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Als uns Peter Brückner vor einem Vierteljahrhundert die Bundesrepublik zu erklären versuchte, stellte er die
strategisch entscheidende Frage: »Karthago muss zerstört werden, ehe es sich selbst zerstört aber wo sind die Römer?«
Auch heute stehen wir vor einem ähnlichen Trümmerhaufen.
Der spürbare gesellschaftliche Aufbruch der zweiten Hälfte der 90er Jahre ist zum
Stillstand gekommen und Ratlosigkeit breitet sich aus. Die Woche um den 28.Juni herum scheint sich als Wendepunkt der innenpolitischen Situation zu
erweisen. »Nur Nein-Sagen geht nicht mehr. Die Zeit der Nein-Sager ist zu Ende«, so Kanzler Schröder in seiner Regierungserklärung
vom 4.Juli.
Einen knappen Monat nach jenem SPD-Sonderparteitag, auf dem sich die Partei-
»Linke« dem neoliberalen Kurs der rot-grünen »Agenda 2010« nachhaltig beugte, knickte auch die PDS vor der Hegemonie des
vorherrschenden Neoliberalismus ein, indem sie jede Form der innerparteilichen Kritik an ihrer aktiven Mitverantwortung für entsprechende
Deformprojekte als sektiererischen Linksradikalismus erfolgreich ausgrenzte. Am selben Tag, an dem Lothar Bisky zum neuen Parteivorsitzenden gewählt
wurde, am besagten 28.Juni, wurde der IG-Metall-Streik für die 35-Stunden-Woche im Osten Deutschlands vom Vorsitzenden Klaus Zwickel für
beendet erklärt, nachdem die entsprechenden Verhandlungen mit den Arbeitgebern gescheitert waren.
Die sich hieran anschließende wochenlange Medienkampagne hat sinnbildlich
verdeutlicht, dass sich Grundlegendes im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis der BRD geändert hat. Nun wird nicht mehr über
Arbeitszeitverkürzung gestritten, sondern die Verlängerung der Wochen- und Lebensarbeitszeit gefordert. Die Gewerkschaften sind mit einer
forcierten Erosion des Flächentarifvertragssystems konfrontiert, die Rentnerinnen und Rentner müssen sich auf weitere Kürzungen ihrer
Renten ebenso einstellen wie die Beamten auf die Kürzung ihrer Bezüge. Während eine große Koalition der Gesundheitsdeformierer
die Kosten von Krankheit weiter privatisiert und den ohnehin schon sozial Schwachen stärker als anderen aufbürdet, werden wir Zeugen einer
vorgezogenen Steuer»reform«, die einmal mehr die »Großen« und manche »Mittlere« entlastet, die
»Kleinen« dagegen belastet. Finanziert wird diese Deform vor allem mit einer Neuverschuldung, die dann in Bälde den Vorwand für
weitere »schmerzhafte« Kürzungen abgeben wird. Und all dies, um dem goldenen Kalb einer möglichen Konjunkturerholung zu dienen,
die ferner denn je ist. Jüngste Meldung: Der Krankheitsstand der Lohnarbeitenden ist so gering, wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Die Menschen
nehmen aus Angst vor der drohenden Arbeitslosigkeit ihr Recht auf körperliche Regeneration nicht mehr wahr.
Was also tun? Der Neoliberalismus muss zerstört werden, ehe er die Gesellschaft selbst
und die in ihr lebenden Menschen weiter zerstört. »Aber wo sind die Römer?«
1978, im selben Jahr, als Brückner sein zitiertes Buch veröffentlichte, setzte die IG
Metall in einem Stahlstreik ein neues Zeichen und forderte erstmals die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche. Zur gleichen Zeit erlebten wir den Aufstieg neuer
sozialer Bewegungen, die dem vermeintlichen Sachzwang eine andere Logik entgegensetzten. Das gesellschaftliche Kräfteverhältnis begann, sich
nach links zu verschieben. Und es begann mit einem selbstbewusst-trotzigen: Nein!
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