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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 4

Siegerdiplomatie

Neue Einheit der EU in Sachen Irak

von DANIELE ZACCARIA

Die Tage, in denen der britisch-amerikanische Krieg als "völkerrechtswidrig" und als "Abenteuer" beschrieben wurde, als "destabilisierender Faktor für das Mittelmeer", sind vorüber. Die "pazifistische" deutsch- französische Achse hat sich wieder eingereiht und verbeugt sich vor der Siegerdiplomatie. Chirac, der vor dem Sicherheitsrat das Veto ausgesprochen hatte, als die Krise auf ihrem Höhepunkt war, hat seine Prioritäten neu geordnet. "Es ist jetzt nicht der Moment, sich an Grundsatzfragen festzubeißen", verlautbarte eine Sprecher des Elysée-Palastes während des EU-Gipfels in Athen. Pragmatismus ist großgeschrieben. Dasselbe gilt für Bundeskanzler Schröder: "Es ist Sache der Alliierten, für den Frieden am Golf zu sorgen." Der schnelle Sturz von Saddam Hussein hat die Karten neu gemischt und das politische Ruder in Europa deutlich nach rechts verschoben.
Es fiel Tony Blair zu, die gemeinsame Position über die Nachkriegszeit vorzutragen, auf die sich die Ratsherren geeinigt hatten. Der Vier-Seiten-Text sorgte noch für Aufregung, weil er nicht von der griechischen Präsidentschaft ausgearbeitet wurde, sondern von einer französisch-britisch-spanisch-deutschen Arbeitsgruppe, den sich die griechische Präsidentschaft dann zu eigen machte.
Der gemeinsame Text hat die Kluft zwischen dem "pazifistischen" und dem "kriegerischen" Block in der EU geschlossen. Die Mitgliedstaaten fordern nun gemeinsam, dass die UNO im Mittelpunkt des politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprozesses des Irak stehen soll; sie soll sich nicht allein um humanitäre Hilfe kümmern. Der Text stellt die EU damit an die Seite der UNO. Von der amerikanisch-britischen Kriegskoalition wird hingegen verlangt, dass sie "ein sicheres Umfeld garantiert, das humanitäre Hilfe und den Schutz des kulturellen Erbes und der Museen ermöglicht". Nach dieser ersten Phase soll es jedoch wiederum die UNO sein, die dem Irak in der schwierigen Aufgabe beisteht, "eine neue Zukunft für das Land zu finden und erneut zur internationalen Gemeinschaft zu stoßen".
Die EU bekräftigt darüber hinaus ihre Bereitschaft, eine bedeutende Rolle im politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprozess des Landes zu spielen und begrüßt die Beteiligung des internationalen Finanzinstitutionen — von den G7 bis zur Weltbank.
Die Erklärung enthält auch eine Passage über Israel/Palästina. Die EU bekräftigt ihre Verpflichtung, "als Teil des Prozesses der regionalen Herstellung von Sicherheit und Stabilität den Friedensprozess in den besetzten Gebiete zu einem positiven Ende zu bringen, durch Umsetzung der vom Quartett vorgesehenen Schritte".
Auch Aznar hat den Text aufs Wärmste begrüßt. Und EU- Kommissionspräsident Romano Prodi hat nicht vergessen, die obligate Verbeugung vor den USA zu machen: "Es ist wichtig, die Kooperation mit den Amerikanern zu reaktivieren; niemand in Europa hat vergessen, dass wir ihnen unsere Freiheit verdanken." In einem Telefongespräch mit Bush legte es Chirac noch einmal besonders darauf an, die Wogen zu glätten: "Die Haltung meines Landes war rein pragmatisch motiviert." Tony Blair, auf dessen politische Zukunft während des Krieges wenige wetten wollten, hat neue Bedeutung erlangt: als Brücke zwischen den beiden Küsten des Atlantiks. Somit steht die Antikriegsbewegung wieder allein gegen den Rest der Welt.

Daniele Zaccaria ist Mitarbeiter der italienischen Tageszeitung "Liberazione".



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