SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2003, Seite 3

Internationale Antikriegsbewegung

Jakarta-Konferenz beschließt Aktionsplan zum Irak

Die internationale Antikriegsbewegung, die ausgehend vom Europäischen Sozialforum in Florenz so eindrucksvoll am 15.Februar weltweit eine gemeinsame Stimme gegen den Krieg erhoben hat, hat vom 19. bis 21.Mai in Jakarta, Indonesien, beraten, wie sie weiter zusammen arbeiten will.

An der Konferenz, die sich als Teil der Versammlung der sozialen Bewegungen im Weltsozialforum versteht, nahmen an herausragender Stelle teil: ein breites Netzwerk von Antikriegsorganisationen aus Asien, die Stop the War Coalition aus Großbritannien, das Netzwerk United for Peace and Justice aus den USA, das Italienische Sozialforum, die No War Coalition aus Istanbul und Books, Not Bombs aus Australien sowie viele kleinere Netzwerke. Desgleich waren vertreten demokratische Aktivisten aus dem Irak, die Organisatoren des nächsten Weltsozialforums in Indien, Vertreterinnen des Weltfrauenmarschs, indonesische Gewerkschafter, das Antiprivatisierungsforum aus Südafrika, Greenpeace, Focus in the Global South und Jubilee South.* Die Konferenz hat eine Erklärung verabschiedet, die wir auszugsweise im Folgenden veröffentlichen. Im Anschluss fand ein weiteres Treffen der Internationalen Antikriegskoalition am 31. Mai in Evian statt.

Die von den USA angeführte Invasion und Besetzung des Irak ist illegal.

1946 begründete das Nürnberger Tribunal sein Urteil mit den Worten: »Die Einleitung eines Aggressionskriegs [ist] nicht nur ein internationales Verbrechen, sondern zugleich das oberste Verbrechen, das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, dass es in sich die ganze Fülle aller einzelnen Übel zu einem Ganzen akkumuliert.«
Folglich fordern wir das sofortige Ende der illegalen Besetzung des Irak durch die USA und Großbritannien sowie den unmittelbaren Rück- und Abzug aller ausländischen Truppen, Militärberater und Militärvertreter, Kriegsgeräte und Waffen.
Wir bestehen darauf:
♦  Dass das irakische Volk das absolute und souveräne Recht besitzt, die eigene Zukunft zu bestimmen. Keine Besatzungsmacht hat das Recht, die territoriale Integrität des Irak zu verletzen. Jegliche Entscheidung bezüglich des Bedarfs an internationaler Hilfe liegt allein beim irakischen Volk.
♦  Die Besetzung des Irak durch die USA und Großbritannien ist illegal; dies gilt auch für jede von den Besatzungsmächten eingesetzte Verwaltung oder Übergangsregierung. Die Entscheidungen der Besatzungsmächte oder deren Vertreter sind für das irakische Volk nicht bindend.
♦  Das von der UNO eingerichtete Konto des irakischen Programms Oil for Food (»Öl für Nahrungsmittel«) darf nicht für den Wiederaufbau des Irak bzw. zur Beseitigung der Schäden benutzt werden, die durch den illegalen Krieg und die illegalen UN-Wirtschaftssanktionen verursacht wurden. Der Fonds muss treuhänderisch für das irakische Volk verwaltet werden, bis eine legitime und für das irakische Volk wirklich repräsentative Regierung vorhanden ist.
Wir unterstützen vor allem unabhängige zivilgesellschaftliche Hilfeleistungen für und Solidaritätsmaßnahmen mit dem irakischen Volk, doch sollen die UNO und ihre Behörden, andere Regierungen und NGOs nicht als Deckmantel dienen, um von der illegalen Invasion und Besetzung des Irak zu profitieren. Humanitäre Hilfe darf nicht dazu missbraucht werden, militärische, politische und wirtschaftliche Ziele der Besatzungsmächte zu unterstützen oder zu fördern.
Gemäß der Genfer Konvention liegen humanitäre Hilfe, Unterstützung, Wiederaufbau und andere Maßnahmen der Entwicklungshilfe in der gesetzlichen und moralischen Verantwortung der Aggressoren und Besatzungsmächte; diese dürfen für sich jedoch keine »Unterstützungen« beanspruchen, die allein dem irakischen Volk zusteht.
Das irakische Volk hat die Souveränität über alle Bodenschätze und Produktionsmittel. Die Invasions- und Besatzungsmächte und die Privatgesellschaften in ihrem Gefolge haben kein Recht darüber zu entscheiden, wer die Ausbeutung der Bodenschätze sowie den Aufbau und die Lieferung elementarer Ausrüstungen und Dienstleistungen kontrolliert bzw. von ihnen profitiert.
Die Kosten für den Wiederaufbau, die Entschädigung und Reparation für physische, soziale, wirtschaftliche, psychologische, ökologische und kulturelle Zerstörungen und die Vernichtung des historischen Erbes, die von der US-geführten Invasion verursacht wurden, müssen in vollem Umfang von den Aggressoren getragen werden.
Reparationen für physische, soziale, wirtschaftliche, psychologische, ökologische und kulturelle Zerstörungen und die Vernichtung des historischen Erbes, die von der US-geführten Invasion verursacht wurden, sowie für das Leid und die Schäden, welche die UN-Sanktionen verursacht haben, müssen von den ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat getragen werden.
Entschädigungen müssen an alle Personen gezahlt werden, die in den letzten zwölf Jahren durch die Wirtschaftssanktionen und die Invasion 2003 physische, wirtschaftliche oder psychologische Schäden oder Traumata erlitten haben; sie müssen auf der Grundlage individueller und kollektiver Ansprüche geltend gemacht und von einem unabhängigen Tribunal verteilt werden.

