SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2003, Seite 1

Korrigiertes Selbstverständnis

XV.Weltkongress der IV.Internationale

Unmittelbar vor den gigantischen Demonstrationen am 15.Februar tagte der Weltkongress der IV.Internationale. Er setzte einen Schlusspunkt unter eine 15-jährige Debatte.
Etwa 200 Delegierte und Gäste waren zu einem Kongress zusammengekommen, der sich zu Recht Weltkongress nennen konnte: alle Kontinente waren vertreten. Wenn auch ungleich — vor allem aus dem Nahen Osten und aus Nord- und Schwarzafrika waren nur wenige sehr kleine Gruppen anwesend. Die Zusammensetzung spiegelte wider, wo die IV.Internationale vorwiegend stark vertreten ist: in Westeuropa und in Lateinamerika, mit den weitaus stärksten Organisationen in Frankreich und in Brasilien.
Zum ersten Mal fanden Regionalversammlungen statt, auf denen u.a. über die Beteiligung an den Sozialforums-Prozessen diskutiert wurde. Eine solche gab es auch zu Asien, wo die Internationale einen substanziellen Zuwachs verzeichnen konnte; sie versammelte revolutionär-marxistische Organisationen aus Indien, Sri Lanka, Hongkong, Japan und den Philippinen. Die philippinische Revolutionäre Arbeiterpartei von Mindanao (RPM), die aus der Krise der maoistischen CPP hervorgegangen ist, wurde als Sektion anerkannt.
Die Krise der Weltwirtschaft, der drohende Krieg, die Massenbewegungen gegen die kapitalistische Mobilisierung, die Einschätzung der Lula-Regierung in Brasilien, die Prozesse kapitalistischer Restauration in Russland, Osteuropa, China wurden ausführlich diskutiert. Eine programmatische Fortentwicklung gab es durch die Verabschiedung von Texten zur Ökologie und zum Kampf der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und transgendered.
Ein Dokument über die Schwerpunkte der Arbeit der Internationale betont den Prozess der Erneuerung der Arbeiterbewegung, dass dieser erst am Anfang steht und dass mit der Bewegung für globale Gerechtigkeit (global justice movement) hierfür ein wichtiger neuer Faktor entstanden ist.
Die Internationale tritt für die Bildung von breiten, pluralistischen antikapitalistischen, feministischen, ökologisch bewussten, internationalistischen Parteien ein, die sich auf die Arbeiterklasse und die sozialen Bewegungen beziehen. Sie sieht für sich eine dreifache Aufgabe: den Aufbau der sozialen Bewegungen und Kampagnen; die Mitwirkung in oder den Anstoß für pluralistische Parteien und breitere antikapitalistische Gruppierungen; den Aufbau einer eigenständigen organisierten Kraft, die in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eine Funktion, nicht eine "Mission" zu erfüllen hat.
Eine seit Mitte der 80er Jahre geführte Diskussion über die Rolle der Internationale fand damit einen gewissen Abschluss. Bei ihrer Gründung 1938 hatte die Internationale beansprucht, sie sei die einzige wirklich revolutionäre Strömung auf internationaler Ebene und sie werde sich in absehbarer Zeit als "Weltpartei der sozialistischen Revolution" gegen die bankrotten Hauptströmungen in der Arbeiterbewegung (Sozialdemokratie und Stalinismus) behaupten. Heute gibt es eine breite Übereinstimmung darüber, dass dieser Anspruch nicht aufrecht erhalten wird.
Die IV.Internationale möchte zur Herausbildung einer neuen revolutionären Masseninternationale beitragen, die aus unterschiedlichen politischen Strömungen entstehen wird. Dazu will sie einen eigenen Beitrag leisten mit einer organisierten internationalen Strömung auf einer bestimmten programmatischen Grundlage und mit einem eigenen Verständnis von politischen Methoden, das die Autonomie von Massenbewegungen respektiert und manipulatorische Beziehungen ablehnt.

Wilfried Dubois