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Der erste Versuch der im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften, die Leiharbeit branchenübergreifend und
flächendeckend tariflich zu regeln und dabei den von ihnen hochgehaltenen Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« umzusetzen,
ist in einem tarifpolitischen Desaster geendet. Dessen Folgen werden auch alle diejenigen zu spüren bekommen, die morgen als Arbeitslose in eine
PersonalServiceAgentur (PSA) verpflichtet werden.
Ein zentraler Vorschlag der Hartz-Kommission bestand bekanntlich in der massiven
Ausweitung der Leiharbeit. Die ersten Gesetze, die die Bundesregierung nach ihrer Wiederwahl aus den Hartz-Vorschlägen abgeleitet hat, sahen eine
weitgehende Deregulierung der Leiharbeit vor, wie von den Unternehmen seit langem gefordert (vor allem die unbefristete Entleihmöglichkeit). Allerdings
schrieb die Regierung auch ein vermeintliches Zugeständnis an die Gewerkschaften in das Gesetz: den Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit«. Der DGB hatte dies immer gefordert und zeigte sich entsprechend erfreut. Hartz hingegen protestierte gegen die »Verwässerung
seiner Ideen«, und durch die Leiharbeitsbranche ging ein lauter Aufschrei.
Doch das Gesetz hatte einen entscheidenden Haken: Per Tarifvertrag konnte von dem
Grundsatz nach unten abgewichen werden; in der Diskussion waren damals zunächst nur »Abschläge« für Langzeitarbeitslose.
Die Zeitarbeitsunternehmen, die bis dahin zentralen Tarifverhandlungen ablehnend
gegenübergestanden hatten, wurden dadurch an den Verhandlungstisch gebracht, dass ihnen gedroht wurde, den gesetzlich vorgesehenen
Gleichbehandlungsgrundsatz zum Tragen zu bringen, sollten sie keinen Tarifvertrag zustande bringen. Aus diesem Grund hoffte auch der DGB, ein halbwegs
achtbares Ergebnis zu erzielen. Allerdings litt seine Verhandlungsposition von vornherein darunter, dass die versammelten DGB-Gewerkschaften im Bereich der
Leiharbeit mangels Verankerung kaum arbeitskampffähig sind; auch war klar, dasss die Leiharbeitsfirmen den Gleichheitsgrundsatz auf jeden Fall kippen
wollten.
Das Lager der Zeitarbeitsunternehmen war gespalten. Der von Großunternehmen der Branche wie Adecco und Randstad dominierte Bundesverband
Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) war bereit, durch »Branchenzuschläge« zumindest begrenzt die Leiharbeitsentgelte an die der
Entleihbetriebe anzunähern; der mittelständisch dominierte Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) lehnte dies kategorisch ab.
Er verweigerte sich auch einem tariflichen Eckpunktepapier zwischen DGB und BZA, das im Februar noch einen Stundenlohn von 11 Euro für
»einfache Facharbeit, die keine Zusatzkenntnisse oder Erfahrung erfordert« und zusätzliche Branchenzuschläge ankündigte.
Verschärfend kam hinzu, dass ein regionaler Zusammenschluss von Leiharbeitsfirmen
(die Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen INZ) im Februar umfassende Tarifverträge mit dem Christlichen
Gewerkschaftsbund (CGB) abschloss. Die DGB-Gewerkschaften protestierten gegen die Schmuddeltarife und kündigten an, dem CGB gerichtlich die
Tariffähigkeit absprechen zu lassen.
Doch der christliche Tarifvertrag entfaltete seine Wirkung. Jetzt war ein Tarifvertrag da und
somit eine Möglichkeit, gleichen Lohn zu vermeiden. Gerichtliche Auseinandersetzungen würden einige Jahre dauern, und es war keineswegs
garantiert, dass der DGB sich durchsetzen würde. Entsprechend verabschiedete sich der BZA wieder von seinen bereits gemachten Zugeständnissen
und setzte nun die Verhandlungskommission des DGB unter Druck: sie sollte nicht nur den Gleichheitsgrundsatz fallen lassen, sondern auch das eben erst
gemeinsam skizzierte Entgeltschema nach unten korrigieren.
Der DGB musste sich entscheiden, die Verhandlungen abzubrechen oder nachzugeben. Er
entschied sich für das zweite und verabschiedete sich damit vom Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« und zwar
soweit, dass auch die IGZ wieder in separate Verhandlungen einstieg. Mit beiden Verbänden hat der DGB nun Tarifverträge vereinbart, die
Anspruch auf bundesweite Wirkung haben. Er hat zwei unterschiedlich lang laufende Manteltarifverträge abgeschlossen, die in Einzelheiten durchaus
Unterschiede aufweisen. Mit dem BZA will der DGB bis Oktober 2004 Verhandlungen über Branchenzuschläge aufnehmen; gegenüber der
IGZ konnte er eine solche Verpflichtung nicht durchsetzen.
Der Grundsatz »Gleicher Lohn« ist damit endgültig vom Tisch. Ohne
vorhergehende Diskussion hat der DGB eine Kehrtwende von der Bekämpfung der Leiharbeit hin zu ihrer Akzeptanz vollzogen. Alle
Einzelgewerkschaften des DGB haben das unterschrieben. Dabei handelt es sich bei der Leiharbeit um einen Bereich, in dem bereits Hunderttausende arbeiten
und dessen Tarife via PSA morgen vielleicht schon für viele Stammbeschäftigte von heute gelten müssen. Was bleibt, ist die Beteiligung des
Betriebsrats bei der Einstellung von Leiharbeitern nach §99 BetrVG. Außerdem können Teilbetriebsversammlungen für die im Betrieb
befindlichen Leiharbeiter abgehalten werden. Leiharbeiter können sich an Betriebsratswahlen beteiligen, können aber nicht selbst kandidieren.
Aus: Express, Nr.67, 2003.
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