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Worin besteht für die osteuropäischen Länder das Hauptproblem mit der Osterweiterung der EU?
Bevor der Kapitalismus gestürzt wurde, war Osteuropa eine mehr oder weniger unterentwickelte Peripherie der westeuropäischen
imperialistischen Mächte. Nach dem Sturz des Kapitalismus wurde Osteuropa im hohen Maß industrialisiert und modernisiert und in eine
unabhängige Richtung entwickelt zuerst und vor allem durch eine beispiellose massive Importsubstitution. Nun ist Osteuropa wieder geworden,
was es früher war.
Linke Autoren wie der Brite Peter Gowan heben hervor, dass der Prozess der kapitalistischen
Restauration in Osteuropa in den 90er Jahren ein Prozess der Marginalisierung war. Es ist eines der dramatischsten Beispiele in der Geschichte des modernen
Kapitalismus für eine Marginalisierung in einer der Kernregionen der kapitalistischen Welt.
Zuvor verfügten die Länder dieser Region über bedeutende moderne
Industrien, in einigen Fällen auch über eine recht produktive Landwirtschaft. Heute sind sie zu abhängigen Lieferanten von Rohstoffen und
arbeitsintensiven Produkten von geringem Wert herabgesunken ein schwaches Glied der auf Westeuropa zentrierten internationalen Arbeitsteilung.
Dieser ganze Prozess wird unter Losungen geführt, die das Gegenteil behaupten,
nämlich dass Osteuropa zu dem entwickelten, reichen und dominierenden Kern des internationalen Systems aufsteige.
Es trifft aber nicht zu, dass Osteuropa mit der Osterweiterung der EU ein Teil dieses Kerns
werden wird. Die erweiterte EU wird intern in einen dominierenden Kern und eine abhängige Peripherie geteilt sein. Nur vor diesem Hintergrund lassen
sich die Probleme der Osterweiterung verstehen.
Was denkt oder sagt die polnische Bevölkerung dazu?
Es scheint, dass eine Mehrheit der Polen die Aufnahme in die EU befürwortet, diese Unterstützung aber deutlich abnimmt. Ich sage: "Es
scheint", denn wir können dies nur polnischen Meinungsumfragen entnehmen, und mit den Umfragen in diesem Land haben wir ein Problem. Es ist
allgemein bekannt, dass bei gewissen Fragen viele Polen nicht sagen, was sie wirklich meinen, sondern vielmehr was sie für "politisch korrekt"
halten. Generell sind Antworten, die sich gegen die herrschende Ideologie richten, in polnischen Meinungsumfragen unterrepräsentiert.
Innerhalb der politischen Elite und in den Massenmedien gibt es eine Mehrheit pro EU. Deren
Propaganda besagt, dass Polen durch die EU-Integration zum reichsten und entwickeltsten Teil der Welt gehören wird. Viele Menschen glauben oder
hoffen, dass dies wahr ist und der Beitritt die durch die Restauration des Kapitalismus verursachte soziale Katastrophe beenden wird. Viele glauben, dass
zumindest ein Teil der nach dem Ende des "realen Sozialismus" verlorengegangenen sozialen Errungenschaften dann wiederkommen wird.
Die Sozialdemokraten, aber auch die wichtigste Partei links von ihnen, die PPS (Polnische
Sozialistische Partei), sagen: "Genossen, wir wollen Teil des sozialen Europas werden. Wir wollen die Sozialstandards von Westeuropa haben."
Viele ihrer Anhänger glauben dies wirklich. Dabei werden die aus der früheren
Volksrepublik übernommenen sozialen Standards unter dem Druck der kapitalistischen Restauration und der EU massiv gesenkt. Auf der anderen Seite
wächst die Unruhe in der polnischen Bevölkerung, aber sie wird politisch von antiliberalen, rechten Strömungen ausgenutzt.
Welche politischen Kräfte sind gegen den EU-Beitritt?
Die polnische Bevölkerung kennt nur die Gegnerschaft der Rechten gegen den EU-Beitritt. Diese Rechten werden fast vollständig dominiert
von mehr oder weniger radikalen und starken extrem rechten Strömungen sowie von der populistischen Bewegung Samoobrona (Selbstverteidigung).
Samoobrona ist eine Bewegung bäuerlichen Ursprungs, aber hat auch eine wachsende Basis in Städten mit kleinbürgerlichem Charakter. Die
Führung setzt sich aus kleinbürgerlichen Karrieristen zusammen, die es nicht geschafft haben, Kapitalisten zu werden.
Samoobrona wird von vielen Menschen für eine radikal linksorientierte Bewegung
gehalten, in Wirklichkeit ist ihre Führung rechtsgerichtet und geht Bündnisse mit der nationalistischen und klerikalen Rechten ein, insbesondere mit
der Polnischen Familienliga (LPR).
Heute stellen LPR und Samoobrona die Hauptkräfte der parlamentarischen Opposition
gegen Polens EU-Beitritt. Für breite Teile der Bevölkerung stellen sie sich geschickt als die "wahren Verteidiger der polnischen nationalen
Interessen" dar, auch als die "wahren Verteidiger" der Armen und im Allgemeinen aller Menschen, die vom Neoliberalismus und der
neoliberalen Globalisierung bedroht sind.
Die mehr oder weniger radikale linke Opposition operiert fast "heimlich", sie ist in
der Öffentlichkeit nicht bekannt, äußerst klein und hat keinerlei Verbindungen zur Arbeiterklasse. Sie hat auch keine Möglichkeit, sich
bei der seit Jahren anhaltenden Stagnation der Klassenkämpfe zu entwickeln. Außer in sehr kleinen Kreisen kennt niemand die Kritik der Linken an
der EU und am EU-Beitritt. Auch spiegelt sich die extreme politische Schwäche der Linken in ihrem begrenzten Wissen und Nachdenken über die
EU-Osterweiterung wider.
Die andere Seite dieser Medaille ist die fehlende, aber wesentliche Ost-West-Integration der
radikalen europäischen Linken. Es sieht so aus, als gebe es eine wachsende Kluft einer anschwellenden radikalen Linken in Westeuropa und einer
machtlosen und stagnierenden Linken in Osteuropa. Man braucht nur zu sehen, wie sich die Antiglobalisierungsbewegung im Westen entwickelt und wie sie im
Osten stagniert. Da herrscht dieselbe tiefe Kluft.
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