SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2003, Seite 21

Fantômas = Kautsky?

Fantômas, Hamburg: Verlag Analyse & Kritik, 66 Seiten, 4,50 Euro

Im neuen Halbjahresmagazin Fantômas aus Hamburg, »War reloaded — die Globalisierung, die Linke, der Krieg«, der bislang dritten Ausgabe dieses Periodikums, versuchen mehrere Autoren in einer Aufsatzsammlung, Licht ins Dunkel des Irakkriegs, der Nachkriegszeit und der in der Geschichte bisher größten internationalen Antikriegsbewegung zu bringen.
Neben einer kritischen Analyse des Bellizismus der deutschen Sozialdemokraten, die sich erfreulicherweise nicht auf den oft vorgebrachten simplen Verratsvorwurf beschränkt, sondern tatsächlich analysiert, fällt in vielen Artikeln und einer Erklärung der fünfköpfigen Redaktion der positive Bezug auf die Theoretiker Michael Hardt und Antonio Negri auf. In der Logik des Empire gehören die alten Imperialismustheorien Lenins auf den Müllhaufen der Geschichte. Auch die Redaktion von Fantômas sieht das so. Lenins Imperialismustheorie versage »vor der komplexen historischen Realität nahezu vollständig … Deshalb ziehen wir die erst noch zu bewährende Hypothese eines auf die Sicherung des Gesamtprozesses kapitalistischer Globalisierung bedachten Empire den eingeschliffenen, aber längst leerlaufenden Ableitungen eines ›Antiimperialismus‹ vor, für den Kriege, wenn nicht unmittelbar um Öl, dann allein um die geostrategischen Kalküle nationalstaatlicher Raub- und Ausdehnungskonkurrenz geführt werden.«
Doch um was ging es im Irakkrieg? Wurden nicht gerade dort die Spannungen zwischen den mehr oder weniger homogenen Machtblöcken EU und USA deutlich? Trotz allen Streits, so meinen einige Autoren, gehe es um den Ausbau imperialer Souveränität, die beide Machtblöcke gemeinsam verfolgten. Im Interesse des Kapitals, versteht sich, dass in einem deterritorialisierten Weltmarkt ohne nationalstaatliche Bindungen überall die gleichen optimalen Verwertungsbedingungen vorfinden will. Doch trotz aller Freihandelsrhetorik erfreut sich gerade in der EU und den USA der Protektionismus größter Beliebtheit und privilegiert so das nach wie vor nationalstaatlich gebundene Kapital. Und auch in der globalisierten Welt gibt es Grenzen der Profitmaximierung und keine Garantie, dass konkurrierende Machtblöcke nicht aneinandergeraten und die Instrumente ihrer gemeinsam angestrebten imperialen Souveränität über den Haufen werfen — z.B. die Welthandelsorganisation. Schon mehrfach hat die US-amerikanische Lobby gedroht, diesen Vertragsrahmen zu verlassen, sollte er nicht ihren Interessen entsprechen.
Neu sind die Fantômas-Thesen und die ihnen zugrundeliegende Empire-Theorie von Hardt und Negri nicht. Sie erinnern an die »heilige Allianz der Imperialisten«, von der im Ersten Weltkrieg der Sozialdemokrat Karl Kautsky träumte. Er hoffte auf eine gütliche Einigung der Machtblöcke. Diese sollte nach den gewaltigen Entladungen des Ersten Weltkriegs den bisherigen Imperialismus ablösen und dem Wettrüsten ein Ende bereiten. Kautsky wollte deshalb keinen Frieden mit den Imperialisten schließen, meinte nur, die Gefahren lägen nicht mehr in der des Wettrüstens und neuen weltweiten Kriegen. Lenin hat Kautskys Theorie als »verharmlosend« kritisiert und sollte damit Recht behalten. Denn spätestens der Zweite Weltkrieg widerlegte die Theorie von der »heiligen Allianz der Imperialisten«.
Nun haben die Empire-Anhänger der Zeitschrift Fantômas noch keinen Kriegskrediten zugestimm und werden dies nicht tun und mangels gesellschaftlicher Repräsentanz voraussichtlich auch nie tun können. An dieser Stelle gewinnen sie sogar Lenin wieder etwas ab und ziehen eine klare Grenze zu den sog. »linken Bellizisten«, die im Namen des vermeintlichen Fortschritts den US-Krieg gegen den Irak unterstützten. Die Kriegsgegnerschaft ist den Augen der Fantômas-Redaktion eine dogmatisch zu handhabende Minimaldefinition dessen, was »links« ist. Deshalb müsse man sich von diesen sog. Linken trennen.

Gerhard Klas

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang