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Mit einem Rückblick auf das vergangene Jahr und vor allem die Metalltarifrunde 2002 begann der Kongress der
Gewerkschaftslinken. Leider mußte das Eröffnungsreferat von Prof. Arno Klönne ausfallen, dafür kamen dann ausführlicher die
Arbeitsgruppen und die Aktivitäten gegen den drohenden Irak-Krieg zu Wort.
In den vier Arbeitsgruppen zu den Bereichen "Gesundheitspolitik", "Hartz-
Vorschläge", "Tarifpolitik" und "Zukunftsdebatte der Gewerkschaften" diskutierten die über 100 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer die weitere Arbeit der Linken in den Gewerkschaften.
Breiten Raum nahm die Diskussion der wichtigsten Elemente des Hartz-Papiers und die
Stellungnahmen aus den oberen Gewerkschaftsetagen in der Arbeitsgruppe "Hartz-Papier" und im anschließenden Plenum ein.
Die Gewerkschaftsführung hatte mit einem mehr oder weniger häufigen
"Aber" ihr grundsätzliches "Ja" zum Hartz-Konzept verbrämt. Das war schon vor der Wahl kaum mit einer wie auch immer
begründeten taktischen Rücksichtnahme auf die Schröder-Regierung zu erklären, ist aber nun nach der Wahl nicht mehr zu
begründen.
Zu offensichtlich sind die schädlichen Folgen insbesondere der Leiharbeitsagenturen
(PSA = Personal- und Sozialagenturen bei jedem Arbeitsamtsbezirk) mit ihrer Lohndrückerfunktion; der Senkung der Zumutbarkeitskriterien für die
bisherige Arbeitslosenhilfe (demnächst Arbeitslosengeld 2); der Zwangsmaßnahmen gegen Beschäftigungslose; der Verwendung von
Beiträgen in die Arbeitslosenversicherung für die Lohnzahlungen der Unternehmen; der zunehmenden Privatisierung der Arbeitsvermittlung, der
Zunahme prekärer Beschäftigung durch sog. "Ich-AGs" und der Heranziehung von Familien zur Finanzierung der fehlenden
Ausbildungsplätze für ihre Kinder.
In einer ausführlichen Stellungnahme wurden vor allem aus Sicht der Arbeitslosen einige
Aspekte dieser Pläne erläutert, wobei die genauen Maßnahmen der Koalition während des Kongresses noch gar nicht bekannt waren,
aber bereits klar war, dass die Leistungen gesenkt werden sollten.
Insbesondere die Einrichtung der PSAs, die in Köln und Duisburg als Pilotprojekte bereits laufen sollen noch kritischer in der
Gegenöffentlichkeit dargestellt werden. Bisher liegt die "Aufklärungsarbeit" fast nur bei NRW-Sozialminister Harald Schartau, der nicht
müde wird die Vorbildfunktion dieser PSAs hervorzuheben.
So sind jetzt schon Tarifabschlüsse zwischen den Gewerkschaften und diesen PSAs
angestrebt. Die Formulierung bei Hartz, dass die Leiharbeiter zu tariflichen Bedingungen eingestellt würden, bedeutet im Klartext, dass sie zu diesen
neuen Tarifen, die deutlich unter den Industrietarifen liegen, beschäftigt werden. Entlassene können dann womöglich in ihren alten
Unternehmen als Leiharbeiter zwar tariflich fixiert aber deutlich unter dem Betriebstarif verdienen. Dies führt auf Dauer zur Lohndrückerei
in der gesamten Branche, da immer mehr Beschäftigte durch niedriger bezahlte Leiharbeiter ersetzt werden können.
Und das Arbeitsamt übt auf die Arbeitslosen über die Androhung von
Leistungskürzungen entsprechenden Druck aus, sich als PSA-Mitarbeiter einstellen zu lassen. Diese Gefahren verkennt leicht, wer die Leiharbeit als
Problem der Arbeitslosen sieht, und nicht die Zusammenhänge zu den anderen Beschäftigten erfasst.
Entsprechend kritisch gingen die Kongressteilnehmer mit den positiven Stellungnahmen etwa
eines Schmoldt um, der die Umsetzung "1:1" der Hartz-Vorschläge gefordert hatte. Die kritischen Stellungnahmen von Gewerkschaftern und
Organisationen gehen in der Öffentlichkeit weitgehend unter zugunsten des positiven Bilds, das von den Hartz-Vorschlägen gemalt wird.
Die Arbeitsgruppe unterstützte Forderungen des Bezirksvorstands Ver.di
Südhessen, der beschlossen hatte, dass Ver.di und der DGB ihre Unterstützung für die Hartz-Pläne zurückziehen und stattdessen
die Gewerkschaftsmitglieder, Beschäftigten und Arbeitslosen aufklären und gegen die "Reformen" mobilisieren sollten, und dass die
Gewerkschaften alle Mittel, also Demonstrationen und Kampfmaßnahmen bis zu Streiks einsetzen, um die gegen die Interessen der Erwerbslosen und
Lohnabhängigen gerichteten Pläne zu stoppen.
Die Anwesenden beschlossen aber zusätzlich, nicht etwa auf eine solche Reaktion der
Gewerkschaften und ihrer Spitzen zu warten, sondern selber aktiv zu werden. An allen Orten,an denen Kongressteilnehmer vertreten sind, soll die
Zusammenarbeit mit den Arbeitsloseninitiativen gesucht werden. Es soll selber aufgeklärt und mobilisiert werden und die örtlichen Gremien der
Gewerkschaften mit entsprechenden Beschlüssen befasst werden.
Am Weltspartag 30.10., dem traditionellen Aktionstag der Arbeitslosenbewegung ("Die
Arbeitslosigkeit können wir uns sparen!"), soll mit mobilisiert werden, zu den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen sollen Aktionen
stattfinden. Es werden noch Argumentationshilfen und Resolutionen zum Beispiel auf der Labournet-Internetseite veröffentlicht, die die Moblisierung
erleichtern sollen. Linke Zeitungen und Zeitschriften sollen entsprechend informieren. Insbesondere die AG Sozialpolitik der Gewerkschaftslinken will sich in
der nächsten Zeit schwerpunktmäßig mit diesem Thema befassen.
Nach den Erfahrungen mit der Mobilisierung gegen die Riester-Rente bleibt allerdings wenig
Zeit, aktiv zu werden. Und die Situation insbesondere der Arbeitsloseninitiativen ist nicht einfacher geworden. Um so wichtiger ist die klare Positionierung der
Beschäftigten, die die Folgen dieser Sparmaßnahmen zu spüren bekommen werden.
Rolf Euler