SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2003, Seite 24

Max Hoelz

— der rote Rebell

Der Arbeitersohn Max Hoelz, am 14.Oktober 1889 in Moritz bei Riesa geboren, hat häufig Prügel bezogen. Doch wuchs er nicht zum Duckmäuser, sondern zum Rebellen heran. Zu seinen Lebensdaten gehören knapp zwei Jahre Englandaufenthalt, die Tätigkeit als Landvermesser und Erklärer von Filmen, wobei ihn Letzteres beim Publikum beliebt machte. 1914 Freiwilliger, wurde er unter dem Eindruck des Massenmordens im imperialistischen Weltkrieg Pazifist. Der Spartakusanhänger Georg Schumann vermittelte ihm 1917 den »allerersten Schimmer einer neuen Weltanschauung«. Otto Rühle, eher ultralinks, setzte zwei Jahre später bei einem 14-Tage-Lehrgang der KPD-Schule in Walsrode diesen Unterricht fort.

Vom Arbeitslosenrat zur Märzaktion

Von der USPD zur KPD gewechselt, machte Hoelz sich 1919 im Vogtland einen Namen — als neuer Robin Hood oder Karl Stülpnagel. Seit dem 24.April Vorsitzender des Arbeitslosenrats von Falkenstein, sorgten er und seine Genossen im Streit mit dem Bürgermeister und anderen Reaktionären dafür, dass Erwerbslose mehr Unterstützungsgeld, Kriegerwitwen erstmals Rente, die Frierenden Holz und Hungernde Kartoffeln bekamen. Dreimal hintereinander wurde ihretwegen die Stadt von der Reichswehr besetzt.
Anschließend illegal, tauchte Hoelz am 13.März 1920 beim Kapp-Putsch wieder auf. Er vereinte revolutionäre Arbeiter aus Falkenstein und Oelsnitz zur Roten Garde, übernahm die militärische Leitung und stand dem im Falkensteiner Schloss residierenden Aktions-, später Roten Vollzugsausschuss vor.
Nach dem Sieg der Arbeiter über Kapp zugunsten der Reichsregierung forderte auch die KPD die Sieger auf, sich geordnet zurückzuziehen. Hoelz lehnte dies ab. Er war selbst nach Ende der Roten Ruhrarmee noch als Partisanenführer tätig, wobei er stets darauf achtete, dass die Zahl der Menschenopfer gering blieb, und eher mal ein Gebäude anzündete. Nur standen ihm bald 40000—50000 reguläre Soldaten gegenüber. Ende März drohte der Vollzugsausschuss der »besitzenden Klasse« mit Zerstörung von Betrieben, Villen und Staatsbauten, falls reaktionäre Truppen ins Vogtland einmarschierten. Da das nicht zu verhindern war, zogen sich die 300 Rotgardisten am 11.April 1920 über die tschechische Grenze zurück.
Am 6.April war Hoelz wegen Disziplinlosigkeit aus der KPD ausgeschlossen worden. Der 5.Parteitag im November nahm ihn wieder auf. Im Frühjahr 1921 verübte er einen Bombenanschlag auf ein Gerichtsgebäude, um proletarische Gefangene freizupressen. Dann nahm ihn die Märzaktion voll in Anspruch. KPD und Kommunistische Arbeiterpartei (KAPD) gingen darin zum bewaffneten Kampf über, nachdem das von Oberpräsident Hörsing (SPD) befohlene Einrücken starker Polizeieinheiten in die Industriegebiete der Provinz Sachsen, besonders ins Mansfelder Revier, sie provoziert hatte.
