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Da aber die "Lohnnebenkosten", die angeblich "runter" müssen, nur ein für den
Krankheitsfall bzw. das Alter aufgesparter Teil des Lohnes sind, laufen die ganzen "Reformen" auf eine mehr oder weniger kaschierte Form des
Lohnraubs hinaus. Ganz nebenbei geht es dann auch noch um die Erleichterung der Entlassung, damit der Unternehmer wieder "Herr im Haus" ist.
Die rot-grüne "Agenda 2010" ist nur ein neues Etikett für eine Auseinandersetzung, die man in den meisten Ländern Europas und
darüber hinaus beobachten kann.
Das Schwergewicht der Politik liegt dabei nicht auf der Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit, sondern der Arbeitslosen als "Kostenfaktor". Die Leistungen aus Nürnberg sollen (wieder einmal) massiv gekürzt
werden, um den Staatshaushalt zu entlasten. Eichel möchte sich in Zukunft den Zuschuss zur BFA, heute immerhin 57 Milliarden, sparen.
Kern der Angelegenheit ist die Reduzierung der Arbeitslosenhilfe auf den Satz der Sozialhilfe,
was wiederum den Druck auf jene bald 5 Millionen Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe verstärken wird, die heute schon auf die sog. "Hilfe
zum Lebensunterhalt" angewiesen sind. Da diese Leistungen von den Kommunen erbracht werden, ist dies auch ein Grund für deren zunehmende
Finanzmisere.
Klammheimlich wird, leider nicht nur in der Politik, davon ausgegangen, dass sich viele
Menschen mit der "Stütze" einen schönen Tag machen, während die anderen malochen. Je weniger genau man weiß, wer
Sozialhilfe bezieht (beziehen muss), umso mehr können Stammtischparolen auch in Diskursen von Politikern verfangen. Die vorherrschende Logik des
Neoliberalismus sorgt dafür, dass Zynismus und sozialdarwinistische Anschauungen sich immer weiter ausbreiten.
Das Münchener Sozialreferat hat nun eine Studie über die Sozialhilfebezieher
vorgelegt, die einerseits mit einer Reihe von Mythen aufräumt, andererseits aber vorausahnen lässt, was auf uns zukommt, wenn die sozialen
Sicherungssysteme wie geplant geschreddert werden.
München ist eine Stadt mit vergleichsweise (noch) geringer Arbeitslosigkeit, aber sieben
im DAX aufgeführten Großkonzernen, die fast alle keine Steuern zahlen, was zu explodierender Neuverschuldung des städtischen Haushalts
führt. Hier beziehen aktuell etwa 47000 Menschen "Hilfe zum Lebensunterhalt". Nur 22500 von ihnen sind zwischen 18 und 65 Jahren alt,
könnten also theoretisch arbeiten. Davon sind bereits über 2000 "working poor"; sie müssen Sozialhilfe bekommen, weil ihr
Arbeitsverdienst zum Leben nicht ausreicht, was zumeist an den horrenden Mietpreisen liegt.
Der vielgeforderte "Niedriglohnsektor" existiert also allerdings mit
ziemlich verheerenden Folgen! Weitere 35004000 der Genannten stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil die Kinder zu klein sind oder
sie alte oder kranke Menschen pflegen müssen. Weitere 5100 sind so krank, dass sie auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind.
Die neuen Programme der "Hilfe zur Arbeit" können also im
günstigsten Fall auf knapp 10000 Menschen oder etwa 20% der Sozialhilfebezieher Anwendung finden. Die immer wieder erhobene Forderung nach einer
Kürzung der Sozialhilfe stellt daher den Gipfel des herrschenden Zynismus dar: Denn die (wenigen) Erwerbsfähigen werden inzwischen so vom
Sozialamt schikaniert, dass sie entweder fast jede Arbeit annehmen müssen oder ihnen die Sozialhilfe umstandslos gestrichen wird.
Ein weiteres, häufig in die Debatte geworfenes Argument besagt, dass es sich mit
Kindern nicht lohne, arbeiten zu gehen, weil die Sozialhilfe den Nettolohn übersteige. Daraus wird von Politikern gern das
"Lohnabstandsgebot" abgeleitet, also flugs die Forderung nach einer weiteren Kürzung der Sozialhilfe. Die Münchener Studie hat auch
diesen Mythos untersucht und kommt zu dem Schluss, dass erst bei einer Kinderzahl von vier und mehr Kindern (je nach Alter) eine solche Situation eintreffen
kann.
Offenbar ergibt sich dies daraus, dass in neueren Tarifverträgen die Größe
der Familie keine Rolle mehr spielt, die früheren "Familienkomponenten" mehr und mehr abgeschafft wurden.
Und dies dürfte die schrecklichste Erkenntnis der Studie sein: Dass bei
"Kinderreichtum" nicht nur die Gefahr der Armut besteht, sondern auch die Gefahr lebenslanger Armut weitaus am größten ist.
Paul Kleiser
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