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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2003, Seite 4

Schröders Rede

Dynamit an den Sozialstaat

von HELMUT BORN

Am 14.März hielt Bundeskanzler Schröder seine seit längerem angedrohte Regierungserklärung zur "Lage der Nation". Er gab dieser den vielsagenden Titel: "Mut zum Frieden — Mut zur Veränderung". Die Aussagen zur Situation um den bevorstehenden Irak-Krieg spielten in der öffentlichen Wahrnehmung so gut wie keine Rolle. Schröder hatte dazu auch nichts wesentlich Neues mitzuteilen und vor allem nicht den Mut, den kriegführenden Nationen die Überflugrechte zu Kriegszwecken zu entziehen.
Mit seiner Regierungserklärung wollte Schröder wohl im Wesentlichen das Vertrauen des Kapitals in seine von ihm geführte Regierung zurück gewinnen. Dies scheint ihm auch gelungen zu sein, wie man den Äußerungen von Hundt, Rogowski und Co entnehmen kann. In seiner Rede bezog sich Schröder auf die von der Regierung verfolgte Agenda 2010. Danach müssen wir davon ausgehen, dass die Teilprivatisierung der Rentenversicherung und die Hartz-Gesetze schon ein Teil dieser Agenda sind. In der Öffentlichkeit wird dies als Umbau des Sozialstaats bezeichnet, wie es die Süddeutsche Zeitung fälschlicherweise am Tag nach der Regierungserkärung tat. In Wirklichkeit geht es aber um den Abbau sozialer Schutzrechte und Leistungen sowie um eine Ausgliederung in Privatversicherungen und damit um eine Durchlöcherung des Solidarprinzips. In der Folge wird der Druck auf die sozialen Sicherungssysteme aber nicht geringer, sondern eher größer, das wurde auch in der Diskussion über die Erhöhung der Renten- und Krankenversicherungsbeiträge deutlich.
Leider bleibt auch festzuhalten, dass solch eine Politik von allen im Bundestag vertretenen Parteien betrieben und vertreten wird. Die PDS mag sich zwar in den Reden ihrer Abgeordneten und ihrer Vorsitzenden dagegen aussprechen, in der praktischen Regierungsbeteiligung ist aber auch sie zum Träger einer solchen Politik geworden. Und wie sich die bürgerliche Journaille verhält, war in der letzten Zeit exemplarisch nachzuvollziehen.
Schröder betonte in seiner Rede, es sei notwendig, die Wirtschaft wetterfest gegen die Stürme der Globalisierung zu machen. Seine Äusserungen, nicht die Lohnkosten, sondern die Lohnnebenkosten seien das Problem, bildet den zentralen Punkt der Erklärung. Damit wird suggeriert, dass es nicht um die Lohnhöhe geht, sondern um die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge. Als ob das nicht das gleiche wäre! In Wirklichkeit geht es um die Senkung der Kosten des Faktors Arbeit. Gestern war es die Erleichterung und Förderung der Leiharbeit, der Mini-Jobs usw. durch die Hartz-Gesetze, heute ist es die Streichung von sozialen Leistungen, durch die die Kosten für die Unternehmer sinken und ihre Profite steigen.
Schröders Konzept für die "Modernisierung" Deutschlands sieht im Einzelnen vor: Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, in der Regel auf Sozialhilfeniveau, das ist faktisch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe; Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Menschen bis 55 Jahre auf 12 Monate, über 55 Jahre auf 18 Monate (bisher 32 Monate); die Streichung von Krankengeld aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung; die Einführung von Praxisgebühren und eine höhere Selbstbeteiligung der Versicherten.
Weiter sollen in neu gegründeten Unternehmen befristete Verträge bis zu vier Jahren möglich sein (bisher zwei Jahre). Der Kündigungsschutz in Kleinbetrieben kann durch befristete Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit umgangen werden. Darüber hinaus soll die Sozialauswahl bei Kündigungen aufgeweicht werden.
Als besonderes "Bonbon" für die Gewerkschaften drohte Schröder mit gesetzlichen Initiativen zur Aufweichung der Flächentarifverträge, wenn nicht in weitaus grösserem Umfang als bisher betriebliche Bündnisse für Arbeit zustande kommen.
Dies alles aber scheint die Vorstände der Gewerkschaften nicht sonderlich zu beunruhigen. Zwar sprachen sie in ihren ersten Stellungnahmen von sozialer Unausgewogenheit und davon, dass der Kanzler "sehr konkrete schmerzhafte Einschnitte für Arbeitslose und sozial Schwache angekündigt, die Arbeitgeber aber nur mit Appellen" (z.B. zur vermehrten Einstellung von Auszubildenden) "in die Pflicht genommen habe". Da sehe der DGB noch deutlichen Handlungsbedarf. Als wenn dieser Kanzler die Unternehmer jemals mehr als verbal in die Pflicht genommen hätte!
Für den IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel ist immerhin die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die Senkung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld unakzeptabel. Über die Möglichkeit einer Mobilisierung der Mitglieder gegen die sozialen Schweinereien der Bundesregierung findet sich in den Stellungnahmen der Vorstände nichts. Offensichtlich hat man hier mehr Angst um das Fortbestehen der Bundesregierung als um den Erhalt der sozialen Rechte der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen. Das sollten wir schnellstens zur Kenntnis nehmen und den Gewerkschaftsvorständen gehörig Druck machen.
Darüber hinaus ist es wichtig, auch auf anderer Ebene aktiv zu werden. Wir haben durch das Netzwerk der Gewerkschaftslinken, durch Attac, die Anti-Hartz-Initiativen und die Erwerbslosenbewegung ausreichend Möglichkeiten dazu. Notwendig wäre eine Koordination und eine Verständigung über eine Kampangne zur Verhinderung der Absichten der Bundesregierung.

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