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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2003, Seite 4

George W. Bush und das Christentum

von EUGEN DREWERMANN *

Herr Drewermann, US-Präsident George W. Bush benutzt oft religiöse Vokabeln: Er spricht von der Achse des "Bösen", vom "Kreuzzug" gegen den Terror. Nach dem Absturz der Raumfähre Columbia zitierte er den Propheten Jesaja, häufig schließt er Reden mit der Formel: "Gott schütze Amerika". Ist Bush ein überzeugender Christ?
Sein Rhetorik verrät sein Bemühen, die Öffentlichkeit mit religiösen Vorstellungen von seiner Art der Machtausübung zu überzeugen, insbesondere von den monumentalen Möglichkeiten eines Kreuzzugs gegen das Böse.
Welche Folge hat die Einteilung der Menschheit in Gut und Böse?
Eine solche bipolare Betrachtungsweise der Geschichte ist ideologisch gefährlich und psychologisch geradezu blind. Man bedient sich der Mythen des persischen Dualismus zur Begründung einer absoluten Skrupellosigkeit. Merkt man denn nicht, dass man alles, was man böse nennt, längst in die eigene Praxis übernommen hat? Alle Kriegsrüstung besteht darin, die schlimmste denkmögliche Tötungsmaschinerie zugunsten der eigenen Seite zu erstellen und sogar moralisch als akzeptabel hinzustellen. […]
Sie halten Bush offenbar eher für einen Verbrecher als für einen Anhänger des Jesus von Nazareth.
Wer aus dem Neuen Testament die Pflicht zum Präventivkrieg herausliest, wer aus der Bergpredigt die Legitimation nimmt, Hunderttausende Menschen mutwillig zu töten, hat entweder das Christentum nicht verstanden oder er entfernt sich mit Siebenmeilenstiefeln davon. Man kann nicht über Leichen gehen, wenn man den Weg Christi gehen will. [...]
Bush verschiebt den religiösen Absolutheitsanspruch auf machtpolitische, geostrategische und wirtschaftliche Ziele. Daher seine Haltung: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. In diesem Zusammenhang muss man die unglaubliche Hybris einordnen, mit der Bush sich weigert, einem ihm nicht wie ein Hund nach dem Stöckchen springenden Bundeskanzler auch nur die Hand zu geben. Über einen derartig chauvinistischen, scheinreligiös motivierten Allseitigkeitsanspruch kann man nur erschrecken.
Ist diese Haltung der amerikanischen Regierung allein auf Bush zurückzuführen?
In gewissem Sinne ist Bush das Opfer einer Geisteshaltung, die bei den Evangelikalen, den Rechten und den Fundamentalisten christlicher Prägung außerordentlich tief geht. Darüber hinaus hat er sich mit einer Ministerriege aus der Zeit des Golfkriegs seines Vaters umgeben. Sein Vize Dick Cheney ist mit dem Öl-Ausrüster Halliburton zum Großlieferanten fürs Pentagon aufgestiegen. Colin Powell erscheint zwar moderat, war aber in Wirklichkeit nie etwas anderes als der jeweiligen Macht untertan. Condoleezza Rice ist eine absolut ehrgeizige Dame und predigt nichts als Krieg. Paul Wolfowitz beglückt die Welt mit der Vorstellung, dass ein Krieg im Irak weltweit Wohlstand, Demokratie und Menschenrechte bringen werde.
Wenn fundamentalistische Positionen bei Bush anschlagen, wie ist seine Psyche gestrickt?
Psychoanalytisch dürfen wir annehmen, dass sich die religiöse Grundeinstellung nach den verinnerlichten Werten der Eltern richtet. Bush senior hatte schon im ersten Krieg gegen den Irak 1991 gesagt, der Ausgang des Krieges könne nur der Sieg des Guten sein. Dieser Sieg des Guten hat im Irak allein mehr als 200000 Menschen das Leben gekostet und Hunderttausende zu Krüppeln gemacht. Die Embargopolitik hat mehr als eine Million Menschen in den Tod gedrückt. Wie kann man das Wort "gut" auf eine derart grausame Weise intonieren?
Wollen Sie allen Ernstes behaupten, Bushs Irak-Politik sei eine Synthese aus Vaterkomplex und religiösem Fundamentalismus?
Natürlich ist es nicht möglich, gewissermaßen eine Analyse von jemandem zu machen, den man nicht kennt. Gleichwohl darf man sagen: Die religiöse Komponente kann sich bei Bush mit der Beendigung seiner Alkoholismusprobleme verbunden haben. Alkoholiker kompensieren schwere Minderwertigkeitskomplexe — Bush galt über Jahre als der Versager der Familie — durch die Droge und durch Loyalität und Jovialität. Trocken geworden, als Bekehrte sozusagen, strengen sie sich an, die verinnerlichten Maßstäbe ihres Über-Ichs perfekt zu erfüllen. Für George W. verschmelzen Gott und Vater zu dem Auftrag, einen noch größeren und noch besseren Krieg zu führen als der eigene Vater — mit dem Beistand des Vaters im Himmel. Das alles ist eine Verzahnung aus individueller Neurose und sozialpsychologischem Wahn: ein Überbietungssyndrom und eine Weltbeglückungskomponente.
Besteht Hoffnung, dass sich der Präsident aus dieser Verfangenheit befreien kann?
Man müsste mit dem potenziellen Gegner, dem Irak, reden und gemeinsam Wege aus der Krise suchen. Das versuchen die Europäer. Doch Bush — im Alleinbesitz von Weisheit und Macht — verweigert dies der Welt. Er ist die einstudierte Sprechpuppe des Pentagons und der Ölindustrie. […]

* Eugen Drewermann ist als katholischer Gelehrter einer der meistgelesenen Theologen. Er arbeitet als Publizist und Psychoanalytiker in Paderborn. Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus einem Gespräch, das wir der Ausgabe 4/2003 der Zeitschrift Publik-Forum (www.publik-forum.de) entnommen haben.



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