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In seinem neuesten Buch prophezeit der Zukunftsforscher Jeremy Rifkin die Energiewende, entmachtet die Konzerne und
entwirft eine gerechte Weltwirtschaft mit Wasserstoff.
Das alte Rom ging unter, weil es durch Raubbau seine eigene Energiegrundlage zerstört
hatte. Das gleiche Schicksal hätte um ein Haar das abendländische Europa ereilt, wäre da nicht die Kohle gewesen, die man seit Beginn der
industriellen Revolution anstelle von Holz verfeuerte. Die Kohle als Hauptenergieträger wurde abgelöst von Erdöl und Erdgas, auf denen
unsere heutige globalisierte Welt beruht.
Doch die Ölquellen versiegen und auch die Erdgasreserven sind bald erschöpft.
Und selbst wenn dies nicht so wäre, so können die fossilen Brennstoffe nicht ungehemmt weiter genutzt werden, da bei ihrer Verbrennung das
umweltschädliche Kohlendioxid freigesetzt wird. Für Rifkin steht fest: Das Zeitalter des Kohlenwasserstoffs geht seinem Ende entgegen. Und was
kommt danach?
Zu allem Überfluss liegen die größten Öl- und Erdgasreserven im
Nahen Osten. Am Persischen Golf wird man noch Öl und Gas fördern, wenn anderswo die Bohrtürme und Bohrinseln längst
verschrottet sind. Damit wächst die politische und ökonomische Macht der arabischen Staaten: "Ob nun die heutigen Diktatoren weiter
regieren oder die Fundamentalisten ans Ruder kommen die Region hat in nächster Zukunft die Hand auf dem Öl, sie besitzt damit ein
erstklassiges Machtmittel.
Die Herren am Golf werden die Preise und Konditionen diktieren, einfach weil die
Konkurrenten ausgespielt haben werden." Keine schönen Aussichten für den Westen und den Rest der Welt. Wer glaubt da noch an den
Kriegsgrund "Massenvernichtungswaffen"? Rifkin jedenfalls nicht!
Kriege um Öl wenn es nach Rifkin ginge, gehörten sie der Vergangenheit
an. In seiner gerechten Welt sind fossile Brennstoffe nämlich überflüssig, also auch die entsprechenden Verteilungskämpfe. Statt
Öl und Gas zu verbrennen, gewinnen die Menschen ihre Energie zukünftig aus Wasserstoff, der im Himmel und auf Erden in unerschöpflichen
Mengen vorhanden ist. In Brennstoffzellen werden die Elemente Sauerstoff und Wasserstoff in einer "kalten Verbrennung" zusammengeführt.
Es entsteht Strom, Wärme und als Abfallprodukt lediglich Wasser. Wenn in unseren Häusern bald Brennstoffzellen die Energieversorgung
übernehmen, dann können wir unsere Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke, aber auch unsere Atomreaktoren, endlich abschalten. Versteht sich, dass
auch unsere Autos schadstofffrei mit Wasserstoff angetrieben werden.
Während die alten, umweltschädlichen Kraftwerke entbehrlich werden, bekommt
das Stromnetz eine neue Aufgabe: Der ehemalige Endverbraucher, der nun Produzent und Konsument in einem ist, kann Strom, den er nicht selbst
benötigt, ins Netz einspeisen. Auf diese Weise entsteht ein Wasserstoff-Energie-Netz, über das alle Menschen dieser Welt miteinander verbunden
sind. Die Kleinproduzenten schließen sich genossenschaftlich zusammen und vertreten gemeinsam ihre Marktinteressen gegenüber den
Netzbetreibern, den ehemaligen Energiekonzernen.
Mit dem Wasserstoff-Energie-Netz und der dezentralen Energieerzeugung schlägt Rifkin
gleich noch ein paar weitere Fliegen: Unsere derzeitige Energieversorgung ist verletzlich Naturkatastrophen, technische Pannen und terroristische
Anschläge können zu Störungen des Energieflusses führen. Demnächst ist dies kein Problem mehr, denn jeder kann sich ja selbst
versorgen. Und zwar wirklich jeder: Die Nutzung des Wasserstoffs, so Rifkin, wird es auch den Menschen in den so genannten Entwicklungsländern
ermöglichen, ihren Energiebedarf zu decken. Brennstoffzellen als Form der Entwicklungshilfe.
Leider liegt Wasserstoff auf der Erde überwiegend chemisch gebunden vor im
Wasser, in allen Lebewesen und auch in fossilen Brennstoffen. Er ist also keine frei verfügbare Ressource, sondern er muss über verschiedene
Verfahren erst gewonnen werden. Zurzeit wird Wasserstoff, der überwiegend in der chemischen Industrie eingesetzt wird, zumeist aus fossilen
Brennstoffen erzeugt. Rifkin schlägt stattdessen vor, Wasserstoff mit Hilfe der Elektrolyse aus Wasser zu gewinnen, wobei der dazu nötige Strom
aus regenerativen Quellen Wasser, Sonne, Wind, Biomasse usw. stammt. Nur dann wäre die Nutzung von Wasserstoff wirklich
schadstofffrei.
Schade nur, dass jede Energieumwandlung mit einem Verlust an nutzbarer Energie einher geht.
Warum sollte man regenerativ erzeugten Strom verlustreich in Wasserstoff umwandeln, ihn möglicherweise energieaufwändig transportieren, nur
um ihn anschließend wieder in Elektrizität (und Wärme) zu verwandeln? Sinnvoller wäre die direkte Nutzung oder die Einspeisung des
überschüssigen Stroms ins Netz. Statt die erneuerbaren Energien ins Zentrum seiner Überlegungen zu stellen, versteift sich Rifkin auf den
Wasserstoff. Wasserstoff ist ein brauchbarer Energiespeicher für bestimmte Anwendungen, mehr aber nicht.
Eine Antwort schuldig bleibt Rifkin auf die Frage, wie der benötigte Wasserstoff in
großem Maßstab erzeugt und verteilt werden soll. Wer wird über die Wasserstoff-Infrastruktur verfügen? Vermutlich ja wohl die
angeblich entmachteten Konzerne. Diese haben längst erkannt, dass die dezentrale Energieversorgung langfristig neben die herkömmliche zentrale
Energieversorgung treten wird und investieren auch erhebliche Summen in ihre Entwicklung und Erprobung. Sie tun dies, um im Geschäft zu bleiben, und
sicher nicht, um sich mit genossenschaftlich verbundenen Energiesouveränen herumzuärgern. Die von Rifkin selbst angeführte
Kommerzialisierung des World-Wide-Web ist dafür ein ernüchterndes Beispiel.
Technische Probleme interessieren Rifkin, der sich selbst als Optimist bezeichnet, nicht. Sie
sind lösbar. Doch auch als Optimist hätte er sich intensiver mit den realen Machtverhältnissen auseinandersetzen sollen. Für Rifkin ist
die "Demokratisierung der Energie", in deren Genuss alle Menschen dieser Erde kommen sollen, Ausgangspunkt für eine demokratische und
gerechte Weltwirtschaft, in der die Macht völlig neu verteilt ist. Die Wirklichkeit wird anders aussehen: Wasserstoff wird dort, wo es sinnvoll ist,
eingesetzt. Als Wirtschaftsgut wird er genauso vermarktet wie heute Heizöl oder Benzin. Die Konzerne werden dabei gute Geschäfte machen und
auch sonst bleibt alles beim alten.
Andreas Zolper
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