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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2003, Seite 20

Änderungen einer Lebensform

Gisela Notz, Familien. Lebensformen zwischen Tradition und Utopie, Neu-Ulm: AG SPAK, 2003, 75 Seiten, 7 Euro.

Über die Kultur des Zusammenlebens der Menschen jenseits der traditionellen Familie ist nicht so viel geschrieben worden, und Gisela Notz knüpft in ihrem neuesten Buch an ihre Untersuchungen seit vielen Jahren an: was hat sich wirklich verändert an Einstellungen und Verhaltensweisen? Der Trend zurück zur Kleinfamilie in Deutschland erweist sich als Konstrukt der Arbeitslosigkeit, die der Frau die sich entwickelnde Selbständigkeit im Erwerbsleben streitig macht. Gisela Notz hat schon vor Jahren das traditionelle Rollenverhalten untersucht, das mit der Geburt von Kindern einherkommt. Die Politik hat bisher nicht dazu beigetragen, dass Kinderwunsch und Berufswunsch bei Frauen besser vereinbart werden können. Mit steigender Arbeitslosigkeit werden »Normalarbeitsverhältnis« und »Normalfamilie« immer wieder als Ziel von Konservativen aufgestellt, haben aber längst ihre Berechtigung verloren und Alternativen müssen gefunden werden.
Gisela Notz bringt Zahlen, die beweisen, dass ein immer größerer Teil der Gesellschaft außerhalb der Familie im traditionellen Sinn — zwei Eltern und Kind(er) — lebt, dass aber Politik und Wirtschaft darauf nicht so reagieren, dass sie dies unterstützen. Immer noch werden den Frauen die Familienarbeit und den Männern die Berufsarbeit zugeordnet. Steuerpolitik und vor allem die neuen Hartz-Reformen mit ihren Mini-Jobs benachteiligen insbesondere Frauen, selbstständig erwerbstätig und nicht auf andere Einkommen angewiesen zu sein. Die Armutsfalle ist für Frauen eher größer geworden!
Aber das Büchlein — 70 gut zu lesende Seiten passen prima zu einer mittleren Bahnfahrt und in jedes Bücherregal — bringt nicht nur Kritik an rückschrittlichen Vorstellungen und Verhaltensweisen (insbesondere von Männern), sondern enthält auch Beispiele über andere Formen des Zusammenlebens, die optimistisch stimmen. Da ist die junge Frau, in einer Kommune mit mehr Menschen als Vater und Mutter aufgewachsen, zur Selbstständigkeit besser vorbereitet als viele andere, bis hin zur alten Frau, die räumlich getrennt von ihrer Familie im Hotel wohnt und glücklich ihr Leben gestalten kann.
Zu wenige solcher Beispiele machen die Runde, um anderen Menschen zu erklären, dass es jenseits der traditionellen Kleinfamilie oder der Einsamkeit auch Möglichkeiten gibt, die bewusst »erlebt« werden können.
Das Buch weist darauf hin, dass Privates und Politisches — wie die 68er ebenfalls erkannten — nicht getrennt werden können. Zwischen Tradition und Utopie ist klar, dass Gisela Notz für die gelebte Utopie plädiert.

Rolf Euler

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