Wir fordern die Verurteilung der USA und seiner Verbündeten wegen der Besetzung des Irak.
♦  Wir unterstützen alle Bemühungen zur Einberufung eines Nationalen Kongresses oder einer konstituierenden Versammlung oder jeder anderen Art demokratischer Selbstorganisation, die zur Errichtung eines rechtmäßigen neuen irakischen Staates führen. Dieses Verfahren muss gänzlich unabhängig von den Besatzungsmächten umgesetzt werden.
♦  Wir rufen die Vereinten Nationen, die Organisation der Islamischen Konferenz und die Liga der Arabischen Staaten dazu auf dafür zu sorgen, dass das internationale Recht verteidigt und die Besetzung des Irak beendet wird, und die Einrichtung einer demokratischen Regierung im Irak zu unterstützen.
♦  Wir bitten die internationale Gemeinschaft und die Regierungen in der Welt, jeder Verwaltung oder Regierung, die von den Besatzungsmächten eingesetzt wird, die Anerkennung zu verweigern.
♦  Wir unterstützen die von der Internationalen Vereinigung der Rechtsanwälte gegen Atomwaffen und anderen Organisationen initiierte Kampagne, die UNO-Vollversammlung zu drängen, ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die Ungesetzlichkeit der Gewalt gegen den Irak einzuholen und die Doktrin des Präventivkriegs.
♦  Wir begrüßen die Kampagne zur Einberufung eines UN- Kriegsverbrechertribunals, das die Verantwortlichen für die Invasion und die Besetzung des Irak zur Rechenschaft zieht.
♦  Wir verlangen, dass alle Regierungen das Recht der Iraker anerkennen, unbehelligt reisen zu können und in den Irak zurückzukehren.
♦  Wir lehnen die Pläne der USA ab, eine »Neuordnung des Nahen Ostens« vorzunehmen, einschließlich ihres wirtschaftlichen Arms, der von George Bush vorgeschlagenen »Freihandelszone im Nahen Osten«.
♦  Wir verpflichten uns, solidarisch mit dem irakischen Volk zusammenzuarbeiten und seine demokratischen Kräfte zu unterstützen.
♦  Wir verpflichten uns, zusammen mit Organisationen der Zivilgesellschaft, die bereits im Irak arbeiten, mehrere Erkundungsmissionen in den Irak zu organisieren, um Kontakte zu möglichst vielen demokratischen irakischen Organisationen zu knüpfen, in der Perspektive, in Bagdad eine Konferenz über den Krieg und die Besatzung vorzubereiten.
♦  Wir verpflichten uns, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass wir uns an der Errichtung von einem oder mehreren Besatzungsbeobachtungszentren (Occupation Watch Centres) im Irak beteiligen können. Das Ziel ist Überwachungs- und Informationszentren zu haben, die die militärische Besatzung und eine von den USA eingesetzte Regierung genau beobachten, inkl. der Dokumentation möglicher Kriegsverbrechen und anderer Verletzungen der Menschenrechte und der demokratischen Rechte. Die Zentren sollen auch die Rolle ausländischer Firmen und Kriegsprofiteure im Irak beobachten.
♦  Wir verpflichten uns, verschiedene Methoden zu entwickeln, um mit dem irakischen Volk direkt zusammen zu arbeiten, einschließlich der Entsendung von Massendelegationen in den Irak, mit dem Ziel, auf breiter Ebene Beziehungen zwischen irakischen Organisationen und Individuen und der Antikriegsbewegung, der globalisierungskritischen Bewegung und dem Weltsozialforum aufzubauen. Wir verpflichten uns auch zur Einrichtung einer neuen globalen Informationswebseite Irak sowie anderer Mittel zur Koordinierung von Informationen und Ressourcen.
♦  Auf Basis der Vorschläge von türkischen, japanischen, südafrikanischen und lateinamerikanischen Bewegungen verpflichten wir uns zur Einleitung eines Internationalen Völkertribunals, um die Kriegstreiber und Besetzer des Irak strafrechtlich verfolgen zu können; es soll in mehreren Ländern mit einem internationalen Team von Staatsanwälten und Richtern abgehalten werden.
♦  Wir rufen zu einem internationalen Boykott von US-Produkten am 4.Juli 2004, dem Unabhängigkeitstag in den USA, auf und unterstützen jede andere Initiative, die den Boykott von US-Produkten zum Ziel hat.

