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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2003, Seite 4

Selbstgetreuer Wendehals

von FRED WILM

Hans-Dieter Schütt, vor der "Wende" Chefredakteur der Jungen Welt, unterstützte im Neuen Deutschland Gregor Gysis Forderung, "Frieden mit dieser Gesellschaft" zu machen.
Er setzt Gesellschaft mit den Menschen gleich, was genauso kühn wie falsch ist, und behauptet von Letztgenannten, sie wären unveränderlich. Dafür aber liefert Schütt selbst das beste Beispiel. Zwar liegt scheinbar zwischen dem, der unter Honecker den stalinkritischen Film Die Reue verurteilte, und dem heutigen ND-Mitarbeiter, der Gysis Ruf nach Einpassung in die neoliberale, kapitalistische Gesellschaft wiederholt, ein weiter Weg. Er ist aber insofern nicht weit, als beide Schütt den "Realsozialismus" stalinscher Prägung für Sozialismus halten. Nur verteidigte der jüngere dasselbe, was der ältere — wieder einer Herrschaft treu — verwirft. Statt "differenzierter Geschichtsbetrachtung" verlangt er von PDS-Genossen den "Schmerz des radikalen Bruchs".
Mit Dahrendorf preist er die Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Nur ist ihm glatt ihr seit Jahrzehnten betriebener Abbau entgangen. Schütt gesellt sich sogar zu denen, die eine Fortsetzung für gut halten, behauptet er doch: "Der hohe Stand der Menschenrechte und der Freiheit(en) hat diese Gesellschaft an ihre derzeitigen Gefährdungen geführt, nicht deren Mangel." Gleichzeitig beruft er sich auf Böll, Grass, Bloch, Mayer und Haffner für die eigene, prinzipiell bejahende Gesellschaftsauffassung, obwohl diese Männer ständig gegen Demokratieabbau stritten. Sie wären auch nie auf von Schütt propagierte Ideen wie die gekommen, dass die Wandlung der Grünen zu Vorkämpfern sozialen Abbruchs und imperialistischer Angriffskriege etwas mit "dem Gesetz des Demokratischen" zu tun habe und Marx "der wunderbare Dichter des faktisch Unmöglichen" gewesen sei.
Für ihn ist tiefverwurzelte Treue zum Staat charakteristisch. Nachdem die Mehrheit beim Geraer Parteitag rechten PDS-Großkopfeten die Gefolgschaft verweigerte, wirft er der Partei deswegen vor, "stalinistische Erfahrung" zu praktizieren. Hiervon sei abzugehen, damit man nicht von der "Gesellschaft" links liegen gelassen werde. Ganz im Gegenteil muss aber Gera fortgeführt werden, wenn der demokratische Sozialismus weiterbestehen soll.


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