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Achtzig Gendarmen kamen kurz vor 6 Uhr in der Frühe mit einem Hubschrauber, mit schusssicheren Westen und
schwerer Bewaffnung, um ihn aus dem Bett zu ziehen und in eine 100 Kilometer entfernte Haftanstalt zu befördern. Wir schreiben Sonntag, 22.Juni 2003,
auf einem Schafzüchterhof in Potensac, auf dem französischen Larzac-Massiv: dem von José Bové.
Bové ist seit 1999 das wohl bekannteste Gesicht der französischen
linksalternativen Bauerngewerkschaft, der Confédération paysanne (CP), wo er Sprecher für internationale Kontakte ist. Aufgrund zweier
Gerichtsurteile, die in Montpellier gegen ihn gefällt wurden, soll er für zehn Monate hinter Gitter als Strafe für öffentliche
Aktionen, die sich gegen genetisch manipulierte Nahrungsmittel richteten.
Die CP ist seit einigen Jahren zur großen Herausfordererin des konservativen bzw. reaktionärenLobbybauernverbands FNSEA geworden. Bei
den letzten Wahlen zu den Landwirtschaftskammern, im Januar 2001, erhielt die CP landesweit knapp 28% der Stimmen, während der frühere
Quasimonopolverband die FNSEA auf einen historischen Tiefstwert von 53% der Stimmen fiel. Das hätte man sich seitens der FNSEA,
die lange Zeit durch ihre Stellung etwa in den landwirtschaftlichen Genossenschaftsbanken, die über Kredite an Bauern entscheiden, und den
Landwirtschaftskammern - eine kaum zu umgehende materielle Vormachtstellung inne hatte, früher nicht träumen lassen.
Die CP ging 1987 aus dem Zusammenschluss zweiter linker Vorläuferorganisationen,
darunter die Paysans travailleurs des Bernard Lambert, hervor. Von Anfang an hatte sie ein stark internationalistisches Profil und knüpfte Kontakte zu
bäuerlichen Organisationen gerade auch in der Dritten Welt. Heute ist sie Mitglied im internationalen Dachverband Via Campesina.
Während die FNSEA oft geht es darum, Lobbyinteressen (etwa das Verlangen
nach Subventionen auch für intensive und Umwelt zerstörende Produktion) durchzusetzen vor roher Gewalt und Zerstörungsaktionen
nicht zurückscheute, machte die CP eher durch »Nadelstichaktionen« auf sich aufmerksam. Es handelt sich um weit weniger brutale, aber
dafür öffentlichkeitswirksame Aktionen, durch die auf breitere, v.a. weltwirtschaftliche Zusammenhänge aufmerksam gemacht werden soll.
Die zeitlich jüngste Verurteilung von José Bové aus dem Jahr 2001 (die am
26.Februar dieses Jahres in Montpellier bestätigt wurde) erfolgte bspw. wegen einer Aktion gegen genmanipuliertes Saatgut, die im Zusammenspiel mit
indischen Bauern die gegen die Praktiken von Agrarmultis in ihrem Land protestieren und sich auf einer Tour durch Europa befanden
durchgeführt worden war. Französische und indische Aktivisten hatten damals, 1998, gemeinsam gut 3000 genmanipulierte Reissetzlinge beim
Forschungszentrum CIRAD fein säuberlich ausgerissen. Wie sich im Laufe des Gerichtsprozesses herausstellte, hatten die Leiter des Forschungszentrums
keinerlei Gefahrenstudie etwa bezüglich der möglichen Verbreitung von Pollen der genmanipulierten Pflanzen vorgenommen, vielmehr hatten sie
die Risiken mit geradezu sträflichem Leichtsinn behandelt.
Mehrere Dutzend Forscher, darunter viele vom CIRAD selbst, haben übrigens
jüngst mittels einer Petition von Juni 2003 die Freilassung von Bové gefordert. Ihm wird zugute gehalten, dass er durch seine Aktionen die Debatte
um die Gefahren gentechnisch manipulierter Pflanzen und Nahrungsmittel vorangebracht habe.
Es ist hingegen blanker Unsinn, wenn eine Autorin der Jungle World (vom 9. Juli 2003)
behauptet, Bové habe »Genmais- und Reisfelder angezündet«. Das haben nicht einmal die Strafverfolgungsbehörden behauptet.
Mit welchen gemeingefährlichen Mitteln gehen französische soziale Bewegungen denn, nach Ansicht der Autorin, im Allgemeinen vor? Nehmen sie
Waldbrände und unkontrollierte Feuersbrünste in Kauf? Es muss sich nach Auffassung der Verfasserin die zudem fälschlicherweise
behauptet, die CP vertrete protektionistische Positionen zur EU-Landwirtschaft, was völlig unzutreffend ist um ebenso hirn- wie
rücksichtlose Idioten handeln. Dieses Bild hat aber mit der Wirklichkeit nichts gemeinsam. Die CP hat ihre Aktionen stets vorher angekündigt,
öffentlich (und ohne Allgemeingefährdung) durchgeführt, und ihre Ziele rational determiniert.
Zudem hat die linke Bauerngewerkschaft, in scharfem Gegensatz zum reaktionären
Lobbyverband FNSEA, niemals protektionistische Positionen vertreten, die auf Kosten der Dritten Welt gehen würden. Ganz im Gegenteil hat sie stets das
EU-Modell einer hoch subventionierten, produktivistischen und auf Export ausgerichteten Agrarwirtschaft oder -industrie denunziert, und deren fatale
Konsequenzen für die Produzenten in der Dritten Welt öffentlich unterstrichen und angeprangert. Die CP tritt für
»Ernährungssouveränität« ein, was aber keineswegs (wie manche deutschen Linken unterstellen) eine Forderung zum Schutz der
bestehenden EU-Agrarindustrie gegen die US-amerikanische ist sondern vielmehr eine zum Schutze der Produzenten in der Dritten Welt, gegen die EU
wie gegen die USA.
In diesem Sinne hat die CP bei den verschiedenen Gerichtsprozessen gegen ihre Aktiven
namentlich gegen Bové stets zahlreiche Zeugen aus Afrika, Asien und Lateinamerika geladen, die vom Agieren europäischer und
nordamerikanischer Agrarkonzerne dort berichteten. Stets hat die CP sich auch mit den in Frankreich als »illegale« Immigranten lebenden (und
für ihre »Legalisierung« kämpfenden) Sans papiers, von denen viele aus solchen und ähnlichen Gründen aus
Ländern wie Mali und Senegal kamen, offensiv solidarisiert.
Bernhard Schmid, Paris
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