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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2003, Seite 8

Der Weg des Roland Koch

Der Mann fürs Grobe

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die antisemitische Entgleisung von Roland Koch vor dem hessischen Landtag Mitte Dezember eine bewusste Provokation war oder ob "nur" ein untergründiges Ressentiment aus ihm herausgeplatzt ist: Wenn‘s um Geld und Reichtum geht, dann kommt diesem Herrn eben "der Jude" in den Sinn.
Ein Gutteil der Medien bis hin zur bürgerlichen Mitte kritisierte die Koch‘schen Anwandlungen; die Süddeutsche Zeitung sprach sogar von "einem Risiko für die CDU". Eine zweite, gegen den Ver.di-Vorsitzenden Bsirske und die Gewerkschaften gerichtete Botschaft seiner Sentenz über "die neue Form des Sterns an der Brust" wurde jedoch überhaupt nicht aufgegriffen und diskutiert: Wehe dem, der die Folgen der neoliberalen Politik, nämlich die immer größer werdende Kluft zwischen den wenigen Reichen und den immer mehr werdenden Armen, eben die soziale Ungleichheit thematisiert, so wie dies Bsirske andeutungsweise getan hat — eine solche sozialistische Gleichmacherei hat uns gerade noch gefehlt. Wie sagte doch Koch ein paar Wochen zuvor: Heute werden Unternehmer überall von "linken Gewerkschaftern" verfolgt — "wie früher die Juden".
Koch ist in der CDU einer der Hauptprotagonisten eines Politikkonzepts, das durch Propagierung von Feindbildern und Ausgrenzung von Andersdenkenden eine Sammlung der eigenen Anhängerschaft betreibt. Wenn es um populistische Mobilisierung geht, ist dieser Herr alles andere als zimperlich. Die Schuldigen an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Misere werden von ihm bei denjenigen ausgemacht, die seine Kriterien von "Leistungsbereitschaft" und "Inpflichtnahme" nicht erfüllen: die Gewerkschaften, die Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger, die "Ausländer" usw. Zu den wesentlichen Punkten seiner Politik gehört die Bekämpfung des "Anspruchdenkens". Nicht die Widersprüche des Kapitalismus führen in die Krise, sondern der "moralische Niedergang" von Teilen der Gesellschaft, denen man den Brotkorb höher hängen muss, damit sie sich wieder anstrengen. Nur so könne der einst von Bundespräsident Herzog verlangte "Ruck" durch Deutschland gehen.
Koch möchte um beinahe jeden Preis hessischer Ministerpräsident bleiben. Seine erste Wahl verdankte er bekanntlich seiner Unterschriftenkampagne gegen das von Rot-Grün eingebrachte Staatsangehörigkeitsgesetz, das das hierzulande geltende "Blutsrecht" abmilderte. In dieser Kampagne wurde sein neurechtes Politikkonzept deutlich, in dem die Mobilisierung der Straße zur Unterstützung der "Eliten" einen wichtigen Platz einnimmt.
Von Koch stammte auch die Idee, in Berlin einen Untersuchungsausschuss "Wahlbetrug" ins Leben zu rufen, den er gegen die Liberalen in der Partei durchgedrückt hat; man sieht, dass ihm Skrupel völlig abgehen. Bezeichnenderweise fügte sich die Bedenken tragende Vorsitzende Angela Merkel (es gibt ja auch CDU-Finanzminister, die den Ernst der Lage kannten!) nach einigem Hin und Her. Sofern er die Wahlhürde neuerlich erfolgreich nimmt, wird für ihn der Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union sowie den Parteivorsitz beginnen. Denn nach einem Wahlsieg wird er nicht trotz, sondern wegen seiner Radauaffären der unbestrittene Anführer des bürgerlich-konservativen Flügels in der CDU sein und tendenziell die Wachablösung von Merkel, die nicht wirklich über eine eigene Hausmacht verfügt, betreiben.

In "guter" Tradition

Seit den 50er Jahren gehörte die hessische CDU, nachdem die anfangs dominierenden Vertreter des "christlichen Sozialismus" (Walter Dirks, Eugen Kogon) durch Adenauers Politik der Sammlung des bürgerlichen Lagers aus der Partei gedrängt worden waren, zum rechten Flügel der Partei.
Das lag vor allem daran, dass sich die Mitgliedschaft im südlichen Teil Hessens vor allem aus den katholischen Gebieten um Fulda rekrutierte, einer Region, in der das sozialkatholische Arbeitermilieu und die christlichen Gewerkschaften kaum eine Rolle spielten. Aus dieser Region kam z.B. der rechte Flankenmann der Union Alfred Dregger, der der Partei in den 70er Jahren auch neue Schichten erschloss.
Im nördlichen, protestantischen Hessen baute sich die Union durch Einverleibung der Deutschen Partei und Teilen der 1951 verbotenen Neonazipartei SRP sowie anderer kleinbürgerlicher Splittergruppen auf, was damals zu erheblichen Konflikten, auch mit der katholischen Kirchenhierarchie, führte. Das Besondere an der Mehrheit der hessischen CDU war immer ein ausgeprägter Nationalismus sowie eine kritische Haltung sozialstaatlichen Maßnahmen gegenüber.
Diesen rechten Teil der Union verkörperten außer Dregger Politiker vom Schlage eines Walter Wallmann, dem es gelang, der SPD den Oberbürgermeisterposten von Frankfurt abzujagen. Oder aber der frühere Innenminister Manfred Kanther, der sicherlich der eigentliche Regisseur der Verschiebung von Millionen nach Liechtenstein war, die dann Koch bei der Finanzierung seines Wahlkampfs 1998 einsetzten konnte, und als dessen Zögling man Roland Koch sehen kann. Bereits Kochs Vater spielte eine wichtige Rolle in der Führung der hessischen CDU.

Rechtsschwenk

In den letzten Jahren hat Koch alles getan, sich als Kämpfer "gegen Rot-Grün" und als aufstrebender Führer des konservativ- nationalistischen Lagers zu profilieren. In seiner Umgebung befinden sich eine Reihe von Leuten, die bekanntermaßen über gute Verbindungen nach rechtsaußen verfügen.
Er selbst trat mehrfach bei Veranstaltungen des Studienzentrum Weikersheim auf, das 1979 vom früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten und NS-Marinerichter Filbinger gegründet wurde, um das Profil der Union als "christlich-national-konservative Partei" zu stärken. Gleich der Zeitung Junge Freiheit erfüllt dieses Studienzentrum eine Art Scharnierfunktion zwischen verschiedenen konservativen und faschistischen Strömungen. Es braucht daher nicht zu verwundern, dass Koch von allen CDU-Größen in den rechtsextremen Postillen regelmäßig die besten Zensuren erhält.
Die Zusammenarbeit am rechten Rand ist offenbar ausbaufähig. Im vergangenen Jahr empfahl Koch mit seinem Vorwort das im Aton-Verlag zu Unna erschienene rechtsextreme Pamphlet Zukunftsmodell soziale Marktwirtschaft, in dem stark an Nazivordenker Carl Schmitt orientierte Konzepte eines "Umbaus" des Sozialstaats auf der Grundlage einer gestärkten "nationalen Identität" propagiert werden. Er sei nicht mit allen Thesen einverstanden, meinte Koch auf kritisches Befragen eines Journalisten, aber das Buch sei ja ein "Diskussionsangebot".
Es spricht einiges dafür, dass Koch in nicht allzu ferner Zeit den CDU-Laden übernehmen und wesentliche Punkte seiner ideologischen Ausrichtung in der Partei durchsetzen wird.

Paul Kleiser

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