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Die UNO hat das Jahr 2003 zum Jahr des Wassers erklärt, womit bereits angedeutet wird, dass sich viele Länder in
einer akuten Wasserkrise befinden, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zuspitzen wird. Bereits heute gibt es
eine massive Ungleichverteilung des Wassers auf unserem Planeten.
Während die Reicheren in den G7-Staaten, vor allem in den USA, äußerst
verschwenderisch mit Wasser umgehen und teilweise eine halbe Million Liter pro Kopf und Jahr verbrauchen, haben Milliarden von Menschen nicht einmal jene
1500 Liter zur Verfügung, die als jährliches Minimum gelten. Ein Durchschnittsamerikaner verbraucht 1280 Kubikmeter im Jahr, ein
Durchschnittsafrikaner jedoch nur 186.
Der größte Teil der Vorräte an Südwasser ist im Norden konzentriert;
gut eine Milliarde Menschen, die vor allem in der Dritten Welt leben, haben keinen Zugang zu sauberem fließenden Wasser. Das führt dazu, dass
jährlich mindestens 5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben müssen, weil sie durch das Fehlen von Wasser oder durch schmutziges
Wasser erkranken. Dies zeigt die Bedeutung des Wassers als des wichtigsten Lebensmittels des Menschen.
In ihrem Buch Blaues Gold beschreiben die beiden Kanadier Maude Barlow und Tony Clark,
die beide einer internationalen Bürgerrechtsbewegung zum Schutz des Wassers angehören, die aktuelle Situation der Ungleichverteilung des
Wassers, der Zunahme des Wassermangels und der »heißen Flecken« infolge einer extensiven, das Grundwasser übernutzenden
Landwirtschaft und Industrie, sowie die Folgen einer Politik der Waldabholzungen und des überhandnehmenden Baus von Staudämmen.
Besonders dramatisch entwickelt sich das Wasserproblem in den beiden volkreichsten
Ländern der Erde, in China und Indien, wo eine Politik rascher Industrialisierung zu einem gigantischen Raubbau an den Ressourcen und vor allem am
Wasser geführt hat.
Im zweiten Teil des Buches kommen die Autoren auf die kapitalistische Globalisierung zu
sprechen, die auch das Wasser zu einem Objekt der Begierde gemacht hat, denn der zu erwartende Umsatz mit dem köstlichen Nass wird auf
gegenwärtig 400 Milliarden Dollar geschätzt.
Vandana Shiva spricht in ihrem Buch Der Kampf um das Blaue Gold sogar von einem
Potenzial von einer Billion Dollar. Da die multilateralen Unternehmen dabei seien, den ganzen Globus auf der Suche nach profitablen
Anlagemöglichkeiten zu durchkämmen, sei es nicht verwunderlich, dass inzwischen die öffentlichen Dienstleistungen und die
»Gemeinschaftsgüter« in ihr Visier geraten sind. »Gerade die Kommerzialisierung des Wassers stellt einen Frontalangriff auf das
Konzept der Gemeinschaftsgüter dar.«
Bei dieser Politik werden die Multis auf vielfältige Weise von den internationalen
Organisationen Weltbank, IWF und WTO unterstützt, die wichtige Agenten der Durchsetzung des »Washingtoner Konsenses« (der Bibel der
neoliberalen Ideologen) von 1990 sind, durch den die Forderung nach einer umfassenden Deregulierung des Handels, der Investitionen und der
Finanzmärkte zur »offiziellen Ideologie der neuen Weltordnung« geworden ist. Es entstehen bereits Fonds, um riesige Pipelineprojekte zu
finanzieren, damit Wasser rund um den Globus an eine zahlungskräftige Schicht von Globalisierungsgewinnern geschickt werden kann. Besonders
deutlich sind angesichts der Erschöpfung zahlreicher Aquiferen wegen immer umfangreicherer Tiefenbohrungen im Mittleren Westen die Begierden der
USA, im Rahmen der NAFTA an die großen Wasserressourcen des kanadischen Nachbarn zu gelangen. Heute sind es erst 5% der Weltbevölkerung,
die von kommerziellen Unternehmen mit Wasser beliefert werden, was bei den Wassermultis zu enormen Erwartungen für die Zukunft führt.
