosigkeit, Kürzungen im Sozialhaushalt, Streichungen von Kulturausgaben mit Sachzwängen — ohne Alternative.
Der Jesuitenpater Friedhelm Hengsbach behauptet jedoch, die führenden Politiker seien keineswegs ohnmächtig. Ihre neuen Reformvorschläge würden jedoch den "Rahmen solidarischer Risikoabsicherung sprengen". Ein öffentlicher Grundrechtsanspruch der Betroffenen werde durch ein privates Markt- und Tauschverhältnis abgelöst. Erst nachdem z.B. der Arbeitslose eine marktfähige Leistung erbracht hat, soll er einen Anspruch auf staatliche Gegenleistung haben.
Prof. Hengsbach sieht die Zukunft in "personennaher Arbeit". Die reichen Industrieländer stehen seiner Meinung nach vor einer ähnlichen Wendemarke wie die Agrargesellschaften vor der Industrialisierung. Damals waren 80% der Bevölkerung in der Landwirtschaft, heute nur noch 2—4%. Damals ernährten neun Bauern einen Nichtbauern mit. Heute kann ein Bauer 82 Nichtbauern mitversorgen.
Heute sei damit zu rechnen, dass der industrielle Kapitalismus keine Vollbeschäftigung mehr herstellt, weil dessen Produkte mit erheblich weniger Arbeitszeit und mehr Technikeinsatz zu vermarkten sind. Das bedeutet nicht einen Kapitalismus ohne Arbeit. Das Zeitalter des Arbeitsvermögens ist heute jedoch durch einen wachsenden Anteil jener Arbeit bestimmt, die sich den Menschen selbst zuwendet. Die Arbeit am Menschen in Form von Bildung und Pflege des Arbeitsvermögens wird die Produktion und Vermarktung von Waren verdrängen.
Für eine demokratische Arbeitsgesellschaft bieten sich vier sinnvolle Alternativen an:
1. Eine allgemeine Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit auf dreißig Stunden.
2. Eine Vielfalt von Arbeitsformen muss anerkannt werden; neben der herkömmlichen Erwerbsarbeit etwa private Kinder- oder Elternarbeit, zivilgesellschaftliches Engagement und reine Hobbyarbeit.
3. Der zunehmenden Neigung der Frauen zu Erwerbsarbeit sollte auch eine verstärkte Förderung der privaten Kinder- und Elternarbeit folgen.
4. Eine demokratische Gesellschaft ist keine Horde von Arbeitstieren.
Deshalb ist der Tanz der industriellen Arbeitsgesellschaft um die Erwerbsarbeit, sobald er sich aggressiv gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger richtet, krankhaft, urteilt Hengsbach. Und schlägt vor, "durch ein steuerfinanziertes Grundeinkommen, das an keine gesellschaftlich nützliche Arbeit geknüpft ist" die materielle Voraussetzung dafür zu schaffen, dass alle Bürgerinnen und Bürger im Stande sind, sich an den öffentlichen Willens- und Entscheidungsprozessen aktiv zu beteiligen.
Wenn wir auch nicht damit rechnen, dass die neugewählte rot-grüne Regierung diese Vorschläge aufgreifen wird, sollten wir zumindest die Vorstellungen des Jesuitenpaters bekannt machen. Insbesondere, dass in der Industriegesellschaft Qualifikationen wie das Zählen, Wiegen, Messen gefragt waren, in der kulturellen Dienstleistungsgesellschaft aber die Kompetenzen des Heilens, Beratens und Spielens wichtiger sind.

Jakob Moneta


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