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Anfang Januar berichtete die New York Times über Nachkriegsplanungen der US-Regierung für den Irak.
Vorgesehen sind demnach eine militärische Besetzung des Landes durch US-Truppen für mindestens eineinhalb Jahre und eine möglichst
rasche Eroberung der irakischen Ölquellen. Besonders auffallend an den Washingtoner Planspielen ist dabei die Offenheit und Unverfrorenheit, mit der
darüber diskutiert wird, die irakischen Öleinnahmen nach einer Invasion zur Finanzierung des Krieges und der Besatzung zu nutzen. Die Menschen
im Irak werden nicht nur die Hauptleidtragenden des angekündigten Krieges sein, sie sollen zudem auch für die Bomben, mit denen die US-
Luftwaffe ihre Städte und Dörfer zerstören will, selbst zahlen.
Äußerst brisant und deshalb von den US-Kriegsstrategen in der Öffentlichkeit auch nur höchst ungern diskutiert ist die Frage, welche
Rolle ein von den USA besetzter Irak im Rahmen der Organisation Erölexportierender Länder (OPEC) spielen und wer das Land in einem solchen
Fall dort vertreten wird.
Offenbar gibt es in Washington Pläne, eine Erhöhung der
Ölförderquoten im Nachkriegsirak zu nutzen, um die in den letzten Jahren wieder gewachsenen Kontrollmöglichkeiten der OPEC über
den internationalen Ölpreis zu unterwandern. Auch von Plänen, den Irak, das Land mit den zweitgrößten Ölvorkommen der Welt,
ganz aus der OPEC herauszulösen, ist bereits mehr oder weniger hinter vorgehaltener Hand die Rede.
So heißt es zum Beispiel in einer Studie der Heritage Foundation, einem konservativen
Thinktank mit guten Beziehungen zur Bush-Regierung: "Der Irak wird den Zustrom von Geldern zum Wiederaufbau sichern müssen,
unabhängig von den Angebotsbegrenzungen der OPEC. Zusammen mit der möglichen Privatisierung der Ölindustrie könnten solche
Maßnahmen einen Anreiz für den Irak darstellen, das OPEC-Kartell ganz zu verlassen, was langfristige positive Implikationen für die
weltweite Ölversorgung hätte."
Die gleiche Studie, die bereits Ende September letzten Jahres unter dem Titel "Der Weg
zu ökonomischem Wohlstand für einen Irak nach Saddam" veröffentlicht wurde, schlägt weiterhin eine Zerschlagung der seit
1972 bestehenden staatlichen irakischen Erdölgesellschaft vor. Als Zwischenschritt zu einer völligen Privatisierung sollen zunächst mehrere
Teilgesellschaften geschaffen werden: drei regionale Ölfördergesellschaften und drei weitere Gesellschaften jeweils zum Betrieb der Pipelines, der
Raffinerien und zur Entwicklung der Gasvorkommen.
Ziel dieser Aufteilung ist offenbar, die Kosten der Umstrukturierung und der Reparaturen nach
dem über zehnjährigen Embargo der irakischen Bevölkerung aufzulasten, um anschließend die wieder profitabel gemachten
Ölfirmen an ausländische Gesellschaften zu verkaufen.
Zum Umgang mit den irakischen Ölressourcen äußern sich die Anfang Januar bekannt gewordenen offiziellen Pläne zwar nicht so
detailliert wie die Heritage-Studie, dafür sind sie aber präzise in der Beschreibung der von den USA gewünschten politischen Struktur des
Nachkriegs-Irak: An der Spitze einer US-amerikanischen Militärverwaltung, die das Land nach dem Sturz Saddam Husseins regieren soll, soll ein Team
aus einem US-Kommandeur für die militärischen Aspekte und ein möglicherweise von der UNO zu stellender Zivilkommandeur unter
anderem für die Verwaltung der Ölfelder und die Organisierung der irakischen Wirtschaft stehen.
Gegenüber möglichen separatistischen Bestrebungen der Kurden im Norden und
der Schiiten im Süden des Landes oder Ansprüchen der umliegenden Regionalmächte wie dem Iran betonen die US-Planer, man wolle
"den Irak als einheitlichen Staat in seiner nationalen Integrität erhalten" und "nicht hilfreiche militärische oder
nichtmilitärische Einmischungen von außen verhindern".
In der Frage, wie eine zukünftige, von Washington abhängige irakische
Marionettenregierung aussehen solle, scheint sich in der US-Regierung vorerst die Fraktion um Außenminister Powell gegenüber den
Neokonservativen durchgesetzt zu haben. So sollen zwar jene Institutionen, die unmittelbar dem Machterhalt von Saddam Hussein dienen, wie die
"Revolutionsgerichte" und der Geheimdienstapparat "eliminiert", der bedeutendste Teil der alten Regierung aber "reformiert und
beibehalten" werden.
Kriegsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney hatten demgegenüber immer
wieder die Schaffung einer Exilregierung, unter besonderer Berücksichtigung des von ihnen favorisierten Iraqi National Congress (INC) gefordert. Der
INC verfügt aber über keinerlei Basis in der irakischen Bevölkerung, hat keine militärische Infrastruktur und wird auch in anderen
Kreisen der Opposition als bloßer Erfüllungsgehilfe der US-Außenpolitik gesehen.
Powell und andere hingegen setzen zunehmend auf die 1990 mit saudischer
Unterstützung in der jordanischen Hauptstadt Amman von Ayad Allawi, einem früheren Mitarbeiter des irakischen Geheimdienstes, und dem
ehemaligen irakischen Informationsminister Salah Omar al-Ali gegründete Gruppe Iraqi National Accord (INA). Diese Organisation besteht
größtenteils aus Dissidenten der im Irak regierenden Baath-Partei sowie ehemaligen Armee- und Geheimdienstoffizieren.
In die Schlagzeilen geriet die INA Mitte der 90er Jahre, als zuerst Saddam Husseins
Schwiegersohn zu ihr überlief und kurz darauf ein von der INA initiierter Coup gegen das Regime in Bagdad scheiterte. Im März 1996 desertierte
dann der ehemalige irakische Generalstabschef Nizar al-Khazraji und schloss sich ebenfalls der INA an.
Mit dem im dänischen Exil lebenden al-Khazraji wird man in Washington gerne
zusammenarbeiten, ist er doch ein alter Bekannter. In dem von den USA unterstützten Golfkrieg I gegen den Iran galt er als "Held", und al-
Khazrajis inzwischen nachgewiesene und gut dokumentierte Beteiligung an den Giftgasmassakern im irakischen Kurdistan im März 1988 dürfte in
der Bush-Regierung wohl auch niemanden stören, schließlich war der Irak damals noch ein Verbündeter der USA.
Harald Etzbach
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