SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2003, Seite 16

»Wir zahlen den Preis für Polens EU-Beitritt«

Interview mit Ewa Hinca

Was hat euch auf die Idee gebracht, in Polen ein Sozialforum zu gründen?

Ewa Hinca: Uns hat vor allem das Europäische Sozialforum in Florenz inspiriert, das war für uns eine ungeheuerliche Erfahrung, so etwas haben wir bisher noch nie kennengelernt. Wir dachten vorher, wir stünden mit unseren sozialen Problemen völlig alleine da. Aber wir haben gesehen, dass jedes Land für diese Rechte kämpft, und dass es auch anderswo nicht gut bestellt ist.

Und was hat euch auf die Idee gebracht, nach Florenz zu gehen?
Einen Monat vor Florenz fand in Kattowitz ein erstes Schlesisches Sozialforum statt; dort haben wir uns alle getroffen und man hat uns eingeladen, nach Florenz zu kommen. Ich habe die Einladung zur Kenntnis genommen, aber nicht daran geglaubt. Wo hätte das Geld für die Reise herkommen sollen, wie hätten wir dorthin kommen sollen, das war für mich alles unvorstellbar. Ihr dürft euch nicht wundern über das, was ich sage, leider dreht sich alles um Geld. Wer reicht euch die Hand, um eure Reise zu finanzieren? Die erste Frage, die man uns gestellt hat, als wir aus Florenz zurückkamen, war: Mit welchem Geld seid ihr dorthin gefahren? Wer hat euch das Mandat gegeben, etwas zu repräsentieren?

Mit welchem Geld seid ihr denn nach Florenz gefahren?

Mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds…

Gibt einen politischen Platz für ein Sozialforum in Polen?

Ja, es gibt eine Nachfrage. Unter den Einladungen, die ich für dieses Sozialforum in Pommern geschrieben habe, befanden sich auch Leute, die ich nicht kannte, aus anderen Regionen. Sie haben alle gesprochen und ich bin sehr froh, weil sie gesagt haben, was sie auf der Seele hatten. Sie haben über ihre Lage gesprochen, die manchmal schrecklich ist. Wir haben unsere Adressen ausgetauscht, und sie waren voller Bewunderung für dieses Sozialforum. Vielleicht kann das nächste Sozialforum in der Wojwodschaft Lubuski, zwischen Posen und Frankfurt an der Oder abgehalten werden. Dann werden wir Busse auftreiben und zahlreich zu ihnen kommen, weil wir wissen, dass es sich lohnt, miteinander zu reden…

Was wollt ihr mit dem Sozialforum aufbauen? Glaubt ihr, dass es nützlich sein kann für die Mobilisierung, und für welche Mobilisierung?

In Polen werden ständig Gesetze verletzt, die in der Verfassung verankert sind. In Florenz und auch auf dem Vorbereitungstreffen in Berlin für das Europäische Sozialforum II habe ich gelernt, dass es auch in der Europäischen Verfassung, die derzeit erarbeitet wird, keine sozialen Recht geben wird.
Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Wir werden den Preis für den EU-Beitritt Polens zahlen müssen. Viele Leute werden ohne Arbeit bleiben oder ihre Arbeit verlieren. Wir müssen uns zusammenschließen und gegen dieses Regime Widerstand leisten, weil es sich gegen die Interessen der Menschen stellt. Wir müssen uns allen unseren europäischen Nachbarn anschließen, die für dieselben Rechte kämpfen. Wir müssen uns zusammenschließen hinter der Losung: Eine andere Welt ist möglich. Auch ein anderes Polen ist also möglich.
Einer der teilnehmenden Kollegen am Sozialforum hat mir nachher gesagt: Wir haben wirklich eine kalte Dusche bekommen, wie man uns erzählt hat, was diese Europäische Union ist und was in der neuen Verfassung für uns vorbereitet wird.

Ewa Hinca ist Geschäftsführerin der Föderation der Komitees zur Verteidigung der Erwerbslosen in Pommern. Das Interview führte Angela Klein.



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