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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 15

‘Wir müssen unser Land selbst regieren‘

Interview mit Haitham Altaan

Haitham Altaan, geboren 1961 in Mossul, ist Maschinenbauingenieur und lebt seit sechs Jahren in Deutschland. Er ist in Köln in der "Irakischen Friedensinitiative gegen Krieg und Diktatur" aktiv und saß unter Saddam Hussein drei Jahre lang im Gefängnis.

Saddam Hussein und sein Regime sind gestürzt. Wie war Ihre Reaktion, als Sie davon erfahren haben?
Ich bin froh, dass der Diktator schon weg ist. Aber ich habe immer noch keinen Kontakt zu meinen Verwandten in Bagdad. In der ersten Kriegswoche fiel eine Bombe auf den Stadtteil Shaab. Dort wohnen meine Schwester und meine Schwiegermutter. Wir wissen nicht, wie es ihnen jetzt geht.

Welche Perspektiven sehen Sie für den Irak?
Die USA sind den Irakern im Moment willkommen. Wenn sie Demokratie aufbauen, unser Land neu aufzubauen — o.k.! Aber sie dürfen nicht länger bleiben als ein oder zwei Jahre.

Immerhin waren es die USA und ihre Verbündeten, die Saddam Hussein gestürzt haben. Warum das Misstrauen?
Als Iraker weiß ich, was im Irak passiert ist, seit der Diktator an der Macht ist. Die USA haben viel gegen das irakische Volk gemacht, aber nicht gegen den Diktator. Etwa das Embargo. Ich glaube nicht, dass die Amerikaner gekommen sind, um uns zu befreien.
Es geht vielmehr um eine neue Weltordnung. Der Irak ist der zweite Schritt nach Afghanistan. Und es geht um das Öl. Der Irak hat die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Außerdem gab es schon vorher viele Gelegenheiten, die Iraker von dem Diktator zu befreien. Zum Beispiel 1991 den großen Aufstand im Irak. Es heißt immer, das war ein schiitischer oder kurdischer Aufstand, aber es war ein irakischer Aufstand. Doch die USA erlaubten dem Diktator, Hubschrauber und seine Truppen, die Republikanischen Garden, einzusetzen.

Das war 1991. Was wäre heute die Alternative gewesen?
Wir haben immer gesagt: Hebt das Embargo auf, isoliert das Saddam-Regime, unterstützt die irakische Opposition.

Die irakische Opposition hat zumindest in Teilen den Krieg unterstützt.
Im Irak gibt es verschiedene Oppositionsparteien, etwa die Irakische Kommunistische Partei, gegründet 1934, oder eine islamische Partei, gegründet 1958, oder die kurdischen Parteien. Diese Parteien sind alle aktiv im Irak, sie sind die wirkliche Opposition. Doch alle diese wurden nicht unterstützt; stattdessen haben die USA ab 1992 den bis dahin unbekannten Ahmed Khalabi als Oppositionsführer aufgebaut und mit Geld unterstützt, weil er ihre Interessen vertritt.

Zu den Antikriegsdemonstrationen, zu denen auch die "Irakische Friedensinitiative gegen Krieg und Diktatur" aufgerufen hat, kommen immer weniger Leute. Wofür oder wogegen müsste die Friedensbewegung jetzt auf die Straße gehen?
Gegen die Besetzung des Irak. Die USA sagen, der Aufbau des Irak sei ihre Sache. Aber auch die UNO will ihn kontrollieren und Frankreich will die Kontrolle der Europäischen Union übergeben. Aber niemand redet davon, die Kontrolle dem irakischen Volkes zu überlassen. Im Moment sind amerikanische bzw. alliierte Truppen im Irak in Ordnung. Das irakische Volk braucht Wahlen, Parteien, eine freie Presse. Doch dann sollten die USA wieder abziehen. Wir müssen unser Land so schnell wie möglich selbst regieren.

Das Interview führte Dirk Eckert.

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