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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2003, Seite 4

Kuron und Modzelewski melden sich erneut

Kolumne von Jakob Moneta

Anfang 1965 schrieben zwei junge polnische Akademiker einen "Offenen Brief" an ihre polnische Parteiführung. Schonungslos verurteilten sie deren Rechtskurs und setzten größtes Vertrauen in die Arbeiterklasse. Um jedoch die Gesellschaft aus der Krise herauszuführen, in die sie die bürokratische Gesellschaft gebracht hatte, fordeten sie: Schaffung von Arbeiterräten und eines Zentralrats von Arbeiterdelegierten, Wahl und Abruf der Delegierten, Rivalität von Parteien, die von der Arbeiterklasse anerkannt werden, Unabhängigkeit der Gewerkschaften dem Staat gegenüber, Anerkennung des Streikrechts, Abschaffung der politischen Polizei und des stehenden Heeres, Bewaffnung der Arbeiterklasse.
Kuron und Modzelewski, beide Söhne von ehemaligen führenden Kommunisten, wurden daraufhin zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. In einem Protestbrief von Isaak Deutscher an Gomulka und das Zentralkomitee der polnischen Partei begrüßte dieser, dass gefährliche antikommunistische Gegner nicht für ihre Meinung ins Gefängnis kämen, fragte jedoch, warum das nicht auch für Kritiker aus der Linken gelte, die "ihre geketteten Fäuste nach dem alten kommunistischen Gruß erhoben und die Internationale sangen". "Wieviele ihrer Würdenträger, Wladislaw Gomulka", fragte Isaak Deutscher, "würden heute die Internationale aus eigenem Antrieb anstimmen?"
Nach Beginn der von Solidarnosc geschaffenen "freiheitlichen Grundordnung" wurde Kuron eine Zeitlang Minister für Arbeit und Soziales, Modzelewski wurde Senator. Aber die Enttäuschung über die Ungerechtigkeiten und die Heuchelei des "demokratischen Rechtsstaats" führte beide dazu, ihre Ämter niederzulegen. Kuron bekannte sich zu den Ausgegrenzten, die von allen auf der politischen Bühne operierenden Parteien betrogen werden, denn diese Parteien stehen alle auf der Seite des Kapitals.
Julian Bartusz, der ND-Korrespondent aus Wróclaw, berichtete, Kuron verurteile das Prinzip des "Maximalgewinns", das zu einer Ein-Fünftel-Gesellschaft führe, die mit Demokratie und Gerechtigkeit nichts zu tun habe.
Modzelewski weist darauf hin, dass die Wähler das "postkommunistische" Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) wieder an die Macht gebracht haben, weil sie das SLD mit ihrem relativ besseren Leben in der Volksrepublik Polen verbanden. Heute sei eine wachsende Zahl dieser Wähler bitter enttäuscht.
Modzelewski bezweifelt, dass ihnen mit dem Einzug in die EU bessere Zeiten bevorstehen. Er verweist auf die Erfahrungen der neuen Bundesländer in Deutschland, in denen viele durch die kapitalistische Konkurrenz aus dem Westen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben wurden. In Polen würde sich das so auswirken, dass diese Menschen "soziale Sicherheit über Freiheit stellten". Eine Armee Unzufriedener könnte auch rechten "Populisten" Vertrauen schenken. Es frage sich auch, ob der EU-Beitritt sich noch verheerender auswirkt und Polen zum unterentwickelten Land werden lasse.
Im Augenblick kämpfen "einfache" Polen verzweifelt gegen ihren sozialen Absturz. 18% sind arbeitslos und 80% von ihnen erhalten keine Arbeitslosenhilfe, sondern die soziale Hilfe armer Kommunen. Dagegen haben sich Sejmabgeordnete und Senatoren jetzt schon 1000 Euro als "dreizehntes" Gehalt bewilligt.

Jakob Moneta

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