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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2003, Seite 20

Mord & Totschlag

Carl Hiaasen, Unter die Haut, München: Goldmann, 2001, 8,95 Euro; Carl Hiassen, Dicke Fische, München: Goldmann, 2002, 8,90 Euro.

»Ich meide Florida. Es ist dort so klebrig und feucht, dass man eine Rolle Küchenkrepp mit sich herumtragen muss, um einigermaßen trocken zu bleiben. In dem Staat wimmelt es nur so von Parasiten und Moskitos. Dort werden kleine kubanische Jungs gekidnappt und nicht ihrem Vater zurückgegeben. Dort wird jeden Tag die Jagd auf deutsche Touristen in Mietwagen eröffnet. Und dann gibt es auch noch Disneyworld. Und Gloria Estefan. Die Kennedys vergewaltigen Frauen und behaupten, sie hätten nur eben die Unterwäsche gewechselt … ich hasse Florida.« So kotzt sich Michael Moore in Stupid White Men über den Sunshine State aus, dem Mallorca für deutsche US-Fans und ehemaligem Recyclinggelände ausgedienter Bundesligastars.
Carl Hiaasen, Reporter des Miami Herald macht sich in seinen Romanen über die Zustände in Florida her. In Unter die Haut geht es um Schönheitschirurgie, insbesondere um einen ihrer stümperhaften Vertreter, dem Körperpfuscher Dr. Rudy Graveline. Er setzt Killer auf den ehemaligen staatsanwaltlichen Ermittler Mick Stranahan an, im irrtümlichen Glauben, dieser könnte ihn mit dem Verschwinden einer Patientin in Verbindung bringen. Stranahan will eigentlich nur seine Ruhe haben, als Frührentner ein wenig fischen, seinen Hausbarracuda füttern und Abstand zu seiner wieder mal gescheiterten Ehe finden. Sein Tick: jede Frau, mit der er schläft, muss von ihm auch geheiratet werden.
Zur Ruhe kommt er aber nicht, regelmäßig hat er es mit Eindringlingen in seinem Stelzenhaus am Meer zu tun. Junge Frauen, die seine Terasse zum Sonnenbaden aufsuchen und die ihn nötigen, ihre aufbereiteten Körper mit dem Zollstock zu vermessen, um sie von den Wundern der plastischen Chirurgie zu überzeugen. Ein Attentäter namens Chemo, dessen Honorar darin besteht, sein entstelltes Gesicht wieder Florida-Normen anzupassen. Erweitert wird dieses absurde Szenario noch durch den Reportagestar Reynaldo Flemm, der ahnt, dass etwas nicht stimmt mit dem prominenten Schönheitschirurgen Graveline, und die Chance wittert, aus dem Schatten seiner Produzentin Christina Marks heraustreten zu können; endlich zeigen zu können, dass man nicht nur ein telegenes Gesicht hat, sondern auch Intelligenz und Raffinesse. Das kann nicht gut gehen.
Der zweite bissige Florida-Krimi von Hiaasen, der hier empfohlen werden soll, heisst Dicke Fische und handelt von dicken Fischen: Riesenbarschen. Es geht um professionelles Wettangeln. Der Detektiv soll systematischen Betrügereien bei diesem Sport nachgehen. Dabei geht es dann nicht nur um Siegerprämien, sondern auch um Sponsorenverträge, einen TV-Prediger, der die Verbindung schlägt zwischen christlichem Fundamentalismus, Wunderheilungen, Sportangeln und seinen Zukunftsinvestitionen in den immer blühenden Immobilienmarkt Floridas. Heimlicher Star des Romans ist ein ehemaliger Governeur, ein Vorgänger des heutigen Amtsinhabers Jeb Bush, der den Umweltschutz zu ernst nahm und an der zu allem fähigen Immobilienbranche scheiterte. Hiassen gibt ihm die Chance, einiges am Zerstörungswerk zu stoppen. Wie in Unter die Haut geht das recht blutig ab.

Udo Bonn

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