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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2002, Seite 23

Neuer US-Militärstützpunkt

Berliner Zinnsoldaten gehen in Aufstellung

Dass sich eine Gruppe von Menschen, die regelmäßig zu Schreibübungen zusammenkommt, eine atlantische Inselgruppe zum kollektiven Namen wählt, die seit der Inbesitznahme durch britische Kolonialisten zum Sonnen beschienenen Edelpuff der britischen und später US-amerikanischen Oberklasse und von allen Spekulanten und Profiteuren der kapitalistischen Weltwirtschaft geschätzten Freihandelsoase ausgebaut wurde, ansonsten aber für seine rassistische Gesellschaftsstruktur mit zu vier Fünfteln unterprivilegierter Nachfahren schwarzer Sklaven bekannt ist, musste letztlich zu dem führen, wo die "Redaktion Bahamas" heute angelangt ist. Es wird gleichermaßen das Inselleben geliebt wie gehasst, weil von der größten Höhe, dem ganze 63 Meter hohen Mount Alvernia, der, da kennen wir Felidae-Experten uns aus, auf der bahamaischen Katzeninsel liegt, auch nur das große unbekannte Meer ringsum gesehen wird, und es werden mit Leidenschaft die USA geliebt, die Mutter aller Moderne, Zivilisation und Verfolgerin einer so herrlich "kalkulierbaren Außenpolitik", dass die ganze Welt wünscht, Teil der Bahamas zu sein.
Nach monatelangen Schwingen der US-amerikansichen Flagge haben sich die Bahamas- Redakteure, diese hochgradigen Opfer insulärer Monokultur, jetzt eine besondere Form des politischen Vitaminmangels eingefangen: sie fordern auf — wen eigentlich, da sie doch den Rest der Welt als Islamfaschisten und Antisemiten entlarven? — eine Kampagne "Waffen für Israel" zu beginnen, "die allen Ernstes Spenden für die Streitkräfte Israels sammelt" und "darüber hinaus Leitlinie einer politischen Intervention gegen den weltweiten Antiimperialismus und gegen seine antisemitischen Intentionen werden" soll.
Es bestehe die Gefahr, dass die USA "sich anders besinnen und nochmals ein Appeasement mit den Kräften des Untergangs wagen", deshalb muss Israel, "dessen Überleben unabdingbar mit dem Überleben eines Restbestandes von Zivilisation verknüpft ist", aufgerüstet werden.
"Solange jede kurrente Kritik am Kapitalismus auf völkischen Antiimperialismus und menschenfeindlichen Moralismus hinausläuft — also direkt am Nationalsozialismus anknüpft und dessen Wiedergänger, allen voran dem Islamismus, hofiert — gibt es keine vernünftige politische Kritik an den USA und ihrem Handeln, sondern höchstens an ihrem eventuellen Nicht-Handeln." "Es geht nicht um seltsame Zweckbündnisse, wohl aber darum, zu erkennen, welche politischen und ideologischen Formationen aktuell der Emanzipation am bedrohlichsten sind."
Wir wollen den durchgeknallten Jungs von der Bahamas nicht vorwerfen, dass ihre Gleichsetzung von, wie sie immer schreiben, "Onkel Saddam" mit Hitler und des "Islamismus mit dem Nationalsozialismus" eine Verharmlosung des Faschismus darstellt, der im umgekehrten Fall bei den Bahamas-Leuten den Daumen nach unten geschleudert, wenn nicht gleich das politische Fallbeil bedeutet hätte. Wir wollen auch nicht über diese nochmals gesteigerte Rückkehr zur Haupt- und Nebenwiderspruchstheorie mäkeln.
Wir wollen mit ihnen überhaupt nicht seriös diskutieren, weil wir damit beginnen müssten, dass in ihrer fünfseitigen Redaktionserklärung in Bahamas 39 ("Krieg dem Baath-Regime, Waffen für Israel!") buchstäblich nicht eine einzige Sachbehauptung der Wirklichkeit entspricht und nicht ein Zitat ehrlich wiedergegeben wurde. Wir fragen uns bloß, wenn denn nur "jede kurrente Kritik am Kapitalismus" zu dieser militärischen Aufstellung an der Seite Israels zwingt, wäre es dann nicht besser, eine kon-kurrente Kritik des Kapitalismus zu entwickeln, die einen das Geldsammeln für Geheimdienst und Armee eines Staates, der nun wirklich mehr Waffen als Verstand hat, und die gemeinsame Front mit den christlichen Fundamentalisten und Ölbaronen in der US-amerikanischen Regierung ersparen könnte?
Der US-amerikanische Geheimdienst und auch die Mossad aus Israel sind dafür bekannt, dass sie in ihren Anti-Aufstandsstrategien, auch immer beträchtliche Aufwendungen vorsehen, mit denen in den Reihen ihrer vermeintlichen Gegner Gruppen und Organisationen aufgebaut werden sollen, die keine andere Aufgabe haben, als mit komplett bestussten Geschrei und Geschreibse, den Aufbau einer kämpferischen antikapitalistischen Bewegung zu verunsichern und zu verunglimpfen. Mit Helga Zepp-Larouche kandidiert seit Jahren ein Zögling solcher Maßnahmen bei deutschen Wahlen. Das Traurige an den Berliner Zinnsoldaten an der Seite der USA und Israels ist, dass sie sich diese Rolle freiwillig ausgesucht haben, ohne Geld und Trainer aus den USA. Im anderen Falle wären auch sie doch so herrlich "kalkulierbar". Aber "links" ist die ganze Scheiße nicht.

Thies Gleiss


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