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Kim Jong-il, Eisenbahnfan, Lebemann und "geliebter Führer" Nordkoreas, hat die USA wissen lassen, sein Land
habe genauso wie andere das Recht, Atombomben zu bauen. Das war im Oktober. Der stellvertretende US-Außenminister James Kelly behauptet, sein
nordkoreanischer Kollege Kang Sok-ju habe ihm gegenüber keinen Zweifel daran gelassen, dass Pjöngjang an einem Programm zur Urananreicherung
arbeite. Nordkorea hat das seitdem wiederholt bestritten und ausdrücklich erklärt, man habe nicht vor, eine Atombombe zu bauen. Zuletzt am 23.Januar
bei einem hochrangigen Treffen mit südkoreanischen Regierungsvertretern.
Dennoch haben die USA, wie bereits mehrmals in der Vergangenheit, ihre Verpflichtungen aus
jenem Vertrag aufgekündigt, den man 1994 nach einer ähnlichen Krise abgeschlossen hatte. Nordkorea hatte sich seinerzeit verpflichtet, auf den Bau von
Atomwaffen und insbesondere auf eine dafür benötigte Wiederaufbereitungsanlage, in der Plutonium aus abgebrannten Brennstäben gewonnen
werden sollte, zu verzichten. Im Gegenzug sollte es zwei Leichtwasserreaktoren bekommen, die vor allem von Südkorea zu finanzieren waren. Die USA hatten
ihrerseits zugesagt, die prekäre Energieversorgung des Landes mit Öllieferungen zu verbessern.
Daran hat man sich allerdings nur sehr unzuverlässig gehalten. Von Beginn an stand der
Vertrag in den USA unter dem Beschuss der Falken, die jeden tatsächlichen oder konstruierten Vorwand nutzten, Lieferungen zurückzuhalten. So auch
im Dezember mit der oben zitierten Begründung von James Kelly.
Für Pjöngjang war das Ausbleiben der festeingeplanten Lieferungen Anlass
eventuell auch kalkulierter Anlass, sollte Washington mit seiner Darstellung Recht haben sich seinerseits auf die Hinterbeine zu stellen. Die
Überwachungskameras der Internationalen Atomaufsicht wurden abgebaut, der Austritt aus dem Nichtweiterverbreitungsvertrag verkündet und das
Wiederanfahren des umstrittenen Reaktors Yongbyon, den Washington für ein Teil des Atomwaffenprogramms hält, beschlossen.
Nun kann man rätseln, wer Recht hat. Haben die Vertreter Pjöngjangs nun gesagt, dass
sie an der Bombe basteln oder nicht? Doch eigentlich ist das zweitrangig. So sicher, wie man nicht wünschen kann, dass in Ostasien eine weitere Atommacht
entsteht, selbst wenn es sich um ein wesentlich sympathischeres Regime handeln würde, so sicher ist auch, dass der atomar Status quo alles andere als
akzeptabel ist: Die bestehenden Atommächte nehmen sich das Recht heraus, dem Rest der Menschheit mit Vernichtung zu drohen (die USA haben in letzter
Zeit sogar ausdrücklich die Option ihres Ersteinsatzes von Atomwaffen verteidigt), wollen aber den anderen Staaten das Recht auf gleiche Waffen verweigern.
Das ist vom Standpunkt des Völkerrechts nicht hinnehmbar, aber die Antwort kann
natürlich nur eine allgemeine Abrüstung sein. Am Rande bemerkt heißt das übrigens auch, dass Deutschland nicht in München einen
Reaktor mit bombenfähigem hochangereichertem Uran bauen und sich gleichzeitig beschweren kann, dass andere Länder ebenfalls die technische Option
auf den Bau von Atombomben vorbereiten.
Nordkorea fordert unterdessen zur Lösung der Krise direkte Verhandlungen mit den USA und
von diesen einen Nichtangriffsvertrag. Eigentlich nicht zu viel verlangt angesichts des verlustreichen Krieges, mit dem die USA einst die Halbinsel überzogen
haben, aber für die Regierung in Washington offenbar eine Zumutung. Allerdings hat man dort, ganz im Gegensatz zum letzten Jahr, derzeit mächtig
Kreide gefressen, und verbreitet Signale, dass Gesprächen denkbar seien. Angesichts der Konfrontation, die man derzeit mit dem Irak sucht, und der
Schwierigkeiten, die dadurch zunehmend im Sicherheitsrat entstehen, will man sich wohl doch lieber den Rücken frei halten.
Eine gewisse Rolle könnte auch der Druck ostasiatischer Staaten spielen, die an einer
Zuspitzung der Krise alles andere als interessiert sind. Südkoreas neugewählter Präsident Roh Moo-hyun hat in seinem Wahlkampf nicht
unwesentlich mit der US-feindlichen Stimmung im Lande kokettiert, und auch China, Russland und Japan scheinen wenig Lust zu verspüren, womöglich
in einen Krieg verwickelt zu werden, der die Region um Jahrzehnte zurückwerfen würde.
So sieht es im Augenblick ganz so aus, als könnte sich das Bush-Team verkalkuliert haben.
Wenn nämlich China, Russland und Südkorea die Krise selbst lösen, woran diese gerade arbeiten und was für China auf dem
diplomatischen Parkett einen erheblichen Sprung nach vorn bedeuten würde , dann könnte die starke Militärpräsenz der USA in der
Region weiter an Legitimation verlieren und auch ihr diplomatischer Einfluss Schaden nehmen. Bleibt zu hoffen, dass die Bush-Krieger als Reaktion darauf nicht
blindwütig um sich schlagen.
Wolfgang Pomrehn, z.Z. Hongkong
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