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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2003, Seite 21

Der Kampf ums Wasser

Maude Barlow/Tony Clarke, Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser, München: Verlag Antje Kunstmann, 2002, 336 S., 24,80 Euro
Vandana Shiva, Der Kampf um das Blaue Gold. Ursachen und Folgen der Wasserverknappung, Zürich: Rotpunktverlag, 2003, 216 S., 17,50 Euro

Die UNO hat das Jahr 2003 zum Jahr des Wassers erklärt, womit bereits angedeutet wird, dass sich viele Länder in einer akuten Wasserkrise befinden, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zuspitzen wird. Bereits heute gibt es eine massive Ungleichverteilung des Wassers auf unserem Planeten.
Während die Reicheren in den G7-Staaten, vor allem in den USA, äußerst verschwenderisch mit Wasser umgehen und teilweise eine halbe Million Liter pro Kopf und Jahr verbrauchen, haben Milliarden von Menschen nicht einmal jene 1500 Liter zur Verfügung, die als jährliches Minimum gelten. Ein Durchschnittsamerikaner verbraucht 1280 Kubikmeter im Jahr, ein Durchschnittsafrikaner jedoch nur 186.
Der größte Teil der Vorräte an Südwasser ist im Norden konzentriert; gut eine Milliarde Menschen, die vor allem in der Dritten Welt leben, haben keinen Zugang zu sauberem fließenden Wasser. Das führt dazu, dass jährlich mindestens 5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben müssen, weil sie durch das Fehlen von Wasser oder durch schmutziges Wasser erkranken. Dies zeigt die Bedeutung des Wassers als des wichtigsten Lebensmittels des Menschen.
In ihrem Buch Blaues Gold beschreiben die beiden Kanadier Maude Barlow und Tony Clark, die beide einer internationalen Bürgerrechtsbewegung zum Schutz des Wassers angehören, die aktuelle Situation der Ungleichverteilung des Wassers, der Zunahme des Wassermangels und der »heißen Flecken« infolge einer extensiven, das Grundwasser übernutzenden Landwirtschaft und Industrie, sowie die Folgen einer Politik der Waldabholzungen und des überhandnehmenden Baus von Staudämmen.
Besonders dramatisch entwickelt sich das Wasserproblem in den beiden volkreichsten Ländern der Erde, in China und Indien, wo eine Politik rascher Industrialisierung zu einem gigantischen Raubbau an den Ressourcen und vor allem am Wasser geführt hat.
Im zweiten Teil des Buches kommen die Autoren auf die kapitalistische Globalisierung zu sprechen, die auch das Wasser zu einem Objekt der Begierde gemacht hat, denn der zu erwartende Umsatz mit dem köstlichen Nass wird auf gegenwärtig 400 Milliarden Dollar geschätzt.
Vandana Shiva spricht in ihrem Buch Der Kampf um das Blaue Gold sogar von einem Potenzial von einer Billion Dollar. Da die multilateralen Unternehmen dabei seien, den ganzen Globus auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten zu durchkämmen, sei es nicht verwunderlich, dass inzwischen die öffentlichen Dienstleistungen und die »Gemeinschaftsgüter« in ihr Visier geraten sind. »Gerade die Kommerzialisierung des Wassers stellt einen Frontalangriff auf das Konzept der Gemeinschaftsgüter dar.«
Bei dieser Politik werden die Multis auf vielfältige Weise von den internationalen Organisationen Weltbank, IWF und WTO unterstützt, die wichtige Agenten der Durchsetzung des »Washingtoner Konsenses« (der Bibel der neoliberalen Ideologen) von 1990 sind, durch den die Forderung nach einer umfassenden Deregulierung des Handels, der Investitionen und der Finanzmärkte zur »offiziellen Ideologie der neuen Weltordnung« geworden ist. Es entstehen bereits Fonds, um riesige Pipelineprojekte zu finanzieren, damit Wasser rund um den Globus an eine zahlungskräftige Schicht von Globalisierungsgewinnern geschickt werden kann. Besonders deutlich sind angesichts der Erschöpfung zahlreicher Aquiferen wegen immer umfangreicherer Tiefenbohrungen im Mittleren Westen die Begierden der USA, im Rahmen der NAFTA an die großen Wasserressourcen des kanadischen Nachbarn zu gelangen. Heute sind es erst 5% der Weltbevölkerung, die von kommerziellen Unternehmen mit Wasser beliefert werden, was bei den Wassermultis zu enormen Erwartungen für die Zukunft führt.