In einer Zeit abflauender Massenkämpfe folgten sie jener Offensivtheorie, die Lenin, Trotzki und die III.Internationale später als Abenteurertum verurteilten. Vergebens hofften sie darauf, die Proletariermehrheit mit sich zu reißen. Hoelz war vom 23.März bis 1. April 1921 an Gefechten im Raum zwischen Eisleben, Hettstedt, Ammendorf und Beesenstedt beteiligt. Am Ende standen eine vernichtende Niederlage und weißer Terror gegen revolutionäre Arbeiter. Max Hoelz wurde mit aufgegriffen, zum Glück aber erst später identifziert. Im Juni stand er in Berlin-Moabit vor dem Sondergericht. Das Verfahren und mehr als sieben Jahre dauernde Kerkerhaft waren darauf angelegt, ihn zu vernichten. Doch fehlten den Inquisitoren und Schergen noch jene Mittel, die ab 1933 Hitler zur Verfügung standen.
Als hochbegabter, mit exzellentem Klasseninstinkt begabter Redner verteidigte sich Hoelz vor Gericht hervorragend. Ohne eigene Taten zu beschönigen, griff er unermüdlich die Bourgeoisie und das Tribunal an. Dies verurteilte ihn zu lebenslänglich Zuchthaus und dauerndem Ehrverlust. Ausschlaggebend war der Totschlag an Gutsbesitzer Heß in Roitschgen, eine Tat, an der Hoelz in keiner Weise beteiligt war. Doch wurde auf Umstände, die ihn entlasteten, keine Rücksicht genommen.
Die Zeit von Juli 1921 bis Ende August 1927 brachte er in den Zuchthäusern Münster, Breslau und Groß-Strehlitz zu — unter erschwerten Bedingungen und großenteils in Einzelhaft, mit Krankheit geschlagen und häufig von Aufsehern, am letztgenannten Ort auch vom sadistischen Direktor malträtiert. Erst in Sonnenburg gab es ab 1927 Erleichterungen für ihn.
Inzwischen bemühten sich linke Rechtsanwälte, die Komintern, die Rote Hilfe und trotz seiner oft ungerechten Attacken gegen die KPD auch diese, mit dem »Neutralen Komitee für Max Hoelz« zudem die demokratische Intelligenz, um seine Befreiung. Reichspräsident Ebert und Justizinstanzen legten sich quer. Eine neuerliche Untersuchung der an Heß verübten Bluttat, mit ihr das Wiederaufnahmeverfahren im Hoelz-Prozess wurden sabotiert. Dabei hatte sich der am Tod des Gutsbesitzers Schuldige inzwischen gestellt.
Druck von unten und außen veranlasste am 14.Juli 1928 den Reichstag zu einem Amnestiegesetz für politische Gefangene. Am 18.Juli verfügte das Reichsgericht die Freilassung von Hoelz. Aus Verdruss darüber, hierzu gezwungen zu sein, geschah das in Form einer »Unterbrechung der Strafvollstreckung«. Sie bedeutete die Drohung mit erneutem Knast.

