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Der Sturz ist tief und durchaus unerwartet. Noch kurz vor dem geplanten FDP-Landesparteitag in NRW wurde spekuliert, ob und wie sich
Jürgen W. Möllemann gegen den vereinten Ansturm seiner Bundespartei und Teile seiner Landespartei verteidigen wird. Seine Herzkrankheit schien ihm
zuerst behilflich zu sein, Zeit zu gewinnen. Doch seine innerparteilichen Gegner förderten zutage, dass er sich bei seiner berühmt-berüchtigten
Flugblattaktion vom September wahrscheinlich illegaler Methoden bedient hatte. 840000 Euro hat er irregulär gesammelt und er tut nichts, die schwerwiegenden
Verdächtigungen aufzuklären, die gegen ihn und seine Hintermänner vorliegen.
Die FDP-Führung hat sich diesen Vorwand nicht nehmen lassen, Möllemann zu
stürzen. Der sieht sich nun nicht nur mit politischer Ausgrenzung konfrontiert, sondern auch mit weitreichenden Strafanklagen. Schon einmal, als damaliger
Wirtschaftsminister, stolperte er über solcherart "Unregelmäßigkeiten". Diesmal jedoch kommt die politische Isolation hinzu, die ihm
seine so falsche wie gefährliche, weil mit antisemitischen Klischees spielende Israel- und Friedman-Kritik eingebracht hat. Auch wenn die Zeiten des
"Theyll never come back" vorbei sind und Möllemann ein erprobtes Stehaufmännchen ist diesmal dürfte sein Ende
eingeleitet sein.
Der Fall Möllemann war und ist aber auch ein Fall FDP. Nicht in dem Sinne jener, die da
behaupten, die 18%-Strategie sei eine explizit rechtspopulistische und antisemitische, eine Strategie, die Möllemann zudem mit der Parteispitze um Westerwelle
teile. Bei dieser Interpretation handelt es sich wohl eher um jene linke "Hannibal-ante-portas"-Aufgeregtheit, die Analyse durch Verschwörungstheorie
ersetzt.
Weder gibt es irgendeinen Hinweis, dass Möllemann mit Wissen und Billigung Westerwelles
gehandelt hat die gegenwärtige Schlammschlacht ist ein deutliches Indiz dagegen. Noch ist jene allzu oft vorgebrachte These stichhaltig, das FDP-
Wahlergebnis, zumal das in NRW-Möllemannland, sei ein Zeichen, dass Antisemitismus wieder wahlfähig sei in der BRD. Möllemann habe doch, so
die Begründung, 2 Prozentpunkte hinzu gewonnen im Vergleich zu 1998, sagen sie. Doch das ist methodisch unsauber. Nicht 1998 ist der Vergleichsmaßstab
für Erfolg und Misserfolg, sondern jener Frühsommer 2002, als die FDP bei 1213% lag. Dieser tiefe Sturz geht nicht nur, aber eben auch und nicht zu
knapp auf Kosten Möllemanns.
Möllemann ist auch heute noch das, was er immer war, ein notorischer Intrigant, der
spiegelbildlich immer auch unter Verschwörungsängsten gelitten hat. Ein Politiker, der, wie es einer seiner Biografen bereits vor 15 Jahren sagte,
"menschlich erschreckend unreif, unzuverlässig und skrupellos" ist, "weder links noch rechts in der politischen Landschaft". Dass er
politisch so groß werden konnte, verweist auf den spezifischen Charakter der FDP als einer Honoratiorenpartei. Die faktische Kontrolle lokaler und regionaler
Parteistrukturen durch Einzelne ist hier die Basis einer über persönliche Verbundenheiten organisierten Gesamtpartei, die eine demokratische Parteikultur
nicht kennt. Es war diese Struktur, die "Genschers Libero" Möllemann solange geschützt hat, nicht jener angeblich breit geteilte Antisemitismus.
Und insofern ist der Fall Möllemann auch ein Fall FDP.
Der Fall Möllemann ist aber auch ein Fall FDP, weil Möllemann als neoliberaler, zu
Irregularität und Korruption neigender politischer Hasardeur ein weitgehend getreues Spiegelbild seiner FDP ist, die als neoliberale Programmpartei der politische
Arm wesentlicher Teile des bundesdeutschen Kapitals ist und entsprechend mitregieren will. Die FDP-Riege ist integraler Teil des herrschenden Machtkartells und als
solche, d.h. solange sie die Partei ist, die sie nunmal ist, zu einer konsequenten Haiderisierung strukturell unfähig. Ein entsprechender Rechtsruck ist mit dem
vorhandenen Parteipersonal nicht umzusetzen und mit den Kapitalinteressen des deutschen Imperialismus unvereinbar.
Auch ein Schwenk nach links ist unwahrscheinlich. Nicht nur, weil die letzten Linksliberalen der FDP
politisch gescheiterte Existenzen sind unwillens und unfähig zum politischen Kampf um ihre Partei , sondern vor allem weil der FDP mit den
Grünen ein dauerhafter und sehr viel glaubwürdigerer Konkurrent erwachsen ist, der ihr auf absehbare Zeit die linksliberale Schau stehlen wird.
Das ist das Dilemma der FDP. Und mit der gewaltsamen Austreibung Möllemanns wird es nicht
gelöst werden.