SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2003, Seite 13

Ökonomie, Krise und Krieg

Winfried Wolf, Sturzflug in die Krise. Die Weltwirtschaft, das Öl, der Krieg, Hamburg: Konkret Literatur Verlag 2003, 238 Seiten, 17 Euro.

Winfried Wolf hat in seinem jüngsten Buch die aktuellen weltwirtschaftlichen, politischen und militärischen Vorgänge bündig auf den polit-ökonomischen Begriff gebracht.
Wolf rekapituliert nicht bloß die allgemeinen Krisentendenzen des Kapitalismus in Vergangenheit und Gegenwart mit seinen ständigen Auf und Abs, mit seinen »reinigenden Krisen«, denen nach Marx die Funktion zukommt, durch »momentane, gewaltsame Lösungen der vorhandenen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen ... das gestörte Gleichgewicht für einen Augenblick wiederherzustellen«.
Mit Akribie widmet er sich den besonderen Erscheinungsformen, vor allem dem starken Anstieg der Bedeutung des Faktors Erdöl und seiner Derivate sozusagen als »Schmiermittel« der kapitalistischen Ökonomie. »2001 entfielen rund 55 Prozent des Umsatzes der 200 größten Konzerne der Welt allein auf Konzerne, die ihren Umsatz im wesentlichen mit Ölförderung, Ölverarbeitung, Zulieferung zur Ölindustrie, im Fahrzeugbau, in der Luftfahrt und in der Rüstungsindustrie realisieren. Ihr Gewicht wird sich nach dem Irakkrieg weiter erhöhen.«
Schon in der Vergangenheit spielte das Öl eine beträchtliche Rolle. Und eine Scheitelstelle in dieser Entwicklung stellt der »Ölpreisschock« 1973 dar. »In der Folge stiegen die Gesamteinnahmen der OPEC- Länder erheblich an: von jährlich 23 Milliarden US-Dollar 1972 auf 140 Milliarden Dollar 1977 … Es handelte sich um die größte Strukturverschiebung, die es in Friedenszeiten auf dem kapitalistischen Weltmarkt je gegeben hat«. Retrospektiv artikuliert Wolf Kritik an damaligen Analysen. »So gesehen war es natürlich richtig, wenn marxistische Autoren wie Ernest Mandel und Elmar Altvater sich vehement dagegen wehrten, die Krisen von 1974/75 und 1980—1982 als ›Ölkrise‹ oder ›Energiekrise‹ zu bezeichnen ... Im Rückblick auf diese Jahre und im Vorausblick auf die zukünftige Entwicklung schienen jedoch in diesen Analysen die Faktoren Ölpreis ud Ölimportrechnung zu wenig berücksichtigt worden zu sein.«
Als Ergebnis des 3.Golfkriegs haben die USA den Irak in eine De-facto-Kolonie verwandelt. Die »brave new world« ist die »Neue Weltordnung« unter der Hegemonie der USA. Die Dominanz des auf Öl basierenden kapitalistischen Produktions- und Konsummodells wird verstärkt und die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von der Ressource Rohöl erhöht sich.
Schließlich wurde ein allgemeiner Prozess der Aufrüstung eingeleitet. »Kriege werden von den Regierungen in Washington und London und durchaus auch in Berlin, Paris und anderen Hauptstädten der EU als normales Mittel der Politik verstanden.«
Wolfs Buch ist nicht »einseitig ökonomisch«. Immer wieder wird auf die enge Verzahnung von Wirtschaft und Politik verwiesen. Auch der Krieg gegen den Irak war nicht nur einer um Öl, es geht vielmehr um eine »einzigartige Verknüpfung von geostrategischen, energiepolitischen und wirtschaftspolitischen Interessen«. Und so nebenbei schärft der Enzyklopädist den Blick für wichtige Veränderungen, wie die Tatsache, dass China zum Land mit den meisten westlichen Auslandsinvestitionen wurde oder dass Westafrika bei den US-Ölimporten bereits vor Saudi-Arabien liegt. Kein Wunder daher, dass sich kürzlich Bush auf den schwarzen Kontinent bemühte.
Zu kurz gegriffen scheint mir allerdings, was Winfried Wolf hinsichtlich der aktuellen Globalisierung notiert. »Wirklich neu im gegenwärtigenStadium der kapitalistischen Weltwirtschaft ist weniger das, was gemeinhin als Globalisierung bezeichnet wird ... Wirklich neu ist die Abhängigkeit der kapitalistischen Weltwirtschaft von einem strategischen Rohstoff, dem Öl, die den Zyklus von Krisen mit bestimmt und den Charakter von Kriegen mit prägt.« Mit Recht verweist er auch auf die »fragile Struktur der EU«, dennoch sollten die Bemühungen der europäischen Monopolherrn und ihrer Sprachrohre, sich einen einheitlicheren politischen Überbau zu geben, nicht a priori gering veranschlagt werden.

Hermann Dworczak

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