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Nach Bread and Roses hat Loach erneut einen Film über die Arbeitswelt im beginnenden 21.Jahrhundert gedreht. Mit The
Navigators kehrt er zur englischen Arbeiterklasse zurück, über die er schon viele Filme gemacht hat. Das Skript zum Film stammt von Rob Dawber,
einem Eisenbahnarbeiter, Gewerkschafter und revolutionären Sozialisten, der 2001 verstorben ist. Todesursache war vermutlich, dass er häufig an
asbestverseuchten Arbeitsstätten tätig war. Er konnte nur noch die Rohfassung des Films sehen.
Die "Navigators" sind die Streckenarbeiter bei der britischen Eisenbahn. Jede/r hat
sie schon mal gesehen, wenn er beim Zugfahren aus dem Fenster gesehen hat. Die Leute mit den orangefarbenen Sicherheitswesten, die am Rand der Geleise
stehen, wenn der Zug vorbei fährt oder die auf einem unbefahrenen Nebengleis arbeiten. Sie gehören im Vergleich zu SchaffnerInnen,
LokführerInnen und Bahnhofspersonal zu den weniger beachteten Angehörigen des Bahnpersonals, obwohl sie mit der Instandhaltung des
Schienenwegs die vielleicht wichtigste Arbeit leisten.
In Loachs Film wird die Geschichte einer Gruppe von Streckenarbeitern erzählt, die in
einem Depot im südlichen Yorkshire arbeiten. Die Rollen sind zum Teil mit Laiendarstellern echten Streckenarbeitern besetzt. Die Story
erzählt, wie diese Männer (außer der Sekretärin arbeitet dort keine Frau) die Privatisierung der britischen Eisenbahn erleben. Aus
jedem Teilbereich wird eine eigene Firma.
Kollegen, mit denen man jahrelang zusammengearbeitet hat, werden zu Beschäftigten
von Konkurrenzfirmen, die nicht mehr an Betriebsversammlungen teilnehmen dürfen, weil sie ja eventuell für die Konkurrenz
"spionieren". Vereinbarungen, die die alte Firma mit der Gewerkschaft geschlossen hat, gelten nicht mehr. Erreichte Sozialstandards werden von
heute auf morgen über Bord geworfen. Auch leitende Angestellte, die das nicht mitmachen wollen, werden unter Druck gesetzt.
Schließlich soll das Depot geschlossen werden. Viele Arbeiter lassen sich daraufhin von
einer Zeitarbeitsfirma anheuern, die bessere Bezahlung verspricht, wenn man bereit ist jederzeit auch nachts und am Wochenende zu arbeiten,
sich nie beschwert und seine Rechte nicht in Anspruch nimmt. Schließlich machen alle wieder den gleichen Job, nur zu erheblich schlechteren
Bedingungen, vor allem die Sicherheitsbestimmungen werden notorisch missachtet. Das hat tragische Konsequenzen.
Durch die Arbeit mit Laiendarstellern, den völligen Verzicht auf Effekte und eine fast
statische Kameraführung bekommt der Film den Charakter eines Dokumentarfilms. Tatsächlich kann Loach die im Film dargestellten absurden
Konsequenzen der Privatisierung belegen. Der Film ist insofern tatsächlich ein Lehrstück über den deregulierten Kapitalismus in Blairs New-
Labour-England.
Wie in fast allen Filmen von Loach wird die ernste Handlung durch einige, manchmal sehr
makabre Witze, aufgelockert. Die LaiendarstellerInnen verleihen den Figuren Glaubwürdigkeit, die so weniger klischeehaft wirken als in anderen Loach-
Filmen. The Navigators ist eine unterhaltsame Warnung vor dem, was uns in unserem eigenen Arbeitsleben vielleicht noch blüht.
Andreas Bodden