Ausführlich beschäftigt sich das Buch mit den »Großen des
Wassergeschäfts« und der intensiven Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik bei der Durchsetzung des jeweiligen
»Standortvorteils«. Der Weltmarkt des Wassers wird von zehn Konzernen beherrscht, wobei die Europäer eine führende Stellung
einnehmen. Die beiden »Wassertitanen« sind die Multis Suez und Vivendi mit Sitz in Frankreich; Suez ist in 130 Ländern, Vivendi in
über 90 Ländern der Erde aktiv. Von den 30 Wasserkonzessionen, die seit Mitte der 90er Jahre von Großstädten vergeben wurden, sind
allein 20 an Suez gegangen.
Nun gibt es aber eine zweite Gruppe von fünf Konzernen, die angetreten sind, mit den
Titanen den Kampf aufzunehmen: Bouygues-SAUR, RWE-Thames Water, Bechtel-United Utilities, sowie jedenfalls bis zur Pleite Enron-
Azurix. Schließlich gibt es eine dritte Gruppe von kleineren Konzernen, die (noch) nicht über die Marktmacht verfügen, es mit den weltweit
agierenden Riesen aufzunehmen, die aber dennoch über beachtliche internationale Kapazitäten und Erfahrung verfügen, darunter das
»britische Trio« Severn Trent, Anglian Water und die Kelda Group; hinzu kommt die American Water Works Company, die sich jüngst durch
die Übernahme von Azurix aus der Enron-Pleite deutlich gestärkt hat.
Auch der deutsche Konzern RWE (von E.on wird nicht gesprochen) hat durch die
Übernahme von Thames Water »sein Tätigkeitsfeld nicht nur um Großbritannien und Australien erweitert, sondern auch um
Länder in Asien, im Nahen Osten, Lateinamerika und Osteuropa«. Aber auch Getränkekonzerne, allen voran Coca-Cola und Pepsi, versuchen
mit aller Macht ihren Anteil am massiv wachsenden Markt für Flaschenwasser auszudehnen.
Der dritte Teil des Buches behandelt die Gegenwehr gegen die Privatisierung der
Wasserversorgung, die einen vorläufigen Höhepunkt mit dem Kämpfen im bolivianischen Cochabamba und in Grenoble erreicht hat. Sie ist
Teil der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung. Ein Programm von »10 Prinzipien« fasst die wesentlichen Forderungen für eine
sozial gerechte und nachhaltige Wasserversorgung zusammen. Insgesamt ein äußerst informatives Sachbuch, das alle wichtigen Aspekte der
Problematik mit zahlreichen Detailinformationen unterlegt behandelt.
Vandana Shivas Buch beschäftigt sich ebenfalls mit der Wasserkrise und der Politik der
Multis in Verbindung mit den internationalen Finanzorganisationen; ihr Ausgangspunkt sind jedoch vor allem die indischen Erfahrungen der Zerstörung
der Subsistenzwirtschaft durch den eindringenden Kapitalismus und den Staat. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit den Kämpfen zur
»Kolonisierung von Flüssen«, also Staudämmen und Zwangsumsiedlungen, und dem Widerstand einer bäuerlichen
Bevölkerung. Sie stellt dar, wie die »Errungenschaften der Grünen Revolution« sich mehr und mehr in eine riesige Hypothek für
die Zukunft verwandeln, weil Monokulturen und Wasser aus Tiefenbrunnen zur Versteppung und Versalzung der Böden führen.
Shiva behauptet, dass die alten Systeme der Wassernutzung und -verteilung in Indien den
modernen Methoden weit überlegen gewesen seien: »Im traditionellen Indien wurde eine angemessene und zukunftssichere Wasserversorgung unter
Bedingungen niedriger saisonaler Niederschläge durch die Umsetzung althergebrachten ökologischen Wissens, technologische Sachkenntnis und
eine Kultur des sparsamen Wasserverbrauchs ermöglicht.« Sicherlich muss man Shivas Plädoyer für einen sparsamen,
ökologischen und nachhaltigen Umgang mit der knappen Ressource Wasser beipflichten, doch ihre Idealisierung der einheimischen Subsistenzwirtschaft
(Kapitel über den »heiligen Ganges«) bereitet Probleme.
Paul B. Kleiser
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