SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2002, Seite 11

Gewerkschaftlinke

Viel gute Arbeit, aber fehlende Visionen

von ROLF EULER

Warum tut sich die Linke in den Gewerkschaften so schwer? Auf dem Kongress in Köln waren weniger Menschen als im Jahr zuvor, trotz der wichtigen Themen wie Hartz oder Kriegsgefahr. Es fehlten vor allem die BetriebsarbeiterInnen, Beschäftigten aus vielen Branchen, welche die Krisenauswirkungen spüren. Und es zeigte sich: auch bei den Arbeitslosen gibt es nicht mehr den Grad an Organisation und Bewegung wie noch vor vier Jahren.
Rot-grünes Beruhigungsmittel kann es nicht sein; mit dem Rückenwind der streikenden KollegInnen der verschiedenen Tarifrunden dieses Jahres und mit den drohenden Reformen des Regierungsprogramms vor Augen muss sich auch bei den Linken doch noch einiges tun, um genug Gegenwind zu erzeugen. Das Beispiel des verlorenen Kampfes gegen die Riester-Rente deutet an, welche Gefahren für die Beschäftigten und Arbeitslosen bei der Krankenreform oder den weiteren Privatisierungen drohen.
Es geht ja nicht nur darum, die besseren Argumente zu haben. Dies und die wichtigen Resolutionen von einigen Initiativen gegen die Hartz-Vorschläge deuten auch einen Mangel an praktischer Aktivität an vielen Orten dieser Republik an, einen Mangel an "wirklicher Bewegung". Die Linke in den Gewerkschaften hangelt sich im Großen und Ganzen an den gleichen Themen ab wie sie in ihren Verbänden vorgegeben werden, Tarifrunden und Betriebsrätearbeit, Kritik an Sozialpolitik und Regierungsprogrammen. Es fehlten Visionen für eine Arbeit jenseits der Beschlusslage und Organisationsgrenzen. Als ob der "Terror der Ökonomie" als der Normalarbeitstag des linken Machers angegangen werden könnte.
Viele sozialistisch denkende und organisierte KollegInnen bei der Gewerkschaftslinken bemühen sich geradezu um einen Konsens "bloß als Gewerkschafter". So wichtig das in Bezug auf die tatsächlich stattfindende Bewegung von Beschäftigten und Arbeitslosen ist: das reicht nicht für eine Zukunft, in der es nicht mehr um "Arbeit, Arbeit, Arbeit" sondern um "Her mit dem guten Leben — eine andere Welt ist möglich!" geht. Auch Niederlagen — Stichwort Rentenversicherung — und Teilerfolge — Stichwort Metalltarifrunde — sind Schritte auf einem Weg, der über die jetzigen Gewerkschaften und ihre Politik deutlich hinaus weist.
Menschen mit sozialistischen Traditionen hätten hier — lernend von den tatsächlichen Bewegungen gegen die Globalisierungsauswirkungen — neu zu denken und zu diskutieren, die Zukunft unserer Kinder vor Augen und nicht die traditionelle Arbeiterbewegung als Scheuklappen benutzend. Da wird man mit den Kids diskutieren müssen, was sie wollen, wie sie die Verteidigung ihrer Interessen verstehen. Gewerkschaften und Parteien sind für sie eher ferne Größen, und die Linke in diesen Traditionsorganisationen hat kaum das Profil, dass sie es grundsätzlich anders macht.
Kritik an den Zuständen — Solidarität mit den Kämpfenden — das ist ein bekanntes und immer wieder neu zu besetzendes Terrain, wo man die Linke in den Gewerkschaften selbstverständlich findet, das ist ihr Pfund, mit dem sie wuchern muss und kann, entgegen der Anpassung an die herrschenden Vorstellungen in Gewerkschaften und Betrieben. Aber das allein wird es nicht sein können.
Zukünftige spannendere Diskussionen — neben dem notwendigen aktiven Eingreifen bei den wichtigen Problemen — sollten wir uns als Linke in- und außerhalb der Gewerkschaften schon gönnen.


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