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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2003, Seite 16

Indonesien

Antikriegsrhetorik und US-Präsenz

Gerade einmal 200 Teilnehmer wurden am 15.Februar, dem Tag der von der internationalen Sozialforumsbewegung initiierten Proteste gegen den Irakkrieg, gezählt. Dieses antiimperialistische Bündnis aus linken Parteien, NGOs, Frauengruppen und anderen, organisierte diese Demonstration in Indonesiens Hauptstadt Jakarta.
Genau eine Woche vorher hatte es allerdings in der Innenstadt von Jakarta anders ausgesehen. Zehntausende hatten an Demonstrationen zweier islamischer Parteien teilgenommen. Aufgerufen hatte die Gerechtigkeitspartei (PK) und die Partei des Nationalen Erwachens (PKB), deren Positionen von eher konservativ bis gemäßigt reichen.
Einen Monat später fand in Surabaya (Ost-Java) ein islamisches Friedensgebet mit rund 500000 Teilnehmern statt, organisiert von Nahdlatul Ulama (NU), der mit 40 Mio. Mitgliedern größten islamischen Organisation. Parallel dazu gab es eine Demonstration in der Hauptstadt, bei der Tausende unter der Führung eines bekannten islamischen Predigers zur US-Botschaft zogen.
In Indonesien, dem weltweit größten islamischen Land, haben seit Monaten täglich Proteste gegen den Irakkrieg stattgefunden. Die indonesische Antikriegsbewegung ist bisher dabei recht eindeutig von den unterschiedlichen gemäßigt-islamischen Kräften des Landes dominiert worden. Neben der NU und der mit ihr eng verbundenen PKB spielten vor allem die Vereinigte Entwicklungspartei (PPP) sowie die 30 Mio. Mitglieder zählende Muhammadiyah und die ihr nahe stehende PAN eine wichtige Rolle.
Im Gegensatz zur stark in den ländlichen Gegenden Ost-Javas verankerten "traditionalistischen" NU ist die Muhammadiyah dabei eine Organisation des städtischen islamischen Mittelstands. Auch hat sie eine stärkere Neigung zum politischen Islam.
Während NU/PKB seit der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Abdurrahman Wahid vor zwei Jahren keine wirkliche Integrationsfigur mehr hatten, verfügen Muhamadiyah/PAN mit Amien Rais und die PPP mit Hamzah Haz über landesweit bekannte charismatisch-demagogische Führungspersönlichkeiten. Rais, Vorsitzender des Volkskonsultativrats (MPR), einer Art Oberhaus des indonesischen Parlaments, und Haz, Vizepräsident der jetzigen Regierung Megawati, werden beide als Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr antreten. Die Wählerregistrierung hat bereits vor kurzem begonnen.
Die starke Mobilisierung der islamischen Parteien in der Bewegung gegen den Irakkrieg und die Äußerungen islamischer Politiker können daher auch als Versuch gesehen werden, die ganz eindeutige Antikriegsstimmung in der indonesischen Bevölkerung wahltaktisch auszunutzen. Hatten sowohl Amien Rais als auch Hamzah Haz nach dem 11.September nichts dabei gefunden, Bushs "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan zu unterstützen, so nahmen sie jetzt umso eindeutiger Stellung. Rais nannte den US- Präsidenten einen Kriegsverbrecher und "verrückten Cowboy" und Haz bezeichnete Bush als "Terroristenkönig".
Ganz ähnlich hat sich Indonesiens Präsidentin Megawati Sukarnoputri positioniert. So wurde in den indonesischen Medien ausführlich berichtet, sie habe in einem Telefongespräch mit Bush den Angriffskrieg auf den Irak als "Akt der Aggression" verurteilt und auf einer Konferenz muslimischer Frauen Anfang April in Jakarta kritisierte sie "das Gesetz des Dschungels", bei dem "der Starke das Recht zu haben glaubt, dem Schwachen seinen Willen aufzuzwingen".
Trotz aller Antikriegsrhetorik spielt die Partei der Präsidentin, die nationalistische PDI- P, in den Mobilisierungen auf der Straße keine Rolle. Außerdem wurde jetzt bekannt, dass US-Kriegsschiffe in Vorbereitung des Irakkriegs die nördlich der indonesischen Insel Sumatra gelegene Straße von Malakka durchfahren haben. Hierbei handelt es sich zwar um internationale Gewässer, doch wäre es der indonesischen Regierung immerhin möglich gewesen, einen formalen Protest zu formulieren.
Die Präsenz der US-Kriegsmarine in unmittelbarer Nähe des eigenen Landes wäre sicherlich auch von Interesse für die Antikriegsbewegung in Indonesien gewesen, aber offensichtlich war die Regierung in Jakarta nicht bereit, einen wirklichen Konflikt mit den US-Kriegsplanern zu riskieren. Die Tatsache, dass Indonesien stark von Exporten in die USA abhängig ist und auch immer noch Kredite an den IWF zurückzahlt, die Jakarta nach der Asienkrise 1997/98 aufgenommen hatte, dürfte hierbei eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
Präsidentin Megawati ist aber auch noch mit anderen Problemen konfrontiert. So haben sich seit ihrem Amtsantritt ihre Ergebnisse bei Wahlumfragen kontinuierlich verschlechtert. Noch in den ersten beiden Wochen dieses Jahres führten Preiserhöhungen zu Massenprotesten und Rücktrittsforderungen.
Die jetzt veröffentlichten Arbeitslosenzahlen für das letzte Jahr zeigen einen Anstieg um 12% für das Jahr 2002, womit 9,1 Mio. ohne Arbeit wären. Die realen Zahlen liegen aber mit wahrscheinlich 39 Mio. Arbeitslosen wesentlich höher. Auf der anderen Seite wurden gerade in der letzten Zeit einige Korruptionsskandale in Megawatis Partei publik.
Ihre scheinbare Antikriegsposition könnte Megawati nun doch wieder einen gewissen innenpolitischen Auftrieb und eine Chance für eine zweite Amtszeit verschaffen. Ein möglicher Koalitionspartner wäre dann die Golkar- Partei des ehemaligen Diktators Suharto. Wie sehr die Antikriegsstimmung mittlerweile von Teilen der Elite für ihre Zwecke instrumentalisiert wird, zeigt sich wohl am besten daran, dass selbst diese Partei der früheren US-gestützten Militärdiktatur eine Demonstration gegen den Irakkrieg organisierte — in diesem Fall aber bewusst nicht zur US-Botschaft, sondern zur UN-Vertretung.
Auch einige islamistische Gruppierungen versuchen die Opposition gegen den Irakkrieg für ihre Zwecke auszunutzen. So rekrutiert etwa die für ihre Angriffe auf "unmoralische" Nachtclubs und Diskotheken berüchtigte islamistische FPI Kämpfer für den "Jihad" im Irak. Zwar gehen Beobachter davon aus, dass Gruppen wie die FPI kein Geld haben, ihre "Heiligen Krieger" auch wirklich in den Nahen Osten zu schicken, doch haben die radikal-islamischen Gruppen in der Vergangenheit auch eine Rolle beim Kampf gegen separatistische und demokratische Bewegungen in Indonesien selbst gespielt.
Die linken und antiimperialistischen Kräfte in der indonesischen Antikriegsbewegung stellt diese Situation vor große Herausforderungen. Bei einer Großdemonstration mit 100000 Teilnehmern am 30.März in Jakarta waren zwar auch Organisationen wie die marxistische Demokratische Volkspartei (PRD), die linksnationalistische PP und die PPR, eine Nachfolgeorganisation der 1965/66 zerschlagenen Kommunistische Partei Indonesiens (PKI), vertreten, doch waren sie auch hier gegenüber den islamischen Kräften in der Minderheit.
Eines der wichtigsten Projekte der indonesischen Linken wird es in der nächsten Zeit sein, die antiimperialistische Bewegung mit dem Kampf gegen die soziale Verelendung großer Teile der Bevölkerung und gegen den wieder zunehmenden Einfluss des Militärs zusammenzubringen. Wie wichtig gerade dieser letzte Aspekt ist, wurde Anfang April erneut deutlich, als das indonesische Verteidigungsministerium ein Strategiepapier veröffentlichte, das eine zentrale Rolle des Militärs bei innenpolitischen Konflikten vorsieht.

Harald Etzbach

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