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Ende April, Anfang Mai putschten an der PDS-Spitze Pseudoreformer, die das Wahldebakel vom 22.9.2002 mitverursacht hatten
und beim anschließenden Versuch, intern die volle Macht zu erringen, auf dem Geraer Parteitag unterlegen waren. Ihr neuer Vorstoß war
erfolgreich.
Neben starken Positionen in den Ostländern kam ihnen zugute, dass der Geraer Bruch
halbherzig gewesen, eine Offensive der Parteimehrheit ausgeblieben, die PDS-Mitte unschlüssig, die Linke weiter gespalten war und die
Bundesvorsitzende, in Gera durch Mitte-Links vor rechten Peinigern gerettet, jetzt zu diesen überlief. Mitte März 2003 machte sie das deutlich, doch
bekamen es die meisten Mitglieder nicht mit.
Am 26.April, fast eineinhalb Monate nach Schröders Verkündung der auf Abbau
des Lebensstandards der Massen gerichteten Agenda 2010, hatte sich der PDS-Vorstand immer noch nicht mit dieser Provokation befasst. Stattdessen forderte
Gabi Zimmer, sofort müsse über "Sozialistische Politik Reformalternativen im Kampf um Gerechtigkeit" geredet werden, ein
wesentlich von Dieter Klein erarbeitetes Papier, das allgemein für mehr Demokratie, Frieden und Sicherheit sowie wirtschaftliche Prosperität eintritt
und als Beitrag zu Teil III des Programmentwurfs gedacht war.
Es wurde schon im Februar vorgelegt, nun von Klein durch Erwähnung der Agenda
2010 "aktualisiert". Ähnlich der Programmkommission beschloss der Vorstand mit 7:6 Stimmen, die Vorlage zu diskutieren, wenn der
entsprechende Programmteil dran wäre, d.h. am 26.Mai. Gaby Zimmer ärgerte sich, blieb aber gelassen.
Nicht zur Diskussion gestellt hatte sie am 26.April ein anderes Papier. Es stammte vom
Vorstandssprecher für Wirtschaft, Arbeit und Finanzen, Harald Werner, und war direkt gegen die Agenda 2010 gerichtet. Werner schlug u.a. vor, durch
Anpassung der öffentlichen Investitionen an die Sätze vergleichbarer Länder, durch Abbau der jährlich 2 Milliarden Überstunden
und Lösung sozialer und ökologischer Aufgaben 760000 Arbeitsplätze zu schaffen, was sich positiv auf die Massenkaufkraft auswirken
würde.
Möglich wäre dies bei leistungsgerechter Besteuerung der Einkommen aus
Gewinn und Vermögen und einer Arbeitsmarktabgabe. Zum Ausgleich für ihre Ignoranz diesem Vorschlag gegenüber griff die Parteichefin
einen Antrag von BV-Mitglied Barbara Borchardt auf, sich endlich mit der Agenda 2010 zu beschäftigen.
Mit anderen Spitzenfunktionären bündelte Zimmer vorhandene PDS-
Vorstellungen zu einer "Agenda Sozial". Diese birgt zwar nirgendwo Neues, ist aber nicht schlecht zu lesen. Gabi Zimmer trug sie am 29.April stolz
als selbst initiiertes Werk vor. Es ist das zufällige Nebenprodukt einer Kampagne, Mitte-Links aus dem Vorstand zu drängen.
Am 28.April hatte Brandenburgs Landesvorsitzender Christoffers einen baldigen
Sonderparteitag gefordert, der Teile der Führung, vor allem den stellvertretenden Vorsitzenden Diether Dehm und Bundesgeschäftsführer
Uwe Hiksch, absetzen sollte. Christoffers wusste sich im Einvernehmen mit Zimmer. Er motivierte den Vorstoß mit der Lüge, eine Mehrheit im
Bundesvorstand weigere sich, Alternativen zur Agenda 2010 auch nur zu debattieren, ja, "sich … mit Politik zu befassen". In der Bewertung
dessen, was wirklich passiert war, meinte Dehm, an den Vorgängen in der SPD gemessen sei "unser Streit ein Engelsfurz".
