SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2002, Seite 4

Übermut in Berlin -

- tut nicht gut

Es sind nicht linke Spinner, die zu Unrecht behaupten, die Reichsten seien unter der "rot"-grünen Koalition noch reicher geworden. Es ist das jüngste Hauptgutachten der Monopolkommission, das dies eindeutig belegt.
Die Wertschöpfung (der Wert, der in einem Unternehmen selbst produzierten Waren und Dienstleistungen nach Abzug aller Vorleistungen) der hundert größten Unternehmen in der BRD ist von 157 Milliarden Euro im Jahr 1990 auf 274 Milliarden im Jahr 2000 um 11,6% gestiegen.
Die Wertschöpfung aller Unternehmen stieg im gleichen Zeitraum von 857 Milliarden auf 1,368 Billionen um nur 4,2%. Zum ersten Mal erreichten die hundert größten Unternehmen ein Fünftel der gesamten Wertschöpfung.
Daß die CDU unter gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten bei der Bundestagswahl 9% zugelegt hat, während die SPD 7,4% und die PDS 2,2% verloren, hat wohl zwei Ursachen. Das Versprechen der "rot"-grünen und "rot- roten" Koalitionen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, wurde nicht eingelöst. Die CDU hat es auch verstanden, die gestiegene Arbeitslosenzahl zum zentralen Thema ihrer Wahlprogaganda zu machen.
Nach dem knappen Sieg von Rot-Grün bei der Bundestagswahl wird jetzt der Berliner Senat übermütig. Er droht, die Gehälter im öffentlichen Dienst eigenmächtig festzulegen, will gar im Bundesrat eine Öffnungsklausel durchsetzen, um über die Beamtenbesoldung selbst besimmen zu können.
Der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), kündigte an, dass die Arbeitszeit für Beamte und Lehrer auf 42 Stunden verlängert wird. An den angestrebten Einsparungen in Höhe von 250 Millionen Euro und jeweils 500 Millionen in den nächsten zwei Jahren sei nichts zu rütteln. Berlin gebe jährlich 7,3 Milliarden Euro für sein Personal aus, was fast seinen kompletten Steuereinahmen entspricht. Die Gewerkschaften erklären, sie hätten "keine andere Wahl, als ein solches Ansinnen abzulehnen".
Wir müssen allerdings daran erinern, dass — leider mit den Stimmen des Koalitionspartners PDS — das Land Berlin, die Garantie für Risiken aus dem Immobiliengeschäft der Bankgesellschaft Berlin AG und deren Tochtergesellschaften übernommen hat. Die Risikoabsicherung beläuft sich auf 21,6 Milliarden Euro über den Zeitraum von 10 Jahren. Den 70000 Fondsanlegern wird eine Rendite gesichert, die den Jahreshaushalt des Landes Berlin üersteigt.
Es war die Schriftstellerin Daniela Dahn, die anlässlich der Verleihung der Louise-Schröder- Medaille die Frage stellte: "Warum sollten alle anderen Opfer bringen, nur nicht die 70000 Fondsanleger? Warum werden nicht auch mit ihnen Gespräche über einen ‚Sozialpakt‘ und über Verzichte geführt, die sie ohne Not erbringen könnten? Zumal sie ihre Einlagen über Steuervergünstigungen oft schon jetzt wieder herausgeholt haben?"
Haben der knappe rot-grüne Wahlsieg und die Ausbootung der PDS den Berliner Senat so übermütig gemacht, sich jetzt mit den Gewerkschaften anzulegen, die sich weit hinausgelehnt haben, und trotz der vielen CDU/CSU-Mitglieder, Bundeskanzler Schröder zu seinem Erfolg zu verhelfen?

Jakob Moneta


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