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Auferstanden aus Ruinen…" lautet der Anfang der DDR-Nationalhymne. In Good bye, Lenin wird es Wirklichkeit: In
einer Wohnung im Osten Berlins steht die DDR wieder auf und existiert ein Jahr länger als im Rest der Welt. Frau Kerner, die sich nach dem Weggang
ihres Mannes in den Westen mit dem "Sozialismus" à la DDR gewissermaßen verheiratet hat, fällt beim Anblick ihres Sohnes in
den Händen der Volkspolizei ins Koma. Der nämlich schließt sich im Herbst 1989 den Demonstrationen gegen das SED-Regime an, die dann
auch insofern "erfolgreich" sind, als dass die SED tatsächlich abtreten muss.
Bekanntermaßen führte der Rücktritt der bürokratischen
Pseudosozialisten nicht zum Versuch, eine wirklich sozialistische Gesellschaft zu begründen, sondern zur Restauration des Kapitalismus, zum Anschluss
der DDR an die BRD und zu einer Zunahme dumpfer Deutschtümelei, die sich auch schon mal in Pogromen Luft machte.
Nach sechs Monaten kehrt Mutter Kerner ins Leben zurück. Ihr treusorgender Sohn will
ihr den Schock ersparen, dass es die DDR nicht mehr gibt. Er unternimmt einiges, um seiner Mutter die Weiterexistenz des "ersten Arbeiter- und
Bauernstaats auf deutschem Boden" vorzugaukeln. Er fälscht mit einem Freund, der eine Videokamera besitzt, Sendungen des DDR-Fernsehens wie
Aktuelle Kamera und Der schwarze Kanal. Er füllt Westprodukte in Gefäße mit DDR-Etiketten um, die er auf dem Müll findet. Er
bezahlt Kinder aus der Nachbarschaft, damit sie der Mutter alte Pionierlieder vorsingen. Als die Mutter dann doch mal in einem unbeaufsichtigten Moment die
Wohnung verlässt und allerhand westlich-kapitalistische Dinge draußen vorfindet, gaukelt ihr Sohn ihr vor, dass massenhaft Westdeutsche vor den
Unbilden des Kapitalismus ins sozialistische Paradies geflohen seien.
Die Täuschung funktioniert bis zuletzt. Als besonderer Clou wird noch der ehemalige
Kosmonaut Jähn zum Nachfolger Honeckers als Staats- und Parteichef ernannt. "Die DDR, die ich meiner Mutter vormachte, wurde immer mehr zu
der DDR, wie ich sie mir eigentlich gewünscht hätte." Dieser aus dem Off gesprochene Satz der Hauptfigur Alex ist wohl der
Schlüsselsatz des Films. Die Täuschung der Mutter wird zu einer Art unpolitischer Utopie. Alex erschafft sich eine Idealgesellschaft, macht sich
aber keine Gedanken um die Umsetzung. Es bleibt bei Tagträumen und Schauspielerei gegenüber der Mutter. Auch im Publikum scheint der Film
eine utopische Saite zum Klingen zu bringen. Immerhin ist Good bye, Lenin, der von "Wessis" gemacht wurde, sowohl in Ost- als auch in
Westdeutschland der zurzeit erfolgreichste Film. Mit einem Zuschauerschnitt von 2133 Zuschauerinnen und Zuschauern pro Kopie in der ersten Woche lag der
Film vor Harry Potter, dem erfolgreichsten Film des vorigen Jahres. Insgesamt sahen 1,34 Millionen Menschen den Film in den ersten zwei Wochen.
Good bye, Lenin ist eine sehr gut gespielte, sowohl heitere als auch melancholische
Komödie, bei der das Zugucken einfach Spaß macht. Eine politische Variante der unpolitischen Utopie könnte vielleicht "Welcome,
Revolution" heißen. Ob die dann genauso erfolgreich sein würde?
Andreas Bodden
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