Realitäten hielten die Parteirechte nicht davon ab, besagte Erscheinung zum Donnerhall
mit Blitz und Hagel umzudeuten. Brie und MdB Pau, die Fraktionsvorsitzende von Sachsen-Anhalt Sitte, zwei Landesvorstände, Berlins und
Thüringens Landeschef Liebich bzw. Hausold, der Erfurter Fraktionschef Ramelow, der stellvertretende Bundesvorsitzende Porsch, Vorstandsmitglied
Gehrcke, die "Elder Statesmen" Bisky und Gysi vertraten geschlossen die Ansicht, ein Säuberungsparteitag müsse her, sonst sei die PDS
verloren. Unisono führten sie die angebliche Blockade im Vorstand ins Feld, die gebrochen werden müsse.
Dietmar Bartsch hielt sich bedeckt. Inzwischen Wirtschaftsberater im
Immobiliengeschäft, ließ er wissen, "nie wieder so schlecht verdienen (zu wollen) wie im Bundestag".
In Pressekonferenzen entrüstete sich Zimmer über Hiksch und Dehm, die ihr
widersprochen und sie düpiert hätten, sowie eine "Grüppchen- und Intrigengemeinschaft", die versucht habe, den
Programmentwurf von Brie/Klein/Brie zu ändern. Am 2.Mai tagte sie mit André Brie, beiden MdBs, ihr genehmen Vorstandsmitgliedern, den
Parteiratssprechern, Landesverbandsvorsitzenden und "für die PDS in Regierungsverantwortung Stehenden" einem Gremium also, das
es laut Statut gar nicht gibt. Danach verkündete sie dessen Entscheidung, vor dem Programmparteitag im Oktober solle ein Sonderparteitag die neue
Führung bestimmen und Alternativen zur Agenda 2010 festlegen.
Unter Hochdruck stehend, entzog Zimmer entgegen einem Vorstandsbeschluss dem
Bundesgeschäftsführer die Zuständigkeit in Personalsachen. Für eine nochmalige Vorsitzendentätigkeit bedang sie sich aus, die
PDS müsse ein Bekenntnis zur "grundlegenden Erneuerung" im Sinne der "Reformer" und zu Alternativen zu Schröders
"Sozialreform", ergo zur Mitarbeit daran, ablegen.
Nach einer zweiten Konsultation bei den Ost-Landesfürsten am 7.Mai, bei denen die
westlichen erneut ausgeschlossen waren, gab Zimmer ihre "ganz persönliche Entscheidung" zur Nichtkandidatur bekannt. Am 9.Mai berief der
Bundesvorstand den Sonderparteitag zum 28./29.Juni nach Berlin ein.
Vergebens hatten Hiksch, Dehm und fünf weitere Vorstandsmitglieder versucht, rechte
Anwürfe durch wahrheitsgetreue Darstellung zu stoppen. Vergeblich machten Hiksch und Werner das "Küchenkabinett" aus grauen
Parteieminenzen publik, das jahrelang in die Vorstandsarbeit hineingeredet und Medienkontakte zur Skandalisierung missliebiger Genossen und vermeintlicher
Linksabweichler genutzt hatte.
Zum Scheitern verurteilt waren Bestrebungen der Kommunistischen Plattform, junger und
älterer Genossen und des "Geraer Dialogs", den Zug in Richtung Sonderparteitag zu stoppen, weil er, wie dessen Sprecherrat befürchtet,
der "Zerstörung der Partei" dienen könnte.
Wesentlich ist zugleich die Erkenntnis, einer sozialistischen Partei müsste es angesichts
massiver wirtschaftlicher Krise, einer Arbeitslosenarmee von demnächst 5 Millionen, flächendeckendem Sozialabbau, fortdauernder Kriegsgefahr
von US-Seite bei gleichzeitigem Aufbau einer europäischen Interventionsarmee möglich sein, weite Bevölkerungskreise zu erreichen. Eben
deshalb soll offenbar die PDS als ernstzunehmende Opposition ausgeschaltet werden. Eine neue sozialistische Bewegung ist dringend nötig. Sie muss
unbedingt vormals begangene Fehler vermeiden.
Manfred Behrend
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