Aktionsplan gegen Globalisierung und Militarismus

♦  Wir begrüßen den Aufruf der (panamerikanischen) Hemisphärischen Generalversammlung gegen FTAA und WTO zu einer Aktionswoche gegen die Ministerversammlung der WTO in Cancún (Mexiko). Vor allem ersuchen wir Friedens- und Menschenrechtsorganisationen, am 9.September gegen die WTO und am 13.September gegen Globalisierung und Krieg zu mobilisieren. Wir begrüßen den Aufruf der jüngsten Chiapas-Konferenz zu »einem zielgerichteten Boykott« von Coca-Cola, McDonald‘s, Texaco, CNN und Fox für die Dauer dieser Protestwoche.
♦  Wir verurteilen die sich spürbar ausbreitende McCarthy- Atmosphäre, die die Bush-Regierung in den USA anheizt. Wir unterstützen die Kampagne The World Says No to Bush, die zum Zeitpunkt des Parteitags der Republikaner im September 2004 in New York ihren Höhepunkt haben soll. Die Kampagne soll weltweit Millionen Menschen mobilisieren, um in einem globalen Referendum die Legitimität des »Imperators« Bush zu untergraben.
♦  Wir fordern, einen strategische Schwerpunkt auf die Zunahme von US- Militärbasen rund um den Erdball zu legen. Wir verpflichten uns, einen globalen Aktionstag gegen Militärbasen in der ersten Hälfte des Jahres 2004 vorzubereiten; er wird vom Asiatischen Friedensbund koordiniert.
♦  Angesichts der weltweiten Explosion von Militärausgaben fordern wir eine globale Kampagne für allgemeine Abrüstung. Wir laden alle Gruppen für Frieden und Abrüstung, die nicht in Jakarta vertreten sein konnten, ein, sich mit uns in Verbindung zu setzen, damit wir koordinierte Initiativen inkl. eines globalen Aktionstags starten können.
♦  Wir unterstützen einen Aktionstag gegen plündernde Konzerne, besonders Halliburton und Bechtel und ihre Tochtergesellschaften. Diese Aktion wird von einer Arbeitsgruppe der Jakarta-Konferenz koordiniert.

Jakarta, 21.Mai 2003

Kontakt: Herbert Docena.

*Folgende Länder waren auf der Konferenz vertreten: Afghanistan, Australien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Hongkong, Indien, Indonesien, Irak, Israel, Italien, Japan, Kanada, Libanon, Malaysia, Niederlande, Nikaragua, Österreich, Osttimor, Philippinen, Südafrika, Südkorea, Thailand, Tunesien, Türkei, USA. Delegierten aus Pakistan und Palästina wurde das Visum verweigert.



Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang