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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2003, Seite 4

DGB kontra Große Koalition

Keine Kompromisse

von WOLFGANG ZIMMERMANN

Droht der historischen Partnerschaft zwischen der SPD und den Gewerkschaften das Ende? Die Töne in der Auseinandersetzung um die Vorstellungen in der von Schröder präsentierten Agenda 2010 werden schärfer.
Die Zerstörung des so genannten Sozialstaats, dessen Grundlagen weitgehend der Gewerkschaftsbewegung zu verdanken sind, wird zunehmend nicht nur durch die konservativen und liberalen Parteien, sondern in den letzten Jahren in bisher nicht gekanntem Maße von der SPD vorangetrieben. Selbst die PDS unterstützt in den Bundesländern, in denen sie an der Regierung beteiligt ist, skrupellos den neoliberalen Kurs der faktisch existierenden großen Koalition.
Verbunden wird dies mit einem bisher einmaligen Frontalangriff auf die Gewerkschaften, die als Bremser des gesellschaftlichen Fortschritts und als in Traditionalismus verkrustete Organisationen diffamiert werden. Die Verantwortlichen in den Führungsetagen der Gewerkschaften spüren vielleicht instinktiv, dass eine Wende eingeläutet wurde und ihnen das gleiche Schicksal drohen könnte wie den Schwesterorganisationen in Großbritannien während der Ära Thatcher.
Aber mit Sicherheit ist es auch die große Enttäuschung über gebrochene Wahlversprechen, mit der der DGB zu kämpfen hat, nachdem er die rosa-grüne Koalition im Wahlkampf massiv unterstützt hatte. Schließlich hat dies entscheidend mit zum Wahlsieg von SPD und Grünen beigetragen, nachdem Schröder sich kurz vor dem Wahlgang wieder einmal als Freund der Gewerkschaften dargestellt hatte.
Die Frage drängt sich allerdings auf, ob es den Gewerkschaftsführungen ernst ist mit dem Widerstand gegen den sozialpolitischen Kahlschlag, auch wenn es die Freundinnen und Freunde in der SPD sind, die das Werk von Kohl und Co. vollenden wollen — oder ob sie nur Drohgebärden zeigen.
Bisher aber gibt es nur wenig Anzeichen dafür, dass die Vorstände des DGB und der Einzelgewerkschaften einen konsequenten Konfrontationskurs gegen die Bundesregierung fahren. In den letzten Monaten wurden die Gewerkschaftsmitglieder immer wieder zu Demonstrationen und Kundgebungen aufgerufen, um gegen dieses oder jenes Gesetzesvorhaben zu protestieren. Die Themen wie auch die Mobilisierungen waren jedoch zersplittert. Damit war es nicht möglich, die jeweiligen Maßnahmen zu verhindern. Aufgabe wäre es, die zahlreichen Angriffspunkte zu bündeln und einen breit angelegten Widerstand gegen die Zerschlagung des Sozialsystems zu organisieren — ohne Rücksicht auf eine wie immer auch zusammengesetzte Bundesregierung. Wichtig wäre es auch, sich mit den sozialen Bewegungen und den verschiedenen Sozialverbänden zusammenzuschließen und ein breites Bündnis zu schmieden, um die Agenda 2010 und die weiteren geplanten Einschnitte zu verhindern.
Wenn der DGB sich schon dazu durchringt, eine Gegenagenda zu präsentieren, wäre es notwendig, ein Konzept zu entwickeln, das die weitere Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben nicht nur stoppt, sondern den Beginn einer Umkehr einleitet. Auch wenn der IG-BAU-Vorsitzende Klaus Wiesehügel in einem Interview sogar den Sturz der Schröder-Fischer-Regierung in Kauf zu nehmen scheint, droht immer noch die Gefahr, dass bei einer Kompromisslösung zwischen der SPD- Führung und der sozialdemokratischen "Linken" auf dem kommenden Sonderparteitag die Gewerkschaftsführung einknickt, um das vermeintlich schlimmere Übel Stoiber/Merkel zu verhindern. Eine solche Entwicklung käme einer Bankrotterklärung der deutschen Gewerkschaftsbewegung gleich.

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