Bedrohung von rechts und Jahre in der UdSSR

Der von der Klassenjustiz im entscheidenden Punkt zu Unrecht Verurteilte war frei. Sukzessive überwand er die in Zuchthäusern erworbene Menschenscheu. Bei einer KPD-Kundgebung bekannte er, weiter »einer der vielen Kesselheizer der Revolution« sein zu wollen. 1929 legte der Malik- Verlag Hoelzens den Gefangenen gewidmete Autobiografie Vom Weißen Kreuz zur roten Fahne auf. (Das Kreuz war ein protestantischer Keuschheitsbund, dem er bis 1914 angehört hatte.) Der Band fand reißenden Absatz.
Bei Arbeitern und Demokraten, z.T. auch Liberalen war Hoelz hoch angesehen. Die Reaktion hasste ihn. Im April 1929 wurde er in Karlsruhe durch einen Polizeiknüppel schwer verletzt. Im September 1930 setzte Hitlers SA bei einer Kundgebung in Bad Elster seinetwegen eine Saalschlacht in Szene, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Da sein weiterer Verbleib im Reiche zu riskant war, beschloss die KPD- Führung Hoelz‘ Übersiedlung nach Moskau.
Die Sowjetunion galt als das Vaterland aller Werktätigen. Das war auf die progressiven Nachwirkungen der Oktoberrevolution, das abschreckende Gegenbild kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung, aber auch schon auf von Millionen geglaubte Lügen der Stalin-Propaganda zurückzuführen. Hoelz war in der UdSSR als Opfer bourgeoiser Klassenjustiz und als »deutscher Budjonny-Proletarier« ungemein populär. 1922 erhielt eine Leningrader Fabrik seinen Namen. Es folgten weitere Produktionsstätten und Schulen im Land. Er war Ehrensoldat eines Reiterregiments. 1923 wurde ihm der Rotbannerorden verliehen. Nicht nur die Kämpfer des Bürgerkriegs hegten Sympathie für ihn, sondern auch junge Komsomolzinnen. Mit zweien ging er zeitweise die Ehe ein.
Seine Arbeit war großenteils politischer Natur, vor allem Agitation unter deutschen Arbeitern. Zugleich betätigte er sich in der Produktion, so 1932 in den Erzgruben von Tamir-Tau. Er stieß auf Schlamperei, Fehler, Versäumnisse, bürokratische Willkür, Unterversorgung und mangelnde Unterstützung Werktätiger. Als Kommunist zog er hiergegen zu Felde, ebenso gegen die Briefzensur. Die Bürokratie antwortete mit Sperrung seiner Bezüge. Das Innenministerium (NKWD) bespitzelte ihn. Anfang Mai 1933 in die Lubjanka bestellt, verbarrikadierte sich Hoelz in seinem Hotelzimmer. Schließlich ging er auf das Angebot ein, in der Sowchose Doskino bei Gorki in einer Feldbrigade zu arbeiten. In der Nacht vom 15. auf den 16.September 1933 ertrank er in der nahe gelegenen Oka beim Versuch, den Fluss per Boot zu überqueren. Es gibt Indizien, aber keinen schriftlichen Beweis dafür, dass ein NKWD-Kommando nachhalf.
Während Stalins großer Säuberung ab 1936 arbeitete das NKWD auch mit dem Konstrukt einer »konterrevolutionären, trotzkistischen Terrororganisation« unter Hoelz und dem nach Prag entkommenen KPD- Militärexperten Erich Wollenberg. Entsprechenden Anklagen fielen u.a. die Schauspielerin Carola Neher und der Arbeiter Rudolf Magirus zum Opfer.
Nachkriegs-KPD und SED blieben Hoelz gegenüber lange reserviert. Als Held wurde er in der DDR im Grunde erst in den 80er Jahren wiederentdeckt, dies auch deshalb, weil der einstige Jungkommunist Erich Honecker zu seinen Fans gehörte. 1983 erschien die instruktive, im Hinblick auf die Zeit in Doskino aber unwahrhafte Biografie Manfred Gebhardts.
Kurz vor Öffnung der DDR-Grenze nach Westen und dem Ende des »Arbeiter-und- Bauern-Staats« wurde am 14.Oktober 1989 zu Hoelz‘ 100.Geburtstag in Falkenstein ein Denkmal aufgestellt. Unter Druck der gewendeten CDU ist es schon am 2.Februar 1990 in einem Barbarenakt wieder abgetragen worden. Der Gedenkraum im Heimatmuseum wurde gesperrt, die Ausstellungsstücke wurden weggeworfen. Die im September desselben Jahres in der Mainzer Straße zu Berlin-Friedrichshain eröffnete Max-Hoelz-Buchhandlung sah sich von einer Lesbengruppe wegen angeblich sexistischer Äußerungen in Hoelz‘ Autobiografie attackiert. Kurz darauf vertrieben vom SPD-Bürgermeister Momper entsandte Polizeieinheiten linke Hausbesetzer aus der Mainzer Straße. Die Buchhandlung wurde geplündert und verwüstet.
»Nie gedacht soll seiner werden«, dürfte die Parole gewesen sein. Sie erwies sich als falsch. Als Peter Giersich und Bernd Kramer in Vorbereitung ihres neuen, im Jahr 2000 erschienenen Buches über Hoelz um die Zusendung von Erinnerungen und unveröffentlichten Dokumenten baten, hatten sie beachtlichen Erfolg. Der vor 70 Jahren gestorbene rote Rebell ist so leicht nicht totzukriegen. Mit fortschreitendem Abbau des einstigen Sozialstaats in der erweiterten BRD wachsen die Aufgaben derer, die politisch mit ihm verwandt sind, in den Himmel.

Manfred Behrend

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang