SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2002, Seite 6

Super-GAU-Minister Clement

Der neue Superminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement erfüllt die denkbar besten Voraussetzungen für eine sozialdemokratische Großkarriere: Die Beschlüsse der Sozialdemokratie und ihre Grundsätze sind ihm genauso egal wie dem Kanzler. Das hat er zum x-ten Mal bewiesen, als sein Kabinett beschlossen hat, in NRW Studiengebühren einzuführen.
Zum Minister qualifiziert Clement vielleicht auch, dass wohl niemand so wirklich etwas positives mit ihm verbinden kann. Auch in der SPD nicht — bei der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden hat er 2001 nur 68,94% erhalten — nur Scharping hatte weniger und Gegenkandidaten gab es nicht.
Auf jeden Fall kann es Clement selbst freuen, Bundesminister zu werden. So unverzichtbar, wie er in NRW plötzlich allen erschien, wurde er die meiste Zeit über nicht gesehen. Bei der letzten Landtagswahl, der ersten Beurteilung von Clements Arbeit als Ministerpräsident, war er davon überzeugt, 3,x% Gewinn zu machen und eine absolute Mehrheit zu bekommen — später machte er genau das an Verlust. Mit den Grünen meinte er umspringen zu können wie in einem Sado-Maso-Studio und bändelte immer wieder öffentlich mit der Möllemann-FDP an, weil er die Grünen als Klotz am Bein empfand.
Erinnerungen daran wären nach dem Zugewinn seines Koalitionspartners und dem Absturz Möllemanns wohl nur noch peinlich. Die Grünen mag er deswegen auch nicht mehr als vorher. Dass die in NRW seinen teuren Metrorapid zusammen mit der CDU blockierten, während die FDP dieses Projekt unterstützte, wurde als "Landesverrat" bezeichnet.
Mittlerweile ist Clement 62 — das größte Maß an Jugendlichkeit ist für ihn, auf der Expo holländischen Jugendlichen den Stinkefinger zu zeigen. Dass die NRW-Kommunen am langen Arm verhungern, konnte Clement zwar immer der bösen Konjunktur zuschieben und damit sogar noch die Rechtfertigung für neoliberale Politik finden.
Was die Kürzungen im Sozialbereich angeht, hat er dagegen eine große Protestwelle losgetreten, sowohl — zumindest für kurze Zeit — in der Partei, als auch auf der Straße, wo allein am 8.Juni in Düsseldorf tausende Menschen gegen Studiengebühren demonstrierten. Und auch in der SPD war man wenig erfreut darüber, dass immer mehr Mutmaßungen darüber auftauchten, ob Clement nicht vielleicht ein wenig Vetternwirtschaft betreibe.
Keiner kann sagen, ob man ihn bei der nächsten Landtagswahl wirklich noch mal hätte antreten lassen — da ist ein ruhmvoller Abgang und eine Ministerpension ja gar nicht so schlecht. Und plötzlich, da er weggeht, reden alle in der SPD gut von ihm. Und, weil er die Erbschaft- und Vermögensteuer nicht mehr erwähnt, auch außerhalb derselben.
"Die Hartz-Vorschläge werden das Land verändern" sagt Clement — und schon nennt man ihn zum Beispiel in der Westfälischen Rundschau "künftig bundesweiter Kämpfer gegen die Arbeitslosigkeit". Dass das, was Clement an den Hartz-Vorschlägen besonders toll findet, bedeutet, dass die Arbeitslosen demnächst noch weniger Geld kriegen, ist naheliegend. Denn die Arbeitsmarktpolitik NRWs auf Bundesebene fortzusetzen, dürfte unmöglich sein: Das nämlich hieße, dass Clement durch die Gegend fährt und bei Betrieben um Ausbildungsplätze bettelt, statt wirklich welche zu schaffen.

Ein Juso-Aktivist aus NRW


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