SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2002, Seite 12

Nicht in unserem Namen

Künstler und Intellektuelle aus den USA sagen Nein zu Krieg und Unterdrückung

Lassen wir es nicht so weit kommen, dass man sagt, die Menschen in den USA wären untätig geblieben, als ihre Regierung einen uneingeschränkten Krieg verkündete und strikte Repressionsmaßnahmen einführte.
Die Unterzeichner dieser Erklärung fordern das Volk der USA auf, sich der Politik bzw. der generellen politischen Richtung seit dem 11.September 2001 zu widersetzen, da dies alles eine ernste Gefahr für alle Menschen auf der Welt bedeutet.
Wir glauben, dass Völker und Staaten das Recht haben, ihr Schicksal eigenverantwortlich zu bestimmen — und zwar frei von militärischem Zwang durch mächtige Staaten. Wir glauben ferner, dass alle Personen, die von der Regierung der USA festgehalten oder vor Gericht gestellt werden, dasselbe Recht auf einen fairen Prozess haben. Wir glauben, dass das Recht, Fragen zu stellen, Kritik zu üben und abweichende Meinungen zu äußern, geschätzt und geschützt werden muss. Wir sind der Auffassung, dass solche Rechte und Werte ständig bedroht sind und verteidigt werden müssen.Wir glauben, dass Menschen, die ein Gewissen haben, sich dafür verantwortlich fühlen müssen, was ihre Regierungen tun. A priori müssen wir uns der Ungerechtigkeit widersetzen, die in unserem Namen begangen wird. In diesem Sinne appellieren wir an alle Amerikaner, gegen den Krieg und die Unterdrückung Widerstand zu leisten.
Aber auch wir haben natürlich mit Schrecken die furchtbaren Ereignisse des 11.Septembers 2001 mitverfolgt.
Aber das Trauern hatte kaum begonnen, als die höchsten Führer unseres Landes auch schon den Geist der Rache entfesselten. Eine simplifizierende Botschaft von "Gut gegen Böse" wurde entworfen und durch die ebenso fügsamen wie eingeschüchterten Medien verbreitet. Man sagte uns, die Frage nach dem Grund für diese schrecklichen Ereignisse grenze an Verrat. Eine Debatte wurde nicht gestattet. Es wurde einfach festgelegt, dass es keine berechtigten Fragen moralischer oder politischer Natur gibt. Die einzig mögliche Antwort sei: Krieg nach außen und Repression nach innen.
In unserem Namen hat die Bush-Regierung praktisch ohne Gegenstimme vonseiten des Kongresses nicht nur Afghanistan angegriffen, sondern auch sich selbst und ihre Verbündeten ermächtigt, an jedem Ort und zu jeder Zeit militärisch einzugreifen.
In unserem Namen hat die US-Regierung im eigenen Land ein Zweiklassensystem errichtet: Menschen, denen die grundlegenden Rechte unseres Rechtssystems zumindest theoretisch zugestanden werden und solche, die keinerlei Rechte irgendwelcher Art zu besitzen scheinen.
In unserem Namen hat die Regierung ein Leichentuch der Repression über die Gesellschaft gelegt. So warnt der Präsidentensprecher, die Bürger sollten "aufpassen, was sie sagen".
Wir müssen die höchsten Militärs unseres Landes ernst nehmen, wenn sie von einem Krieg sprechen, der eine ganze Generation währen wird — und wenn sie von einer neuen Innenpolitik reden. Nach aussen verfolgen wir inzwischen eine offen imperialistische Politik, nach innen eine Politik, die darauf angelegt ist, Angst zu erzeugen und die Angst zu benutzen, um Rechte einzuschränken.
Die Ereignisse der letzten Monate beschreiben eine tödliche Bahn. Wir müssen das endlich begreifen und Widerstand leisten. Denn viel zu oft in der Geschichte geschah es, dass die Menschen so lange gewartet haben, bis es zu spät war. Präsident Bush hat erklärt: "Entweder, ihr seid für uns oder gegen uns." Hier unsere Antwort: Wir wehren uns dagegen, dass Sie sich anmaßen, für das gesamte amerikanische Volk zu sprechen. Wir werden unser Recht, Fragen zu stellen nicht aufgeben. Wir werden unser Gewissen nicht aufgeben — nicht für Ihr leeres Versprechen von Sicherheit. Wir sagen: Nicht in unserem Namen.
Lassen wir es nicht zu, dass die Welt draußen an unserem Schweigen und unserer Handlungsunfähigkeit verzweifelt. Schwören wir ihr stattdessen: wir werden gegen diese Maschinerie des Krieges und der Unterdrückung ankämpfen und fordern auch andere auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um diese zu stoppen.

Michael Albert; Robert Altman; Medea Benjamin [Global Exchange]; Judith Butler; Leslie Cagan [Chair, Interim Pacifica Radio National Board]; Noam Chomsky; Ramsey Clark [Former U.S. Attorney-General]; David Cole [Professor of Law, Georegtown]; Angela Davis; Julie Dorf [International Gay & Lesbian Human Rights Commission]; Barbara Ehrenreich; Daniel Ellsberg; Brian Eno; Leo Estrada [Professor of Urban Planning, UCLA]; Jane Fonda; Terry Gilliam; David Harvey [Professor of Anthropology, Cuny]; Tom Hayden; Bell Hooks; Mumia Abu-Jamal; Frederic Jameson [Chair of the Literature Program, Duke]; Martin Luther King III [Pres., Southern Christian Leadership Conference]; Rabbi Michael Lerner [Editor, Tikkun Magazine]; Claes Oldenburg; Rev. E. Randall Osburn [Exec. V.P., Southern Christian Leadership Conference]; Frances Fox Piven; Adrienne Rich; Edward Said; Susan Sarandan; Saskia Sassen [Professor of Sociology, Chicago]; Pete & Toshi Seeger; Oliver Stone; Gore Vidal; Kurt Vonnegut; Alice Walker; Leonard Weinglass; Haskell Wexler; Howard Zinn

Vollständige Liste der 4000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner und Originaltext


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