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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2002, Seite 21

The Navigators

The Navigators, Großbritannien 2001, Buch: Rob Dawber, Regie: Ken Loach,Bereits angelaufen

Nach Bread and Roses hat Loach erneut einen Film über die Arbeitswelt im beginnenden 21.Jahrhundert gedreht. Mit The Navigators kehrt er zur englischen Arbeiterklasse zurück, über die er schon viele Filme gemacht hat. Das Skript zum Film stammt von Rob Dawber, einem Eisenbahnarbeiter, Gewerkschafter und revolutionären Sozialisten, der 2001 verstorben ist. Todesursache war vermutlich, dass er häufig an asbestverseuchten Arbeitsstätten tätig war. Er konnte nur noch die Rohfassung des Films sehen.
Die "Navigators" sind die Streckenarbeiter bei der britischen Eisenbahn. Jede/r hat sie schon mal gesehen, wenn er beim Zugfahren aus dem Fenster gesehen hat. Die Leute mit den orangefarbenen Sicherheitswesten, die am Rand der Geleise stehen, wenn der Zug vorbei fährt oder die auf einem unbefahrenen Nebengleis arbeiten. Sie gehören im Vergleich zu SchaffnerInnen, LokführerInnen und Bahnhofspersonal zu den weniger beachteten Angehörigen des Bahnpersonals, obwohl sie mit der Instandhaltung des Schienenwegs die vielleicht wichtigste Arbeit leisten.
In Loachs Film wird die Geschichte einer Gruppe von Streckenarbeitern erzählt, die in einem Depot im südlichen Yorkshire arbeiten. Die Rollen sind zum Teil mit Laiendarstellern — echten Streckenarbeitern — besetzt. Die Story erzählt, wie diese Männer (außer der Sekretärin arbeitet dort keine Frau) die Privatisierung der britischen Eisenbahn erleben. Aus jedem Teilbereich wird eine eigene Firma.
Kollegen, mit denen man jahrelang zusammengearbeitet hat, werden zu Beschäftigten von Konkurrenzfirmen, die nicht mehr an Betriebsversammlungen teilnehmen dürfen, weil sie ja eventuell für die Konkurrenz "spionieren". Vereinbarungen, die die alte Firma mit der Gewerkschaft geschlossen hat, gelten nicht mehr. Erreichte Sozialstandards werden von heute auf morgen über Bord geworfen. Auch leitende Angestellte, die das nicht mitmachen wollen, werden unter Druck gesetzt.
Schließlich soll das Depot geschlossen werden. Viele Arbeiter lassen sich daraufhin von einer Zeitarbeitsfirma anheuern, die bessere Bezahlung verspricht, wenn man bereit ist jederzeit — auch nachts und am Wochenende — zu arbeiten, sich nie beschwert und seine Rechte nicht in Anspruch nimmt. Schließlich machen alle wieder den gleichen Job, nur zu erheblich schlechteren Bedingungen, vor allem die Sicherheitsbestimmungen werden notorisch missachtet. Das hat tragische Konsequenzen.
Durch die Arbeit mit Laiendarstellern, den völligen Verzicht auf Effekte und eine fast statische Kameraführung bekommt der Film den Charakter eines Dokumentarfilms. Tatsächlich kann Loach die im Film dargestellten absurden Konsequenzen der Privatisierung belegen. Der Film ist insofern tatsächlich ein Lehrstück über den deregulierten Kapitalismus in Blairs New- Labour-England.
Wie in fast allen Filmen von Loach wird die ernste Handlung durch einige, manchmal sehr makabre Witze, aufgelockert. Die LaiendarstellerInnen verleihen den Figuren Glaubwürdigkeit, die so weniger klischeehaft wirken als in anderen Loach- Filmen. The Navigators ist eine unterhaltsame Warnung vor dem, was uns in unserem eigenen Arbeitsleben vielleicht noch blüht.

Andreas Bodden


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