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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2003, Seite 4

‘Schon Vietnam begann mit einer Lüge‘

Während der "Gala for Peace" auf der Berlinale erhielt der US-amerikanische Schauspieler Dustin Hoffman regen Applaus für eine Rede gegen den Irak-Krieg, die wir hier in gekürzter Version veröffentlichen.

Ich möchte gleich am Anfang sagen, dass ich icht antiamerikanisch bin. dass ich aber gegen die Politik der gegenwärtigen Regierung bin. Ich glaube, dass es seit dem 11.September leider zu einer Manipulation durch die Medien, die in meinem Land den großen Unternehmen gehören, und durch die Regierungen gekommen ist, die das Leid jenes Tages für ihre politischen Ziele instrumentalisieren.
Ich bewege mich auf dünnem Eis, weil ich Schauspieler bin und von diesen Dingen weniger weiß, als mir lieb ist. ich stamme aus den Sechzigern, der letzte Krieg, den ich bewußt erlebt habe, war der Vietnamkrieg, und was ich jetzt sage, ist hoffe ich, nicht nur eine Meinung, sondern schlichte Tatsache.
Der Vietnamkrieg begann mit einer Lüge: Auslöser war der angebliche Angriff der Nordvietnamesen auf eines unseres Kriegsschiffe, das in der Bucht von Tonkin stationiert war. Doch den gab es nie, es war eine Lüge, eine Progagandafabrikation, um mit dem furchtbaren Krieg anzufangen.
Möglicherweise wiederholt sich die Geschichte nun. Und so möchte ich die Frage an meine Regierung richten, als Amerikaner, der nicht antiamerikanisch ist. Ich stelle die Fragen, die, wenn ich mich nicht irre, noch nicht beantwortet wurden, obwohl sie immer und immer wieder gestellt wurden.
Wenn es keine unmittelbare Bedrohung gibt, warum marschieren wir dann (in den Irak) ein? Nordkorea stellt eine direkte Bedrohung dar, deren Präsident verkündet, er würde uns in kleien Stücke bomben, wenn wir seine Nuklearanlagen angreifen. Trotzdem will meine Regierung lieber mit ihm verhandeln. Die stellen eine sehr viel größere Bedrohung dar, als der Irak, von dem wir sagen dass er erst in den nächsten zwei oder drei Jahren Atomwaffen besitzen wird. Ich fordere meine Regierung auf, mein Land über unsere Außenpolitik zu unterrichten, von der wir möglicherweise zu wenig wissen.
Ich frage meine Regierung, die Saddam den großen Bösen nennt, der er wohl ist: Warum haben wir diesen Mann, als wir ihn in der Auseinandersetzung mit dem Iran gut gebrauchten konnten warum haben wir ihn in demselben Jahr, in dem er befahl, 100000 Kurden durch Giftgas zu töten, 500 Millionen Dollar gegeben? Und warum haben wir das im folgenden Jahr auf eine Milliarde erhöht? Ich will angesichts dieser Fakten von meiner Regierung wissen: warum war er damals nicht der große Böse?
Ich frage die Regierung meines Landes: Wenn wir angreifen und, wie ich gelesen habe, 13000 Kilogramm Bomben in 43 Minuten abwerfen, die die Zivilbevölkerung treffen, wie lange werden wir bleiben? Darauf gibt es keine Antwort. Werden wir Jahre dort bleiben — in einer Zeit, in der es unserer Wirtschaft nicht besonders gut geht? Werden wir das Geld ausgeben, um das Land neu zu strukturieren? Werden wir einen Machthaber installieren? Wir haben keinen besonders guten Ruf, was einige von uns installierte Herrscher angeht. Pinochet etwa, in Chile, der Tausende und Tausende in einem Jahrzehnt umgebracht hat. Ihr kennt die anderen…
Was können wir tun? In meiner Heimat haben wir in den 60er Jahren einen Präsidenten vertrieben, vor allem durch die Studentenproteste. Die Studenten hatten am meisten zu verlieren, sie waren ja diejenigen, die gestorben sind. Ich habe Söhne, 18 und 21, die kaum glauben können, dass sie die Ersten sind, die werden gehen müssen.
Mich fasziniert Macht, die Physik und die Paranoia der Macht. Das Bedürfnis nach Macht existiert, weil es ein Ersatz für die Seele ist. Der Dichter Carl Sandburg hat Folgendes geschrieben — und das betrifft uns alle: "Im Wachsen nach oben hat die zarte Blume schon manchen Stein zersplittert und zerborsten."

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