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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2003, Seite 18

Israel

Der Krieg, der sich hinter einem anderen Krieg versteckt

Das Resultat der israelischen Parlamentswahlen vom 28.Januar bestätigen den Rechtsrutsch, der sich in der israelischen Gesellschaft vollzogen hat, seitdem es dem früheren Ministerpräsidenten Ehud Barak gelang, sie davon zu überzeugen, dass der Frieden eine Illusion sei und Israel sich in tödlicher Gefahr befinde.
Der Sieg Ariel Sharons bei den Parlamentswahlen vom Februar 2001 kündigte bereits den endgültigen Zusammenbruch der Arbeitspartei und die Schwächung der gemäßigten parlamentarischen Kräfte an. Zum ersten Mal in der Geschichte Israels verfügt die extreme Rechte über eine absolute Mehrheit in der Knesset. In der neuen Regierung erscheint heute Sharon als gemäßigte Figur.
Zwei besondere Aspekte der letzte Wahl verdienen Beachtung. Erstens das Verschwinden der Linken der Arbeitspartei aus dem Parlament. Nachdem sie von der Liste der Arbeitspartei vedrängt worden waren, gelang es den Vertretern dieser Linken nicht, auf der Liste der Partei Meretz gewählt zu werden, die nur sechs Sitze erreichte. Ein bedeutender Teil der traditionellen Wählerschaft der linkszionistischen Meretz ging zur rechtspopulistischen Shinui-Partei über.

Allmächtige Rechte

Entgegen dem, was man manchmal in der europäischen Presse lesen kann, ist Shinui, die ihren Anteil an Sitzen im Parlament verdreifachen konnte (auf 15 von 120 Abgeordneten), keinesfalls eine Partei der Linken oder auch nur eine laizistische Partei: Sie ist eine rassistische Partei, antiarabisch, antireligiös und gegen die orientalischen Juden gerichtet. Sie dient als Sammelpunkt für die "Partei der Angst", d.h. für all jene in der Bourgeoisie und in den Mittelschichten, die die Übernahme des Landes und der Gesellschaft durch den "Pöbel" fürchten und zu der guten alten Zeit zurückkehren wollen, wo die Araber, die Orientalen und die Religiösen an den Rändern eines Israel ruhig gestellt werden, das von westlichen Eliten beherrscht wird.
Der große Verlierer dieser Wahl ist der neue Führer der Arbeitspartei, Amram Mitzna. Er hat sich an die Spitze der Partei auf einem linken Programm wählen lassen, das nicht nur mit der Politik der totalen Repression von Ariel Sharon brach, sondern auch mit der Politik von Ehud Barak, der bis zu Sharons Sieg im Februar 2001 Israels Ministerpräsident war. Die Tatsache, dass es Mitzna nicht gelang, die Talfahrt seiner Partei zu stoppen, macht ihn gegenüber seinen rechten Gegnern extrem verwundbar, die weitgehend die Mehrheit der Parlamentsfraktion der Arbeitspartei stellen.
Sharon weiß das und wird nicht mit Mitteln sparen, diese Fraktion (und die Arbeitspartei generell) auszuschalten, indem er denjenigen Vertretern der Arbeitspartei prestigeträchtige Ministerien anbieten wird, die einen Bruch mit Mitzna akzeptieren würden, der sich seinerseits verpflichtet hat, nicht in eine vom Likud geführte Regierung der nationalen Einheit einzutreten.
Ob nun der ehemalige Verteidigungsminister Fuad Ben Eliezer oder der unsägliche, zu jedem Verrat bereite Shimon Peres — Mitzna hat gefährliche Feinde in seiner Partei, die alles tun werden, ihn zurückzudrängen oder zum Rücktritt zu zwingen.
Ebenso wie Shinui-Führer Yossef Lapid, der sich verpflichtet hatte, sich nie an einer Regierung zu beteiligen, zu der auch eine orthodox-religiöse Partei gehört — außer bei einem Krieg im Nahen Osten —, werden die rechten Führer der Arbeitspartei von einem Krieg gegen den Irak profitieren, um einen Anschluss an Sharon und seine Notstandsregierung zu rechtfertigen. Während er darauf wartet, wird sich Sharon mit einer rechten Koalition zufrieden geben und darauf hoffen, dass seine extremistischsten Verbündeten bereit sein werden, ihre Maximalforderungen (Vertreibung Arafats, Eroberung von Gaza, noch härtere und massivere Repression) eine Zeit lang zu mäßigen.

Ein angekündigtes Verbrechen

Der Angriff der USA gegen den Irak wird in Israel mit einer Ungeduld erwartet, die sogar jene von US-Vizepräsident Cheney übertrifft. Zunächst, wie man gesehen hat, aus innenpolitischen Erwägungen, d.h. insbesondere wegen der Möglichkeit, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, die nicht nur einen Konsens in Bezug auf die Politik der totalen Repression in den besetzten Gebieten erlauben könnte, sondern auch bezüglich der unerlässlichen Sparmaßnahmen, die erforderlich sind, um den Krieg gegen die Palästinenser zu bezahlen.
Aber vor allem wird der Krieg erwartet, um den Generälen, die frustriert sind, weil es ihnen bisher trotz des Einsatzes gewaltiger Mittel nicht gelungen ist, den Widerstand des palästinensischen Volkes zu brechen, den großen Schlag zu ermöglichen, mit dem sie ein für allemal den Krieg gewinnen können.
Es ist kein Geheimnis: Für eine Reihe von Offizieren des Generalstabs sowie für die meisten Minister der zukünftigen Regierung Sharon soll der Krieg gegen den Irak auch als Sichtblende dienen, hinter dem sich der "Transferplan", d.h. die ethnische Säuberung eines bedeutenden Teils, wenn nicht gar des gesamten Westjordanlands vollzogen werden kann. Der "Transfert" ist von einem Fantasieprodukt zu einem politischen Projekt geworden, und es wäre ein schwerer politischer Irrtum, diese Gefahr zu unterschätzen. Gewiss, die palästinensische Bevölkerung hat aus der Tragödie von 1948 die Lehren gezogen und wird alles tun, sich in ihrem Land festzusetzen und sich jedem Vertreibungsversuch zu widersetzen. Aber es gibt auf israelischer Seite politische und militärische Führer, die entschlossen sind, die ihnen von Bush gelieferte Gelegenheit auszunützen, um, nach einem Ausdruck von Sharon, "1948 zu vollenden".
Die internationale öffentliche Meinung muss alarmiert werden und gegen dieses angekündigte Verbrechen mobil machen. Dutzende zivile Missionen werden in der ganzen Welt organisiert, um ins Westjordanland zu gehen, um dort eine aktive Solidarität mit dem Widerstand der Palästinenser gegen ihre Vertreibung zu organisieren. Sie müssen durch eine machtvolle Solidaritätsbewegung in den Metropolen ergänzt werden.
Die gewaltige Antikriegsbewegung muss auch eine Bewegung zur Unterstützung des palästinensischen Volkes in seinem Kampf für seine Unabhängigkeit und Freiheit sein.

Michel Warschawski (Jerusalem)

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