Ausführlich beschäftigt sich das Buch mit den »Großen des Wassergeschäfts« und der intensiven Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik bei der Durchsetzung des jeweiligen »Standortvorteils«. Der Weltmarkt des Wassers wird von zehn Konzernen beherrscht, wobei die Europäer eine führende Stellung einnehmen. Die beiden »Wassertitanen« sind die Multis Suez und Vivendi mit Sitz in Frankreich; Suez ist in 130 Ländern, Vivendi in über 90 Ländern der Erde aktiv. Von den 30 Wasserkonzessionen, die seit Mitte der 90er Jahre von Großstädten vergeben wurden, sind allein 20 an Suez gegangen.
Nun gibt es aber eine zweite Gruppe von fünf Konzernen, die angetreten sind, mit den Titanen den Kampf aufzunehmen: Bouygues-SAUR, RWE-Thames Water, Bechtel-United Utilities, sowie — jedenfalls bis zur Pleite — Enron- Azurix. Schließlich gibt es eine dritte Gruppe von kleineren Konzernen, die (noch) nicht über die Marktmacht verfügen, es mit den weltweit agierenden Riesen aufzunehmen, die aber dennoch über beachtliche internationale Kapazitäten und Erfahrung verfügen, darunter das »britische Trio« Severn Trent, Anglian Water und die Kelda Group; hinzu kommt die American Water Works Company, die sich jüngst durch die Übernahme von Azurix aus der Enron-Pleite deutlich gestärkt hat.
Auch der deutsche Konzern RWE (von E.on wird nicht gesprochen) hat durch die Übernahme von Thames Water »sein Tätigkeitsfeld nicht nur um Großbritannien und Australien erweitert, sondern auch um Länder in Asien, im Nahen Osten, Lateinamerika und Osteuropa«. Aber auch Getränkekonzerne, allen voran Coca-Cola und Pepsi, versuchen mit aller Macht ihren Anteil am massiv wachsenden Markt für Flaschenwasser auszudehnen.
Der dritte Teil des Buches behandelt die Gegenwehr gegen die Privatisierung der Wasserversorgung, die einen vorläufigen Höhepunkt mit dem Kämpfen im bolivianischen Cochabamba und in Grenoble erreicht hat. Sie ist Teil der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung. Ein Programm von »10 Prinzipien« fasst die wesentlichen Forderungen für eine sozial gerechte und nachhaltige Wasserversorgung zusammen. Insgesamt ein äußerst informatives Sachbuch, das alle wichtigen Aspekte der Problematik mit zahlreichen Detailinformationen unterlegt behandelt.
Vandana Shivas Buch beschäftigt sich ebenfalls mit der Wasserkrise und der Politik der Multis in Verbindung mit den internationalen Finanzorganisationen; ihr Ausgangspunkt sind jedoch vor allem die indischen Erfahrungen der Zerstörung der Subsistenzwirtschaft durch den eindringenden Kapitalismus und den Staat. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit den Kämpfen zur »Kolonisierung von Flüssen«, also Staudämmen und Zwangsumsiedlungen, und dem Widerstand einer bäuerlichen Bevölkerung. Sie stellt dar, wie die »Errungenschaften der Grünen Revolution« sich mehr und mehr in eine riesige Hypothek für die Zukunft verwandeln, weil Monokulturen und Wasser aus Tiefenbrunnen zur Versteppung und Versalzung der Böden führen.
Shiva behauptet, dass die alten Systeme der Wassernutzung und -verteilung in Indien den modernen Methoden weit überlegen gewesen seien: »Im traditionellen Indien wurde eine angemessene und zukunftssichere Wasserversorgung unter Bedingungen niedriger saisonaler Niederschläge durch die Umsetzung althergebrachten ökologischen Wissens, technologische Sachkenntnis und eine Kultur des sparsamen Wasserverbrauchs ermöglicht.« Sicherlich muss man Shivas Plädoyer für einen sparsamen, ökologischen und nachhaltigen Umgang mit der knappen Ressource Wasser beipflichten, doch ihre Idealisierung der einheimischen Subsistenzwirtschaft (Kapitel über den »heiligen Ganges«) bereitet Probleme.

Paul B. Kleiser

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