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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2003, Seite 21

Benny Carter & Compay Segundo †

Am 12.Juli starb die afroamerikanische Jazzlegende Benny Carter im Alter von 95 Jahren. Zwei Tage später starb der afrokubanische Musiker Compay Segundo, berühmt durch den Buena Vista Social Club, ebenfalls 95-jährig. Beide waren noch mit über 90 Jahren musikalisch aktiv und nach Ansicht einiger Kritiker waren diese Jahre ihre künstlerisch besten.
Der Nachruf der New York Times auf Benny Carter charakterisierte seine Karriere als »bemerkenswert sowohl wegen ihrer Dauer als auch der kontinuierlich hohen musikalischen Qualität, von den ersten Aufnahmen in den 20er Jahren bis zu seinen jugendliche Frische ausstrahlenden Improvisationen der 90er Jahre«. Aber seine Leistungen als Aktivist der Bürgerrechtsbewegung sind ebenso bedeutend.
Benny Carter übersiedelte 1943 von New York nach Los Angeles und durchbrach die Rassenschranken in Hollywood, als er der erste schwarze Musiker wurde, der Filmmusik schrieb und arrangierte (und später auch für das Fernsehen komponierte, als dieses Medium aufkam). Wie Martin Luther King war Benny Carter ein friedfertiger, aber effektiver Kämpfer für Bürgerrechte. Mitte der 40er Jahre gewann er einen Rechtsstreit gegen Bestimmungen, die es Schwarzen untersagten, in bestimmten Gegenden von Los Angeles Häuser zu besitzen. Carter war auch eine treibende Kraft bei der Vereinigung der bislang nach Hautfarbe getrennten Abteilung der US- Musikergewerkschaft, was die Präsenz schwarzer Musiker in Studioorchestern stärken half.
Während seiner 75 Jahre dauernden Karriere war Benny Carter äußerst vielseitig. Er spielte Saxophon und Trompete mit einem Lyrismus à la Johnny Hodges oder Cannonball Adderley. Er war auch ein begnadeter Bandleader, Arrangeur und Komponist. Um all diese Talente zu erleben, sollte man die CD Further Definitions hören, die ursprünglich am 13.November 1961 aufgenommen wurde und vielleicht zu den 25 größten Jazzaufnahmen aller Zeiten gehört. Auf dieser CD findet man seine wunderbare Komposition »Blue Star« sowie weitere Jazzklassiker.
Compay Segundo wurde 1907 als Máximo Francisco Repilado Múńoz in der kubanischen Provinz Oriente, einer Hochburg der Musik und des revolutionären Kampfes, geboren. 1942 war er Mitglied des kubanischen Duo Los Compadres. Nachdem er als der zweite (Segundo) Compadre bekannt geworden war, nahm er seinen Künstlernamen an — Compay ist eine Kurzform von Compadre.
Compay Segundo war ein Gitarre spielender Meister des son, einer kubanischen musikalischen Form in der Tradition der trova (Troubadoure). Sie entstand in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Segundos Heimatprovinz. Sie kombiniert spanische Elemente und Instrumente mit afrikanischen Rhythmen.
In den 60er Jahren zog sich Segundo von der musikalischen Bühne zurück, um seinen Lebensunterhalt als Zigarrendreher zu verdienen. Mitte der 80er Jahre verführte ihn der Gitarrist Eliades Ochoa aus Santiago de Cuba, seinen Ruhestand aufzugeben, und Segundo trat dem Cuarteto Patria bei, das Musik im Stil des son aufführte. 1989 besuchten sie das Smithsonian Institute in Washington und wurden später Teil der berühmten Musikergruppe, die der US-Gitarrist Ry Cooder als Buena Vista Social Club versammelte — das gleichnamige Thema von Wim Wenders‘ berühmtem Dokumentarfilm.
Der Nachruf des Londoner Guardian auf Compay Segundo wirft einen interessanten Blick auf sein frühes Leben und seine Langlebigkeit: »Compay führte sein langes Leben auf die Zigarren, die Blumen, den Rum und die Frauen zurück. Seine Großmutter Ma Regina, eine freigelassene Sklavin, die ein Alter von 115 Jahren erreichte, war selbst Zigarrenraucherin, und ihr Enkel war selten ohne eine Zigarre zu sehen. Er betonte die Bedeutung der Liebe und des Tanzes in seinem Leben und genoss die Gerüchte über seine unglaubliche Manneskraft. Sein Vater, ein Eisenbahner, stammte aus Andalusien, seine Mutter war eine Afrokubanerin. Der junge Compay begann als 14- Jähriger mit der Arbeit als Zigarrendreher. Sein Zuhause in der Kleinstadt Siboney im Südosten Kubas war offen für Musiker wie Sindo Garay, der revolutionäre Lieder sang. 1916 zog die Familie in die frühere Hauptstadt Santiago, und Compay lernte von etablierten Gruppen wie dem Trio Matamoros, dessen frühe Aufnahmen das mittlerweile berühmte Repertoire des son auf der ganzen Insel verbreiteten.«
Während die Musiker des Buena Vista Social Club sich gewöhnlich nicht öffentlich über die kubanische Politik oder die Weltpolitik äußerten, ist es für jeden Betrachter von Wim Wenders‘ Film klar, dass sie Patrioten und Humanisten waren.
In einem Artikel im Guardian, in dem Cooder an seinen verstorbenen Kollegen erinnert, kommt auch die Politik zu Sprache: »Ich befragte ihn einmal über Politik. Er schaute mich an und sagte: ›Politik? Dieser neue Typ ist gut. Die 30er Jahre waren hart. Da hatten wir eine wirklich schlechte Zeit.‹ In seinem langen Leben hatte er Diktatoren und Revolutionen kommen und gehen sehen und für ihn war Castro ›der neue Typ‹.«

Louis Proyect

Gekürzt aus: Green Left Weekly, Nr.547, 30.7.2003. Der Autor ist der Moderator einer marxistischen Mailinglist in den USA. Siehe www.marxmail.org.


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