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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 12

"Friedensparteitag" der PDS

Teilweise halbseiden

Das Beste, das kürzlich über die PDS zu lesen stand, war ein Aprilscherzartikel in der "jungen Welt". Er gab vor, die Berliner Parteiorganisation wolle wegen der neoliberalen Senatspolitik die Koalition kündigen. Naive mögen geglaubt haben, die Politmanager neuen Typs in der PDS hätten einen Rest sozialen Empfindens bei sich entdeckt. Leider war dem nicht so.
Im Februar 2003 hatte ein Berliner Landesparteitag die Fortsetzung des asozialen Kurses gebilligt. Im März übte die PDS im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses Stimmenthaltung bei einem Antrag von SPD, CDU und FDP, der die Forderung abwies, Hindenburg von der Ehrenbürgerliste der Stadt zu streichen. Man mochte den Koalitionspartner nicht erzürnen.
Am 22.3., nach Beginn der US-Aggression gegen den Irak, annullierte die PDS Mecklenburg- Vorpommerns einen früheren Beschluss, ihre Minister aus dem Bündnis mit der SPD zurückzuziehen, wenn die BRD-Regierung am Krieg teilnehmen oder — was inzwischen geschah — ihn "logistisch unterstützen" sollte. Zudem bezeichnete im Neuen Deutschland vom 29./30.3. Gregor Gysi, Spitzenmann der Parteirechten, es als wichtig, "zur Stärkung der UNO und ihres Sicherheitsrats einschließlich seines Gewaltmonopols zurückzukehren".
Das würde bedeuten, den Parteitagsbeschluss von Münster zu kippen, der gegen jede deutsche Kriegsbeteiligung, auch mit UN-Mandat, gerichtet war. Zusätzlich sollte die PDS laut Gysi dazu beitragen, dass Europa zum "selbstständigen Faktor gegenüber den USA" mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik wird, ergo auch Militärmacht, wie die Regierung Schröder es anstrebt.
Bundesgeschäftsführer Hiksch wies den Vorstoß zurück. Parteichefin Gabriele Zimmer, auf Kooperation mit den Rechten bedacht, bezog eine Position zwischen Ja und Nein. Sie wandte sich gegen "sinnlose Diskussionen über Beschlüsse vergangener Parteitage", gab aber zu bedenken, in Münster habe niemand wissen können, "dass sich die UNO einmal so deutlich dem Druck der USA widersetzt. Insofern hat der Irak-Krieg bei uns zu einer gewissen Neubewertung der UNO geführt."
Der Friedensparteitag der PDS am 5.April in Berlin galt dem Zweck, innerparteiliche Einigkeit sowie Verbundenheit mit progressiven Gruppen und Personen zu demonstrieren. Eine Fortsetzung der Münsteraner Grundsatzdebatte suchte der Vorstand zu verhindern. Der Parteitag forderte die Beendigung des Aggressionskriegs und seiner Unterstützung durch die BRD, die u.a. in fortdauernden Überflugrechten für die USA und bundesdeutscher Teilnahme an AWACS-Einsätzen in der Türkei bestand, ferner die Umwandlung der NATO in ein nichtmilitärisches Sicherheitssystem.
Gabi Zimmer ließ neben einer treffenden Kennzeichnung der US-Administration als des potenziell größten Zivilisationsfeinds der Geschichte wissen, dass zur "europäischen Friedenspartei" außer PDS und Papst noch Schröder, Fischer und Chirac gehörten. Für den Friedensnobelpreis, meinte sie, wären Kofi Annan und Hans Blix erste Wahl. Dabei hatten gerade sie dafür gesorgt, dass der Irak gegenüber Völkerrechtsbrecher Bush an Abwehrkraft einbüßte.
Der Friedensparteitag der PDS nahm sich teilweise halbseiden aus. Delegierte wie André Brie drangen darauf, die "real existierende UNO" zu stärken. Sie sagten kein Wort darüber, dass diese Organisation erst gründlich verändert, nämlich aus dem Washingtoner Machtbereich gelöst und demokratisiert werden müsste, um ein wirksames Instrument für den Frieden zu sein.
Vertreter der Rechten bzw. selbsternannten "Reformlinken" Berlins, Kultursenator Flierl, Mecklenburgs Arbeitsminister Holter, Ex-Bundesgeschäftsführer Bartsch, die MdB Pau und Lötzsch erbosten sich über das "Denkverbot" des Parteivorstands in Sachen Münster-Revision. Sie verlangten, UNO-Kriegseinsätze grundsätzlich zu akzeptieren und kündigten derart die Fortführung des Feldzugs zur Umwandlung der PDS in eine vollends systemkonforme Partei an. Wieder zeigte sich die Bundesvorsitzende nachgiebig.
Die Linke aber spielte ihre bisher bescheidenste Rolle auf einem Parteitag. Nachdem die Bundesarbeitsgemeinschaft Linke Opposition vorher zum Nein gegen jede Unterstützung des US-Angriffskriegs durch die BRD noch den Sofortaustritt aus der NATO verlangt hatte, bestand sie am 5.4. nicht mehr darauf. Ellen Brombacher (Kommunistische Plattform) verwies zwar auf enorme Wählerverluste durch die neoliberale Berliner SPD/PDS-Politik, forderte aber keine Abkehr, sondern flehte nur: "Bitte, bitte jetzt nicht auch noch die Revision von Münster, sonst stehen wir bald bei 5%."
Was soll von dieser Partei noch kommen? Zwar hält sie am sozialen Image und an der Definition des Krieges als völkerrechtswidrig fest. Doch reicht das keineswegs aus, wirkungsvoll am Kampf für Frieden und eine bessere Zukunft für die Bevölkerungsmehrheit teilzunehmen, geschweige denn zu sozialistischer Politik.

Manfred Behrend

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