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Der ehemals giftgrüne und heute rechtsliberale SPD-Innenminister Schily rät den Gewerkschaften, sich von den
»Traditionalisten« in der IG Metall zu trennen. Nur so, meint er im Gleichklang mit der veröffentlichten Meinung, könnten die
Mitgliederverluste gestoppt werden.
Die IG Metall hatte nach der Annexion der DDR über 3 Millionen Mitglieder. Der
Raubzug der Kapitalisten durch die Zerstörung der Metallindustrie im Osten führte zum Verlust von Hunderttausenden Mitgliedern.
Gewiss, der verlorene Streik führte ebenfalls zu Mitgliederverlusten. Die Zahl von 47000
wird genannt, übrigens ohne zu erwähnen, dass 35000 in die IG Metall eintraten. Aber die »Traditionalisten«, die nicht vergessen
haben, dass es noch so etwas wie Klassenkampf gibt, mussten als Schuldige festgenagelt werden!
Wie aber steht es mit den »Modernisierern«, die alle sozialen Missetaten ihrer
Schröderregierung schlucken, weil es angeblich keine Alternative gibt? Haben sie nicht zum Verlust von Hunderttausenden, wenn nicht gar von über
einer Million Wählerstimmen für Bundeskanzler Schröder geführt?
Was falsch ist an seiner Politik, erklären Labour-Linke wie der Abgeordnete Kelvin
Hopkins in ihrer pragmatischen Sprache so: »Wenn das Niedrighalten der Löhne und die Verarmung der Arbeitenden der Weg zu höherem
Wirtschaftswachstum wäre, dann hätten die Bananenrepubliken bereits vor Jahren die westlichen Demokratien überholt. Es sind aber genau
diese Demokratien mit starken Gewerkschaftsbewegungen und hohen Löhnen, die am schnellsten gewachsen sind … Warum also wollen unsere
›modernen‹ Führer unseren modernen Wohlfahrtskapitalismus aufgeben und uns ins 19.Jahrhundert zurückstoßen?«
Nachdem Kanzler Schröder in der Financial Times eine maßvolle Tarifpolitik von
der IG Metall, etwa wie bei der Chemiegewerkschaft IG BCE, anmahnte, hat der Hamburger IGM-Bezirksleiter Frank Teichmüller erklärt: Er sei
dagegen, »dass nun jeder Hans und Franz , auch wenn es der Bundeskanzler ist, uns Ratschläge geben soll … Uns wäre daran gelegen,
dass er seinen Laden aufräumt. Wir werden dasselbe bei uns tun müssen.« Die IG Metall müsse damit leben, dass eine
Auseinandersetzung im Vorstand mit einem Patt ausgegangen sei. Teichmüller, der bereit ist, als Vorsitzender der IG Metall zu kandidieren, es aber
ablehnt, mit Peters im Vorstand zu sein, hat auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer zurechtgestoßen, weil sie vor einer
Lähmung der Gewerkschaften warnte.
Seltsamerweise sind jedoch weder die »Traditionalisten« noch die
»Modernisierer« auf Oskar Negts Mahnung eingegangen, dass Gewerkschaften eine Gesellschaftsutopie brauchen. Er nannte in einem Interview das
Streikrecht den »Lebensnerv freier Gewerkschaften« und fügte hinzu:
»Wir kennen ja Gesellschaftsordnungen, in denen Gewerkschaften zugelassen, aber
Streiks verboten sind. Wollen die Streikrechtsgegner jene untergegangene Welt des Ostblocks wieder herstellen, wo Gewerkschaften nur
Loyalitätslieferant für Staat und Industrie waren? … Gerade dieser abgebrochene Streik kann jetzt zum Anlass genommen werden, über
viele Dinge nachzudenken. Wenn die Gewerkschaften sich nicht komplett auf neoliberale Realitätsdefinitionen einlassen wollen und das
hieße, immer nur reagieren! , dann müssen sie ihren Begriffshorizont und damit die Instrumente ihrer Politik erweitern. Dazu gehört
ganz zweifellos ein Mehr an gesellschaftlicher Verantwortung und ein klarer Gestaltungswille. Gerade für Organisationen, die Solidarität, soziale
Gerechtigkeit und angstfreie Lebensverhältnisse auf ihre Fahnen geschrieben haben, ist der Entwurf einer vernünftigen Gesellschaftsordnung, also
Gesellschaftsutopie, lebensnotwendig.«
Bleibt allerdings noch das Problem eines Übergangsprogramms, das glaubhaft aufzeigt,
wie wir durch gewerkschaftliche Kämpfe den Weg von der kapitalistischen Gesellschaft zu einer sozialistisch-demokratischen frei machen können.
Jakob Moneta
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