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Der verstärkt aufflammende Kampf um die Neuaufteilung der Welt ähnelt auch in seinem wabernden
Überbau detailgetreu seinen diversen Voraufführungen. Politiker gleich Lügner, Funktionär gleich Schmarotzer, so des Spießers
stetes Vor- und stets falsches Urteil. Allerdings je heftiger der Streit um die Weltmacht, desto mehr nähert sich die Realität dem Vorurteil an. Das
politische Personal der Bourgeoisie, durch wachsendes Misstrauen des Wahlvolks und die davon eilenden Einkommen der tatsächlich herrschenden
Kapitalsöhne doppelt gebeutelt, muss deshalb aus der Reserve. Je tiefer die Schwelle sinkt, Konflikte und Machtstreben mit Gewalt zu regeln, desto mehr
sind Krakeeler und Schreihälse gefragt, desto mehr wird die vornehme »veröffentlichte Meinung« zur schnöden ideologischen
Mobilmachung.
Dass Bush und Blair jetzt als Lügner entlarvt werden, mag das verbliebene Gewissen der
politischen Elite wie auch des gemeinen Wählers noch einmal aufrütteln und empören, in Wahrheit jedoch geht die Umverteilung von Macht
im Rahmen der gleich bleibenden bürgerlich-kapitalistischen Weltproduktionsverhältnisse nur einher mit der Unwahrheit. So wie die Revolution per
se die Wahrheit liebt, benötigt der Konkurrenzkampf die Lüge. Die Aufweichung des Verbots der vergleichenden Werbung im Mutterland des
deutschen Imperialismus hat somit für die Ökonomie nur vorweggenommen, was die Politik spätestens heute gierig benötigt. Jeder, der
nur einigermaßen die Sinne zusammenhatte, konnte natürlich schon lange wissen, dass die britische und die US-Regierung mit Lügen
operierten, die bereits jenseits des intellektuell Zumutbaren waren. Gegen die Bedrohungsszenarien aus dem Irak und die Al-Qaeda-Verbindung nach Bagdad
waren die Hufeisenplanfantastereien der Herren Scharping und Fischer im Balkankrieg geradezu intellektuelle Wohltaten. Aber die Wahrheit stirbt eben nicht
erst im Krieg, sondern lange zuvor.
Das der italienischen, französischen und natürlich auch deutschen
Regierung gleichfalls vehement umgehängte Lügenmäntelchen passt genau in dieses Bild. Die Kunst der Zuspitzung in der
bürgerlichen Politik heißt eben nicht Aufhebung der Verhältnisse oder wenigstens Radikalisierung in diese Richtung, sondern verlogene,
konservativ-spießige Affirmation. Das zu erkennen, bedurfte es wahrhaftig keines »Lügenausschusses« im deutschen Parlament.
Die Verschmelzung der großbürgerlichen Wirklichkeit mit dem
kleinbürgerlichen Vorurteil vom Lügner und Schmarotzer ist ein nicht lange aufrecht zu erhaltender Zustand, wenn nicht sogar direktes
Krisensymptom der bürgerlichen Herrschaft. Dies umso mehr, wie die bürgerliche Politik zu einem Event der Massenmedien verkommt, oder
wie in Italien gar eine ekelige Symbiose mit den Medien eingegangen ist. Der natürliche Abgang aus solchen Situationen sind die diversen
Formen direkter bürgerlicher Diktatur, die den Umweg über Parlament, Interessenausgleich und sonstigem integrativen Schabernack nicht mehr
für nötig halten. Aber wie immer laufen in solchen Situationen erwünschte und weniger erwünschte Retter auf, die den in imperialer
Pflichterfüllung an die Front eilenden Politiker vor dem Schaden der politischen Zwecklüge bewahren wollen.
Die »Apo der Bourgeoisie« macht deshalb gerade heute mobil. Ihre Namen
ändern sich so z.B. die vom privaten Altana-Konzern und anderen v.a. Pharmafirmen ausgehaltene »Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft« oder der von den üblichen Verdächtigen aus der Spießbürgerbruderschaft jüngst gegründete
»Bürgerkonvent«. Sie sollen in der Etappe für die Glaubwürdigkeit sorgen, die an der Spitze im Kampf um die neue Weltordnung
preisgegeben werden musste. Und die neue Arbeit von Lügnern und Besänftigern fruchtet bisher nicht schlecht: laut jüngster
Spiegel-Umfrage sind satte 97% der Befragten für mehr Disziplin, Höflichkeit und Ordnung im Leben. So wird der stramme Deutsche stramm
gemacht.
Und was bleibt uns? Auch das übliche: wir tragen die Wahrheit von Haus zu Haus und
jagen die Lüge zum Schornstein hinaus…
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