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In Kopenhagen wurde in Anwesenheit von 1500 Delegationsmitgliedern und 300 Journalisten beschlossen, zehn weitere
Mitglieder ab dem 1.Mai 2004 in die EU aufzunehmen: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Ungarn, Malta und Zypern.
Mit tausend Einzelbestimmungen, die inzwischen in Brüssel ausgetüftelt worden
sind, mussten sich die EU-Kandidaten vertraut machen und sie übernehmen, um in die EU aufgenommen zu werden.
Wenn in Zukunft die Malteser darauf verzichten, jedes Jahr 120000 der dort durchziehenden
Singvögel zu fangen, die in ihrem Kochtopf landen, wird das sicher von den meisten in Europa begrüßt werden. Und die Vorschriften beim
Heringsfang sind gut für den Heringsnachwuchs, treffen aber vor allem die Esten und Letten.
Allgemein wird bejubelt, dass die Erweiterung der EU "einen in der Geschichte noch nie
dagewesenen Raum gemeinsamen Wirtschaftens, gemeinsamer Politik und gemeinsamer Sicherheit" bedeutet, wird ebenso bejubelt wie die Zuwendung
aus der Brüsseler Kasse von etwa 40,8 Milliarden Euro. Doch das Schweigen der Gewerkschaften zu den drohenden sozialen Gefahren bei der
Nichtübernahme von europäischen Schutzvorschriften für abhängig Beschäftigte ist unbegreiflich.
Hannes Hofbauer hat am Beispiel der Slowakei aufgezeigt, wer die Profiteure und wer die
Verlierer sein werden. Die Arbeitslosenrate beträgt 19%. Offiziell wird sie zwar als "Problem, nicht aber als gesellschaftliches Hemmnis"
betrachtet. Hingegen wird die "soziale Ruhe" im Lande gepriesen und dies bei durchschnittlichen Löhnen, die fünf- bis sechsmal
geringer sind als in Deutschland.
So hat der Volkswagenkonzern die Produktion von Spanien (wegen Streiks um
Überstundenzuschlägen) in die Slowakei verlagert. Dort gibt es eine "pflegeleichte Regierung", die ausländischen Investoren
für viele Jahre "Steuerfreiheit" bietet und eine "willige, streikunerfahrene Arbeiterschaft", die den Investoren erhebliche Renditen
garantiert. Die gleichen Steuergeschenke erhält auch der Stahlriese US Steel, der im Kosice 80% der Anteile des Kombinats VS2 gekauft hat. "Die
absolute Mehrheit der industriellen Produktion befindet sich nicht in der Hand ausländischer Konzerne", meint der ehemalige slowakische
Vizepremier Stefan Mürin.
"Reform" heißt auch in der armen Slowakei Abbau von Sozialleistungen. So
sollen jetzt 60 Krankenhäuser geschlossen werden. In allen übrigen müssen sich die Kranken demnächst daran gewöhnen,
für Essen, Logis und Medikamente selbst zu bezahlen. Von Seiten der Regierung heißt es, "die Sorge um die eigene Gesundheit dem Staate zu
überlassen, sei ein gedanklicher Rest aus kommunistischen Zeiten".
Wenn die Gewerkschaften nicht europaweit zumindest gesetzlich garantierte
Mindestlöhne, Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen erzwingen, könnten sie in den sozialen Abgrund gerissen werden, der sich mit der
Osterweiterung auftut.