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Mittlerweile scheint der RAF-Hype vorbei zu sein, der Film Baader erlitt grandiosen Schiffbruch. Wenig beachtet, aber sehr
sehenswert, ist dagegen der Dokumentarfilm Starbuck Holger Meins über das Leben des 1974 in Folge eines Hungerstreiks gestorbenen RAF-Gefangenen
Holger Meins. Über 20000 Zuschauer haben den Film bisher gesehen. Der Dokumentarfilmer Gerd Conradt kannte Holger Meins seit der Zeit
gemeinsamer Studientage an der neu gegründeten Berliner DEFA-Filmhochschule im Jahre 1966. Als Meins sich für den Untergrund und den
bewaffneten Kampf entschied, trennten sich ihre Wege.
Der Film stellt laut Conradt mehr Fragen, als dass er Antworten gibt wer Holger Meins
war, was ihn bewegte, bleibt bis zum Schluss offen. Conradt ist der Meinung, Meins wäre ein Gottsuchender gewesen so steht es in den
Tagebuchaufzeichnungen von Meins: "Wenn ich wüsste wer Gott ist, wüsste ich, wer ich bin."
Conradt diskutierte bisher auf über 70 Veranstaltungen in der ganzen Republik mit
Tausenden von Zuschauern unterschiedlichster Generationen. Viele davon fanden in Berlin statt, wo er auch Attac-Mitglieder mit aufs Podium nahm, um sie zu
fragen, was sie mit den Erfahrungen der 68er und der RAF anfangen können. Nach der Film-Vorstellung im renommierten Ostberliner Kino Babylon
diskutierte diesmal (Mitte Dezember) Eberhard Seidel, ehemaliger Taz-Redakteur, mit Gretchen Dutschke, der Witwe von Rudi Dutschke, der 1974 am Grab von
Holger Meins die bekannten Worte sagte "Holger, der Kampf geht weiter".
Gretchen, die mittlerweile wieder in ihrem Heimatland USA lebt, ist heute in der
amerikanischen Friedensbewegung und bei den US-Grünen aktiv. In Deutschland ist sie imaginäres Sprachrohr ihres verstorbenen Mannes, was die
einen oder anderen ehemaligen SDS-Genossen nicht verschmerzen können, da sie schon damals der Meinung waren, sie hielte ihren Mann vom
revolutionären Kampf ab. Was Rudi Dutschke über diese und andere Genossen wirklich gedacht hat, wird man im April im Tagebuch von Rudi
nachlesen können, das Gretchen gerade für die Herausgabe fertig gemacht hat.
Die Podiumsdiskussion war leider nicht sehr erhellend, was auch an den Fragen von Eberhard
Seidel lag. Worauf er mit seinen Fragen hinaus wollte, war zumeist unklar. Knapp an der Schmerzgrenze des guten Geschmacks war sein Vergleich der Denk-
und Motivationsmuster der RAF mit den heutigen islamistischen Terroristen, die in den USA ein gemeinsames Feindbild hätten.
Hinsichtlich der 68er-Revolte gelte dieser Vergleich auf jeden Fall nicht, so Gretchen
Dutschke, schließlich ginge es bei der 68er Revolte nur zum Teil um die USA, viel wichtiger seien die Innenpolitik und der Autoritarismus, die
Auseinandersetzung über den Faschismus gewesen. Die Aufnahme des bewaffneten Kampfes sei dann auch der RAF-Einschätzung geschuldet
gewesen, dass ein neuer Faschismus in der BRD drohe. Rudi Dutschke teilte diese Meinung nicht und kritisierte die RAF offen. Er lehnte terroristische
Methoden ab.
Am Ende der Veranstaltung appellierte Gretchen Dutschke an die ca. 120 Versammelten
eindringlich, durch eine weltweite Antikriegsbewegung das Treiben der USA und ihrer Verbündeten zu stoppen.
Sascha Kimpel