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Alles, was uns Rot-Grün heute mit dem Wort "Reformen" alltäglich um die Ohren schlägt, ist
das Gegenteil dessen, wofür Gewerkschaften ein Jahrhundert lang gestritten haben: mehr Schutzrechte für abhängig Beschäftigte und
sozial Schwache und Umverteilung des Reichtums zu deren Gunsten. Was uns heute als "Reformen" geboten wird, ist in Wahrheit eine neoliberale
Gegen-Reformation des Kapitals. Wer alle die jetzt diskutierten oder schon auf dem Gesetzgebungsweg befindlichen Vorhaben zusammen nimmt, der kann nicht
anders als festzustellen, dass nun nicht mehr schleichend wie bisher, sondern im Hauruckverfahren eine Art Staatsstreich gegen die bestehende Sozialordnung
der Bundesrepublik geführt wird, der das gesamte Regime des "Sozialstaats" von den Arbeitsbeziehungen über die sozialen
Sicherungssysteme bis hin zum öffentlichen Dienst im Interesse des Kapitals beseitigen soll.
Gegen diese Politik müssen wir als Gewerkschaften und als soziale Bewegungen mit
aller uns zur Verfügung stehenden Macht kämpfen, statt vor ihr auf dem Bauch zu liegen und um besseres Wetter zu bitten und zu betteln.
Schließlich wurde auch der Sozialstaat seit dem 19.Jahrhundert nicht durch Bitten und Betteln eingeführt, sondern durch Druck und Kampf. Nur so
können wir unsere erkämpften Rechte auch in der Gegenwart verteidigen.
Heute, wo nur allzu offensichtlich ist, dass es keine Parteien gibt, denen wir den Kampf
für unsere Interessen anvertrauen können, gilt mehr als zuvor, dass wir unser Schicksal in die eigene Hand nehmen müssen; dass sich
Gewerkschaften und soziale Bewegungen auf den Weg der außerparlamentarischen Opposition begeben müssen, wie dies auch in anderen
Ländern schon der Fall ist.
Dabei brauchen wir uns ganz und gar nicht aus Angst vor einer Regierung Merkel/Stoiber vom
Kampf gegen die Schröderpolitik und für eine soziale Politik in unserem Interesse abschrecken lassen.
Warum sollte unter dem Druck unseres Kampfes und einer breiten Mobilisierung der
Gesellschaft denn nicht eine gewerkschaftsnahe Regierung mit dem Chef der IG Bau, Wiesehügel, an der Spitze das Regierungsruder übernehmen?
Schließlich haben wir seit Kohls Zeiten oft genug unsere Alternativen zur Politik von Arbeitsplatz- und Sozialabbau formuliert, die nun, wo die Kohl-
Politik von der Schröder-Regierung umgesetzt wird, immer noch gültig sind: gesetzlicher Abbau der Überstunden, drastische
Arbeitszeitverkürzung, Ausbau und Modernisierung des öffentlichen Dienstes, Auflage sozialer Infrastrukturprogramme und Investitionen in den
ökologischen Umbau…
Und wer meint, uns daran erinnern zu müssen, dass sich die Welt um uns herum
geändert hat, dem können wir getrost entgegen halten, dass wir sehr wohl wissen, was uns droht und wem wir das verdanken. Gerade deshalb ist es
notwendig, dass wir den Schulterschluss mit den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in Europa und in anderen Ländern der Welt, statt mit den
Konzernbossen und Regierungen in Deutschland suchen.
Beginnen wir jetzt also damit, uns entschlossen zu wehren Belegschaften und
Gewerkschaften gemeinsam mit den sozialen Bewegungen. Deshalb sollten wir uns eines Ereignisses erinnern, das gerade in diesen Tagen von doppelter
Aktualität ist und das uns in nächster Zeit wohl in den gesalbten Worten jener begegnen wird, die uns heute das Messer an die Gurgel setzen: Vor
50 Jahren hat am 17.Juni die Arbeiterklasse Ostdeutschlands mit einer Regierungspartei abgerechnet, die das Wort sozial in ihrem Namen trug, sogar das Wort
"sozialistisch", und die mit der Arroganz der Macht das Diktat der stalinistischen Besatzungsmacht umgesetzt und jene Ideale verraten hat, die zu
vertreten sie behauptete.
Heute, wo eine andere Partei, die das Wort "sozial" in ihrem Namen trägt,
mit der gleichen Arroganz der Macht die Ideale verrät, für die sie einstmals angetreten ist, und uns das Diktat des Kapitals aufzwingt, sollten wir uns
erinnern, welche Wirkung es auf herrschende Cliquen und Klassen hat, wenn wir massenhaft streiken und auf die Straße gehen.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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