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Der Sozialforumsprozess kommt auch in Deutschland in Gang, wenn auch langsam und auf gewundenen Wegen.
Als erstes hat sich Anfang 2002 ein Initiativkreis gebildet, der die deutsche Beteiligung am
Europäischen Sozialforum (ESF) in Florenz organisiert hat. Bis Florenz galten die Sozialforen in Deutschland eher als etwas Exotisches, und wie man
dahin kommt und sich daran beteiligen kann, war eher eine Geheimwissenschaft von wenigen Eingeweihten.
Nach dem enormen Erfolg von Florenz und der unbestreitbaren Urheberschaft der Sozialforen
für die gewaltigen Proteste gegen den Krieg am 15.2. hat sich das geändert. Beim 2.ESF in Paris ist mit einer erheblichen, vierstelligen, deutschen
Beteiligung zu rechnen, darunter vielen Gewerkschaftern. Porto Alegre ist also endlich in der BRD angekommen, das kann man ohne Übertreibung sagen.
Und noch etwas hat sich seit Florenz ereignet: Die Sozialforumsbewegung wird von
zahlreichen Aktiven, Gewerkschaftern wie anderen, als die Chance gesehen, Widerstand zu bündeln. Dies hat sich nach dem Mai nochmals
verstärkt, als die halbherzige und unpolitische Art, wie die Gewerkschaften gegen die Agenda 2010 mobilisiert haben, deutlich gemacht hat, dass sie den
gesellschaftlichen Unmut nicht bündeln werden, obwohl er wächst und obwohl die Gewerkschaften heute organisatorisch die einzige Kraft sind, die
dies könnte. Sie sind es aber nur organisatorisch, und eben nicht politisch. Wieder einmal droht die Gewerkschaftsbewegung vor den Angriffen des
Kapitals und einer drastischen Rechtsentwicklung zu kapitulieren. Da werden die Sozialforen zu einem Strohhalm, der umso wertvoller ist, als sie eine wirkliche
Einheitsfrontstruktur darstellen, die geeignet ist, die alte Schwäche der linken Bewegung in Deutschland, ihr Sektierertum, zu überwinden.
Das Problem dabei ist, dass Hoffnungen auf etwas gesetzt werden, was sich erst noch
entwickeln muss. Seit ihrem Beginn in Porto Alegre im Januar 2001 haben sich die Sozialforen eigentlich von oben nach unten aufgebaut: erst auf Weltebene,
dann kontinental, national und schließlich lokal. In Italien ist die Welle lokaler Sozialforumsgründungen von Genua ausgegangen und war eine
Antwort auf die brutale Repression: in den Wochen danach boten die örtlichen Sozialforen die Strukturen, anhaltende Proteste mit örtlichen
Massendemonstrationen gegen Berlusconi und seinen Polizeistaat zu organisieren.
In Frankreich bilden sich derzeit die örtlichen Foren, um nach Paris zu mobilisieren. Was
die gesellschaftliche Repräsentation angeht, wird man in St. Denis einen Schritt vorwärts kommen: die muslimischen Gemeinden, die insbesondere
in den Pariser Vororten unter den Migranten großes Gewicht haben, werden sich am ESF beteiligen.
In Deutschland läuft der Prozess umgekehrt. Hier blockieren die mächtigen
Gewerkschaftsapparate und die Riege der sog. Linksparteien, die allesamt eine neoliberale Orientierung verfolgen, auf nationaler Ebene einen
Neuformierungsprozess. Attac kann oder will die Rolle des bündelnden Faktors, der das zersprengte, wenngleich nicht kleine gesellschaftliche
Protestpotenzial zusammenführt, nicht spielen.
Also wächst das Neue wieder auf örtlicher Ebene, und zwar aktionsorientiert, als
Protest gegen die drakonischen Einschnitte, die die Kommunen derzeit in die Haushalte vornehmen. Formal ähnelt das den zahlreichen Bündnissen
gegen Sozialabbau, die es schon so oft in der Vergangenheit auf örtlicher Ebene gegeben hat und die alle wieder eingegangen sind. Aber diesmal gibt es
einen qualitativen Unterschied: Wir sind Teil einer internationalen Bewegung gegen den Neoliberalismus und haben deshalb Teil an den Erfolgen und
Niederlagen, die es in anderen Ländern gibt.
Das verschafft uns größeren Spielraum. Aber die Zeit läuft uns davon. In
Anbetracht der dramatischen Niederlage der IG Metall und der noch unübersehbaren Konsequenzen für die sozialen Bewegungen ist es von
größter Wichtigkeit, dass eine bundesweite Zusammenfassung der bestehenden örtlichen Sozialforen also die Organisierung einer
Gründungskonferenz eines Sozialforums in Deutschland beschleunigt wird. Sie würde wiederum die Bildung zahlreicher neuer
örtlicher Sozialforen beschleunigen.
Angela Klein
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